Mittelstand und Corona: Unsere Branche - unsere Kunden
Düsseldorf, November 2020 (von Olaf Bursian, Quadratwissen) Deutschland steckt im zweiten Lockdown, Restaurants, Hotels, Freizeiteinrichtungen und Sportvereine sind bundesweit geschlossen. In vielen Unternehmen, Organisationen und Behörden steht das Homeoffice wieder auf der Tagesordnung. Die eLearning-Anbieter trifft Corona in zweierlei Weise: die Branche ist selbst eine von kleinen und mittleren Firmen dominierte (oft Eigentümer-geführte) Branche. Zudem sind viele Kunden mittelständische Unternehmen. Was also macht Corona mit uns?
Dazu drei Antworten:
- Es ist ernst, aber nicht hoffnungslos!
- Das Thema stimmt!
- Auch wir müssen innovativ bleiben – intern und gegenüber den Kunden
- Einer Untersuchung der staatlichen Förderbank KfW zufolge sind bei den bundesweit 3,8 Millionen mittelständischen Firmen wegen Corona bis zu 1,1 Millionen Jobs im Mittelstand gefährdet. Demnach planen ein Siebtel (16 Prozent) der kleinen und mittleren Firmen in diesem Jahr die Zahl der Mitarbeiter zu reduzieren, um Kosten zu senken. Trotzdem bleibt eine Pleitewelle vorerst noch aus, denn obwohl manche (längst nicht alle!) Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr rote Zahlen schreiben, sind durch die zeitweise Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 31.12.2020, dem auch in eLearning-Unternehmen genutzten Kurzarbeitergeld und anderen staatlichen Förderprogrammen und Krediten strauchelnde Unternehmen (noch) vor der Insolvenz bewahrt worden.
Für den Großteil der eLearning-Unternehmen selber, scheint die Krise keine existenzgefährdenden Effekte zu haben: Für die eLearning-Branche hatte mmb im April 2020 eine Blitzumfrage unter dem Titel "Profiteur oder Opfer" durchgeführt, in der 75% der eLearning-Unternehmen einen zum Vorjahr gleichbleibenden oder steigenden Umsatz annahmen und zu 71% von einem gleichbleibenden oder steigenden Mitarbeiterstamm ausgingen. Nach dem zweistelligen Branchenumsatzwachstum im Jahr 2019 muss hier eher von einer Konsolidierung bei insgesamtem Wachstum ausgegangen werden.Auf Kundenseite lässt sich bei einigen Unternehmen in Corona-Zeiten aber eine Zurückhaltung von Investitionen beobachten. Das betrifft nicht nur Unternehmen in existentiellen Schwierigkeiten, sondern auch Corona-Profiteure im Handel und in der Nahrungsmittelindustrie. Das eigene wirtschaftliche Handeln und das Absichern der Geschäftstätigkeit hat Priorität vor der Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, neuer Digitalisierungsprojekte etc.
Ein Grund liegt auch in der Verfügbarkeit der eigenen MitarbeiterInnen, weil sich in nicht wenigen Unternehmen Mitarbeiter in Kurzarbeit befinden und deswegen z.B. ganze Schulungsprojekte verschoben werden. Für das kommende Jahr rechnet die Wirtschaftsauskunftei Creditreform branchenübergreifend mit einem deutlichen Anstieg der Insolvenzverfahren, welche diese Tendenz eher verstärken könnten (zwar hatte sich im ersten Halbjahr 2020 die Zahl der Unternehmensinsolvenzen (trotz Corona!) sogar um 8,2 Prozent auf 8900 Fälle verringert (insgesamt 18.000 Verfahren im Jahr 2020); für 2021 rechnen die Wirtschaftsforscher mit 24.000 oder mehr Verfahren.
Hauptbetroffen sind dann Selbstständige, und kleine und mittelgroße Unternehmen denen in der Krise Cashflow und Liquidität fehlen. Grundsätzlich liegt die Eigenkapitalquote im Mittelstand allerdings bei rekordverdächtigen Eigenkapitalquote fast 39 Prozent.Für die eLearning-Branche steht aufgrund der bisher trotz allem zufriedenstellenden Umsätze aus meiner Sicht keine Marktbereinigung an, allerdings könnten Übernahmen und Zusammenschlüsse innerhalb der eLearning-Branche bereits jetzt angebahnt werden und aufgrund der Rahmenbedingungen günstig werden. Für die B2B-Geschäfte mit Unternehmen als Kunden, liegt in der unklaren wirtschaftlichen Lage der Kundenunternehmen eine noch nicht absehbare Gefahr.
