Wird aus dem Handwerk bald ein "Roboterwerk"?
Stuttgart, Januar 2017 - "Digitalisierung muss Chefsache sein" behaupten die Experten. Torben Padur ist Leiter des Arbeitsbereichs "Gewerblich-technische Berufe" im Bundesinstitut für Berufsbildung und geht der Frage nach, ob Handwerk bald "Roboterwerk" sein wird. Er zeigt dabei auf, wie der Einsatz von Robotern im Handwerk in Zukunft aussehen kann und welche Chanchen darin für die Betriebe liegen. Zum Thema "Handwerk 4.0" diskutiert er auch auf der didacta 2017 in Stuttgart mit weiteren Experten.
Nehmen Roboter den Menschen zukünftig die Arbeit weg?
Torben Padur: Von einer pauschalen Antwort auf diese Frage würde ich eher absehen. Wir nehmen wahr, dass sich das Thema Roboter im Handwerk nicht in der Fläche durchsetzt. Es geht vielmehr um den Einsatz von Assistenzsystemen sowie die grundsätzliche Berücksichtigung von Informationstechnologie und Informationstechnik in nahezu allen Berufen.
Wie verändert die Digitalisierung die Handwerksberufe?
Torben Padur: Digitalisierung wirkt im Handwerk sehr stark. Der Umgang mit moderner Technik spielt heute schon eine große Rolle. Das nehmen wir in vielen Berufen wahr. Beispielsweise beim Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik, wo bereits smarte Technik von jungen Fachkräften verbaut wird. Hörgeräteakustiker produzieren heute schon Teile eines Hörgeräts aus dem 3D-Drucker. Gleiches gilt beim Schuhmacher, wo beispielsweise Leisten ausgedruckt werden. Die ursprüngliche Assoziation von Handwerk, das Verständnis für Material, Werkstoff und Werkzeug, verschwindet jedoch nicht und hat nach wie vor einen hohen Stellenwert. Möglicherweise reduzieren sich Zeitanteile dafür in der Ausbildung künftig, aber das macht diese Inhalte nicht weniger essentiell.
Betrachten Sie die Digitalisierung im Handwerk als Chance oder als Herausforderung?
Torben Padur: Ich sehe beide Seiten. Die Chance besteht sicherlich darin, Berufe noch attraktiver und das System wettbewerbsfähiger zu gestalten. Auch gilt es durchlässige Karrierewege zu ermöglichen. Gerade hier nimmt das Handwerk bereits heute eine Vorreiterrolle ein. Die Digitalisierung bietet die Chance, junge Menschen dort abzuholen, wo sie im privaten Umfeld bereits stehen. Das müssen wir uns auch in der Ausgestaltung unserer Berufsbilder zu Nutze machen. Die Herausforderung bei den Handwerksberufen liegt mit Sicherheit darin, Schnittstellen und Übergänge flüssig zu gestalten. Gerade beim Thema smarte Technik bekommen diese Schnittschnellen eine höhere Bedeutung, und Gewerke verschieben sich möglicherweise. Es ist spannend zu sehen, wie das Handwerk auf diesen Schnittstellenprozess reagieren wird.
Wie können sich Ausbildungsbetriebe und Lehrkräfte auf die digitalisierte Arbeitswelt vorbereiten, um Lehrlinge passend auszubilden?
Torben Padur: Sie sollten sich in jedem Fall öffnen und das Thema aktiv im eigenen Betrieb angehen. Digitalisierung muss Chefsache sein und in den Köpfen der Entscheider ankommen. Ausbilder und Lehrkräfte sind wesentliche Multiplikatoren, die massiv von diesem Thema betroffen sind. Bereits heute nutzen junge Menschen ihr Smartphone auch im Ausbildungskontext. Inhalte und deren Vermittlung werden verstärkt hinterfragt. Ausbilder sehen sich mit einer ganz anderen Rolle konfrontiert. Die Art und Weise der Vermittlung von Ausbildungshinhalten ändert sich grundlegend. Es ist daher immens wichtig, das Personal fit zu machen, methodisch fundiert zu qualifizieren und wechselseitig auch von den Auszubildenden zu lernen. Wir haben dazu im BIBB einige Projekte, die sich speziell mit der Frage der künftigen Ausbilderrolle beschäftigen.
Welche Schlussfolgerungen haben Sie aus dem gemeinsamen Pilotprojekt mit Volkswagen zur Digitalisierung von Arbeit und der Entwicklung bestimmter Berufe gezogen?
Torben Padur: Wir haben mit diesem Projekt untersucht, wie die Digitalisierung Arbeitsplätze, Aufgaben und Tätigkeiten verändert, und wie Berufsbildung darauf reagieren kann. Zwei Erkenntnisse sind am spannendsten: Wir haben den Bedarf für ein neues Berufsprofil in der Instandhaltung festgestellt. Dieses Profil könnte durchaus den Gedanken an einen neuen Ausbildungsberuf nahelegen und entsprechende Neuordnungsüberlegungen rechtfertigen. Das ist jedoch nur ein mögliches Szenario. Bei der unterschiedlichen Bandbreite ausbildender Betriebe geht es vielmehr darum, wie wir die untersuchten Metall- und Elektroberufe grundlegend fit für die Digitalisierung machen können. Mit den bisherigen Berufsbildern sind wir gut aufgestellt. Diese müssen nun systematisch weiterentwickelt werden.
Die andere wesentliche Erkenntnis ist, dass Digitalisierung eine enorme Wirkung auf die betriebliche Ausbildungsgestaltung hat. Wir setzen heute noch stark auf das Aneinanderreihen von Grundlagen und Lehrgängen, die dann in einer Prüfungsvorbereitung münden. Wenn wir aber doch immer mehr ein Prozess- und Systemverstehen benötigen, sollten wir junge Menschen viel früher an das System heranlassen, damit sie im Prozess der Arbeit so die notwendigen Grundlagen erlernen. In einer gemeinsamen Initiative mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung zu Fachkräftequalifikation und -kompetenzen für die digitalisierte Arbeitswelt von morgen wollen wir nun auch im Handwerk, öffentlichen Dienst und in den kleinen und mittelständischen Unternehmen Erkenntnisse gewinnen, die die genannten Annahmen verdichten. Wir untersuchen in dieser Initiative insgesamt 13 Berufe, wie beispielsweise den Land- und Baumaschinenmechatroniker oder Straßenbauer, um wahrzunehmen, ob die zunehmende Digitalisierung auch dort zu grundlegenden Veränderungen führt.