Die digitale Bildungswirtschaft in Zeiten von Corona:
Profiteur oder Opfer?
Essen, April 2020 - Die aktuelle Berichterstattung zur Corona-Krise lässt manchmal den Eindruck entstehen, dass die eLearning-Branche zu den großen Profiteuren dieser Krise zählen könnte. Denn selbst Unternehmen und Bildungsinstitutionen, die sich bisher zurückhaltend bei der Online-Bildung für ihre Mitarbeiter oder Kunden zeigten, verstärken jetzt massiv ihre digitalen Aktivitäten. Können die Anbieter aus der digitalen Bildungsbranche diese Veränderungen bereits positiv wahrnehmen, oder schlägt sich der Shutdown im Gegenteil sogar eher negativ in den Geschäftszahlen nieder? Und wie wird sich die eLearning-Branche in der Zeit nach der Krise entwickeln?
Das mmb Institut hat genau zu diesen Fragen eine aktuelle Blitzbefragung unter den Anbietern digitaler Lernservices und -tools durchgeführt, an der sich innerhalb von fünf Tagen 64 eLearning-Unternehmen beteiligten.
Die drei wichtigsten Ergebnisse:
- Umsatzentwicklung: Zwar bringt der Shutdown für knapp die Hälfte der Unternehmen bislang kaum spürbare Veränderungen mit sich - auf einer Skala von minus 5 bis plus 5 sehen sich 48 Prozent der Befragten in der Mitte (zwischen minus 1 und plus 1), aber immerhin mehr als ein Viertel (27%) der Unternehmen stellt bereits jetzt eine positive Umsatzentwicklung fest. Demgegenüber stehen jedoch fast gleich viele Unternehmen, deren Geschäft sich derzeit nicht besonders gut entwickelt: 25 Prozent rechnen aktuell mit Umsatzeinbußen.
- Bevorzugte eLearning-Tools: Von der aktuellen Krise profitieren nach Einschätzung der Anbieter vor allem Lernformen, die primär online funktionieren und zugleich nicht zu komplex sind. Der Spitzenreiter (80%) sind somit die Virtual Classrooms und Webinare, die ja von ihrer Funktion her den zurzeit viel beanspruchten Web-Konferenzen ähneln. Neben Videotutorials und adaptiven Lerntechnologien setzen viele Anbieter derzeit große Erwartungen auf MicroLearning (66%), mobile Anwendungen und Apps (64%). Auch Web Based Trainings (56%) und soziale Lernformen (55%) werden aktuell von vielen als attraktiv eingestuft. Das Schlusslicht bilden die Serious Games (33%), als sehr komplexes Lernformat mit gleichfalls hohem Investitionsaufwand.
- Konjunktur nach der Krise: Im Blick auf die "Nach-Corona-Zeiten" zeigt sich ein einhellig positives Bild: Alle Befragten stimmen der Aussage zu "Berufliche Bildung und Weiterbildung wird deutlich und auch nachhaltig 'digitaler' werden". Demnach würde die Corona-Krise der Branche also endgültig zu dem Durchbruch verhelfen, den sie sich seit langem erhofft. Fast alle befragten Unternehmen (98%) sind jedenfalls davon überzeugt, dass die aktuelle Krise die Vorteile des Online-Lernens unter Beweis stellt. Nur 23 Prozent glauben, dass die Krise auch Nachteile des digitalen Lernens offenbart. Rund vier Fünftel (79%) rechnen freilich nicht mit einem "Backlash" und damit einem Rückfall in klassische analoge Lerngewohnheiten.
Ob sich diese optimistischen Prognosen der Branchenvertreter dann auch bald in ihren Geschäftsbüchern niederschlagen werden und die digitale Bildungswirtschaft als Gewinner aus der Krise hervorgehen kann, oder ob man sich jetzt einfach nur vom Hype des allgemeinen "Digital Turns" beflügelt fühlt, bleibt offen. Wenn es stimmt, dass jede Krise die ohnehin vorhandene Tendenzen und Entwicklungen verstärkt, dann spricht einiges dafür, dass sich vor allem einfache, nutzungsfreundliche und unaufwändige digitale Lernangebote durchsetzen, die an vorhandene Technologien und Medienkompetenzen anknüpfen.
Nicht nur das mmb Institut ist gespannt auf die Ergebnisse der Folgestudie im Herbst 2020, wenn der Shutdown – hoffentlich – Vergangenheit ist.