Fazit: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos: Zurzeit sind viele Unternehmen der eLearning-Branche gesund, ein Firmensterben bleibt aus, allerdings sind vor allem die weiterhin guten Umsätze, staatliches Handeln und die oft hohe Eigenkapitalquote die Grundlage dafür. Ändert sich eines davon, könnten schwere Zeiten auf die Unternehmen zu kommen.
- ELearning und damit unsere Branche sind einer der thematischen Gewinner der Corona-Krise. In Schulen werden Lernplattformen installiert, in Betrieben werden ganze Aus- und Weiterbildungsprogramme auf digital umgestellt, Akademien bieten ausschließlich digitale Programme an, Trainerinnen und Trainer entdecken virtuelle Welten für sich und freunden sich mit Technologien an, die sie vor der Coronakrise abgelehnt haben.
CHECK.point eLearning berichtete bereits am Anfang der Krise von einer Euphorie in der Branche, die hofft, dass diese Krise ein Beschleuniger der Digitalisierung insgesamt und damit der Durchdringung von digitalen Lernformaten im speziellen zur Folge hat. Anlegern wurde aufgrund rosiger Aussichten gar ein Investment in eLearning-Unternehmen empfohlen. Ausgehend von den globalen Reports (u.a. HolonIQ, Educause) ist der eLearning Markt (nicht zuletzt aufgrund der stärker werdenden Durchdringung von digitalen Medien im Schulbereich) auf steilem Wachstumskurs. Mit rund sechs Billionen US-Dollar hatte das Geschäft mit der Bildung insgesamt (nach Berechnungen von HolonIQ) schon 2018 den Umfang des globalen Automobilmarkts erreicht. Bis 2025 erwartet der Brancheninformationsdienst einen Anstieg auf knapp acht Billionen Dollar, weitere fünf Jahre später sollen es dann bereits zehn Billionen Dollar sein.
Damit wäre der Markt für Bildung insgesamt zu Beginn der kommenden Dekade bereits rund eine Billion Dollar größer als das Geschäft mit dem Automobil. Der digitalen Bildung kommt dabei ein erheblicher Anteil, auch und gerade in Schwellenländern, zu. Rosige Zeiten also, auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz?
Die corona-bedingte Verschiebung der LEARNTEC auf den Juni, die durchwachsene Annahme der online durchgeführten "Zukunft Personal" und weitere Ausfälle und Verschiebungen im Marketingbereich machen es deutschen Unternehmen nicht leichter sich Business-Kunden vorzustellen.
Im Schulbereich sind nur weniger klassischen eLearning-Agenturen aktiv und auch im Mittelstand haben viele Unternehmen noch keine überzeugenden Konzepte gefunden, um diese spezielle Kundengruppe umfassend mit Services zu versorgen.
- Die eLearning-Branche sollte und muss meiner Ansicht nach, die Chancen aktiv angehen und nutzen, die sich aus der Corona-Krise ergeben. Dazu gehört es die Probleme der mittelständischen Unternehmen zu lösen. Diese liegen meines Erachtens in der Eigenwahrnehmung der mittelständischen Unternehmen nicht in der Bildung, weder der spezifischen Aus- und Weiterbildung, noch dem standardisierten Lernen (Compliance, Office, etc.), sondern in der Schaffung einer allgemeinen Lernkultur in den mittelständischen Unternehmen, um deren Zukunftsfähigkeit durch Innovation, Kundenorientierung, Prozessoptimierung und Flexibilität zu erreichen.
Dazu gehört es, selber, als mittelständische Branche, diese Werte intern vorzuleben und gegenüber den eigenen MitarbeiterInnen der eLearning-Branche zu realisieren. Auch in unserer Branche gibt es einiges zu tun, um als preferred employer (bevorzugte Arbeitgeber) gegenüber den (Bildungs-) Großkonzernen im Kampf um Talente zu bestehen. Agile Softwareentwicklung und agile Lernstrukturen sind auch in den mittelständischen eLearning-Unternehmen rar. Hier gilt es die Krise zu nutzen, um gegenüber den Kunden - gerade aus dem Mittelstand - glaubhaft den kommenden Wandel vorzuleben.