Fachabitur per ViBOS
Erlangen, August 2004 - (Beitrag von Joachim Vögele) In Bayern haben die ersten Absolventen einer "virtuellen" staatlichen Schule ihre Fachabitur-Prüfungen abgelegt. Die Virtuelle Berufsoberschule Bayern (ViBOS) ist als Versuchsprojekt seit 2000 im Netz aktiv. Sie ist die einzige staatliche Internet-Schule dieser Art.
Gelernt wird ausschließlich online. Der Lehrstoff kommt in Form von interaktiven "Hypertext-Lehrbüchern" auf den Monitor. Sechs Präsenz-Treffen auf freiwilliger Basis sind pro Schuljahr vorgesehen. Ab Herbst dieses Jahres soll Unterricht auch im virtuellen Klassenzimmer via Telelearning-Plattform angeboten werden. Nur am Ende des zweiten Schuljahres müssen die Absolventen eine reale Schulbank drücken. Zusammen mit Prüflingen der regulären Berufsoberschule legen sie in Erlangen ihre Prüfungen zum Fachabitur ab, das ihnen europaweit die Tür zum Studium an einer Fachhochschule öffnet.
Dass es in diesem ersten Jahrgang von 17 Teilnehmern nur fünf bis zur Prüfung geschafft haben, führt ViBOS-Leiter Gert Münchmeier auf persönliche Gründe zurück. Hohe Abbrecher-Raten seien bei vergleichbaren Schulen nichts Ungewöhnliches. Viele überschätzten ihre Kapazitäten, neben dem Beruf ein Studium zu bewältigen, erläutert Münchmeier, der als Ministerialdirektor für die Berufsoberschulen und Fachoberschulen in Nordbayern zuständig ist.
"Wir wollen all jenen eine Chance bieten, für die der regelmäßige Besuch einer Abendschule nicht in Frage kommt", erläutert Münchmeier das Konzept, dessen Leitmotiv die größtmögliche Freiheit des Lernens ist. Bis zur Prüfung gibt es keinerlei Leistungskontrollen, die Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Lerngruppen ist nicht verbindlich. Für Benjamin Warnholz war dies genau die richtige Form des Lernens. Verbindliche Termine wären für den Versicherungsangestellten ein Ausschlussgrund gewesen. Sein Kommilitone Jens Jirschitzka fand die zwei Jahre ohne Noten "ziemlich hart". Den 29-jährigen Zeitsoldaten hielt vor allem der eMail Kontakt zu den Lehrkräften bei der Stange. Beide haben mit Bravour bestanden.
Nicht alle, die bei ViBOS eingeschrieben sind, streben einen Abschluss an. Von den 105 derzeit registrierten Nutzern lernen 27 in einem der beiden Fachabitur-Jahrgänge. 25 weitere Schüler absolvieren eine Vorklasse. 47 Männer und Frauen nutzen die virtuelle Schule zur eigenen Fortbildung - ohne Betreuung und kostenlos. Das Angebot steht Interessenten aus allen Bundesländern offen.
Als staatliche Schule kann ViBOS für den Unterricht keine Gebühren einziehen. Stattdessen erwartet all jene, die das Fachabitur anstreben, ein "Nutzungsentgelt" von 385 Euro pro Schuljahr. Im Unterschied zu privaten Fernschulen muss ViBOS nicht kostendeckend arbeiten. In der Versuchsphase wird der Betrieb zusätzlich mit Fördermitteln des Landes Bayern finanziert, die Stadt Erlangen steuert Sachmittel bei. Später sollen die Gelder aus dem regulären Bildungstopf fließen. "Wir sehen das Angebot als Teil unseres Bildungsauftrages", erklärt Gert Münchmeier. In zwei Jahren wird die Behörde darüber entscheiden, ob ViBOS "bestanden" hat.