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Rapid Learning im Visier

Stuttgart, Juli 2004 - "Quick and dirty" - mit diesem negativen Begriff wird Rapid eLearning oft in Verbindung gebracht. Dabei muss der Turbo beim Design von Content die Qualität nicht zwangsläufig verschlechtern. "Die Erstellung von Lerninhalten bewegt sich zwischen zwei Extremen", erklärt Georg Droschl, Research Manager beim Plattformanbieter Hyperwave. Auf der einen Seite das Drag-and-Drop-Verfahren, mit dem Inhalte aus diversen Formaten zusammengebastelt werden - das lässt sich in kurzer Zeit erledigen. "Das andere Extrem besteht darin, eine Agentur mit der Aufbereitung betriebsinterner Inhalte zu beauftragen", so Droschl, was allerdings Monate dauern kann. Dazwischen liegt eine breite Palette von Varianten für ein brauchbares und didaktisch wertvolles Design.




Die optimale Lösung liegt wie so oft in der Mitte: "Für komplizierte und dauerhafte Inhalte lohnt sich eine hochwertige Form, bei Content mit kurzem Verfallsdatum ist das nicht notwendig", findet Droschl. Auch das Einsatzgebiet spielt eine Rolle: "Piloten brauchen nicht nur Theoriewissen, sie müssen ihr Können natürlich auch in Simulationen beweisen, bevor sie in ein Flugzeug steigen dürfen", meint Ralph Weiß, Geschäftsführer von Macromedia Central Europe. Das Unternehmen vertreibt Tools wie Director und Authorware. "Auch in Atomkraftwerken und anderen sicherheitskritischen Bereichen hat Rapid eLearning keinen Platz", bestätigt Sylvie Rumler, Geschäftsführerin beim eLearning-Dienstleister Balog.


Technische Details sind oft unbekannt


Doch man muss gar nicht in so exotische Bereiche vordringen, um den Sinn von Animationen zu begreifen. So sind technische Teile für Mechaniker häufig eine Blackbox - sie werden als komplettes Modul eingebaut. "Um die Technik dahinter zu begreifen, braucht man Illustrationen", so Weiß. Schmunzelnd ergänzt Balog-Chefin Rumler: "Ein Trainer wäre nicht in der Lage, die Funktionsweise des realen 16-Gang-Getriebes eines LKWs zu demonstrieren. Allein die Zahnräder wären für ihn viel zu schwer. "


Trotz der Vorteile anschaulicher Lernszenarien ärgert sich Rumler darüber, dass ihre Kunden immer als erstes fragen: "Ist da auch Multimedia drin?" Keiner habe bisher gefragt: "Werden meine User das verstehen?" Das sollte ihrer Meinung nach das einzige Kriterium für die Form sein - auch wenn sie sich darüber im Klaren ist, dass die meisten Menschen visuell geprägt sind.


Auch wenn Rumler Rapid eLearning - der Begriff ist erst wenige Monate alt - nicht als Ersatz herkömmlicher Lernwege sieht, "so gibt es dennoch zeitkritische Einsatzgebiete wie das Update des Vertriebs bei neuen Produkten, die sich für eine Textversion eignen". Ein Paradebeispiel zeigt die Vorteile: Zu Zeiten der Lungenkrankheit SARS hat sich ein US-Arzt fünf Stunden Zeit genommen, eine kleine, halbstündige Lerneinheit entwickelt und an 800 Krankenhäuser geschickt. Seither stehen die Infos dort im Intranet. "Den Usern wurde der Nutzen schlagartig klar", freut sich Rumler, "genau das ist für mich Rapid eLearning."


Auf jeder Stufe lassen sich Prozesse verkürzen und Geld einsparen: "Man braucht keine Agentur", nennt Droschl den wichtigsten Punkt. Ein willkommener Nebeneffekt: Der Kontakt zwischen Lerner und Wissensvermittler ermöglicht ein direktes Feedback. Weiß bestätigt: "Wenn ein Vermittler wegfällt, verringern sich die Missverständnisse."


Wenige Stunden statt vieler Wochen


Weiß kann die zeitliche Einsparung beziffern: Sein Kunde Sprint - nomen est omen - konnte mit der Rapid-Lösung die Content-Erstellung von 27 Tagen auf 18 Stunden verringern. Bei Siemens Medical hat sich eine eCollaboration-Lösung bereits nach einem Jahr amortisiert - früher kostete ein Meeting 70 000 Euro, heute kommt das Unternehmen - je nach Anzahl der Autoren - mit 25 000 bis 40 000 Euro aus. Auch die virtuelle Variante war nicht immer billig: "Früher kostete eine Stunde Lernstoff rund 25 000 Euro, heute nur noch 10 000 Euro", vergleicht Rumler. Zudem habe sich die Entwicklungszeit von bis zu eineinhalb Jahren auf wenige Wochen verkürzt. Wenn ein Unternehmen seine Fünf-Jahres-Strategie mitteilen wolle, dauerte das früher ein halbes Jahr, heute könne man diese Informationen innerhalb von fünf Stunden bereitstellen.


Doch viele Unternehmen sind auf eine schnelle Informationsweitergabe gar nicht vorbereitet. Rumler hat erlebt, dass der Content eines Kunden bereits ein Update benötigte, als das Lernprogramm noch gar nicht fertig war. "Es gibt Firmen, die endlos über die Farbe der Buttons streiten", klagt die ehemalige Software-Trainerin. Sogar Multimedia-Experten beim Anwenderbetrieb machen ihr das Leben schwer: "Die gehen oft nach dem Look und lehnen weniger bunte Vorschläge kategorisch ab." Dabei müssen Rapid-Inhalte didaktisch nicht schlechter sein als Multimedia-Lösungen. "Es kommt nicht so sehr auf die Aufmachung an", so Rumler. Sie setzt lieber auf das Aha-Erlebnis.