Augmented Reality: Wirkzusammenhänge erfahrbar machen
Wuppertal, November 2016 - Digitale Medien ermöglichen neue Formen des Lehrens und Lernens in der beruflichen Bildung. Augmented Reality hat sich im Kontext des BMBF-geförderten Projektes "Social Augmented Learning" (SAL) als wertvolles Instrument zur Erweiterung digitaler Bildungsangebote etabliert. Dominic Fehling von der Bergischen Universität Wuppertal wird im Rahmen des LEARNTEC-Kongresses eine Erfahrungsanalyse präsentieren.
Sie haben an einem BMBF-Projekt zum Lernen in einer "erweiterten Realität" mitgewirkt. Welche Erfahrungen konnten Sie dabei sammeln?
Dominic Fehling: In gewerblich-technischen Ausbildungsberufen, wie z. B. dem Berufsfeld Medientechnologe Druck, stehen nicht selten komplexe Maschinen im Mittelpunkt, deren Bedienung, Wartung und Instandhaltung Gegenstand des Lehrplans ist. Diese Aspekte werden im Zuge der digitalen Transformation nicht nur immer komplexer, oft sind moderne Maschinen Lernenden auch einfach nicht mehr frei zugänglich. Uns war es vor diesem Hintergrund wichtig, verborgene Wirkzusammenhänge wieder offenzulegen, zu visualisieren und so für Lernaktivitäten nutzbar zu machen, bei denen an und mit Maschinen gelernt werden kann ohne z. B. in laufende Produktionsprozesse eingreifen zu müssen.
Augmented Reality verbindet hierbei die physische Realität (z. B. die Lehrmaschine in der Berufsschule) mit der digitalen Virtualität (z. B. 3D-Visualisierungen sonst verborgener Bauelemente) und ermöglicht so einen authentischen und praxisnahen Zugang zu Lerngegenständen. Derart erweitert können diese nicht nur explorativ erkundet, sondern sowohl für selbstgesteuerte als auch für gemeinsame und kooperative Lernaktivitäten genutzt werden.
Die Entwicklung der Lehr- und Lernanwendung wurde agil und iterativ, begleitet durch zahlreiche Nutzerstudien, durchgeführt. Nicht nur hinsichtlich Usability, Funktionsumfang und Integrationsmöglichkeiten in bestehende Unterrichtskonzepte konnte so über alle Entwicklungsschritte konstant Feedback zur Anpassung und Weiterentwicklung der Anwendung genutzt werden. Wichtig war aber auch die Möglichkeit, über eben diese Erprobungen schon früh Anknüpfungspunkte an die bildungsalltägliche Realität der dualen Ausbildung zu finden.
Im Anschluss an die Projektförderung wird Social Augmented Learning vom Zentral-Fachausschuss Berufsbildung Druck und Medien (ZFA) weiter geführt und in der Ausbildung von Medientechnologinnen und Medientechnologen Druck verankert. Basierend auf den Erfahrungen, die wir mit Augmented Reality sammeln konnten, wird zudem aktuell das Anschlussprojekt Social Virtual Learning (SVL) durchgeführt. In diesem wird das Konzept des Lernens in erweiterten Realitäten um das Lernen in virtuellen Lernumgebungen erweitert.
Welche besonderen Anforderungen stellen Augmented und Virtual Reality im Vergleich zu herkömmlichen eLearning-Produktionen an das Content-Design?
Dominic Fehling: Schon im Social Augmented Learning haben wir feststellen können, dass viele Ansätze des Content-Designs konventioneller eLearning Produktionen übertragbar sind. Die Schritte der (Zielgruppen-)Analyse und der Gestaltung und Entwicklung von AR-basierten Lerninhalten werden daher auch bei der Umsetzung von Lernmodulen des SAL und SVL angewandt. Dennoch kann ein kritischer Faktor des Content-Designs identifiziert werden, wenn es um die Visualisierung von Maschinenelementen geht: 3D-Daten bzw. 3D-Modelle.
Wir erweitern bzw. virtualisieren Lernwelten, indem wir den Lerngegenstand wieder zugänglich machen, auch wenn er am realen Lernort nicht zur Verfügung steht oder nicht zugänglich ist. In unseren Projekten können wir aufgrund der intensiven Kooperation mit unserem Verbundpartner, der Heidelberger Druckmaschinen AG, auf originalgetreue Datenbestände zurückgreifen, die wir zur Modellierung authentischer und relevanter 3D-Modelle heranziehen. So ist es möglich Objekte zu erschaffen, die zum einen auf gängigen mobilen Endgeräten lauffähig sind, zum anderen aber auch aus mediendidaktischer Perspektive so aufbereitet sind, dass sie zu curricularen Lerninhalten eines Lernmoduls gut kommuniziert werden können. Kritisch ist dieser Faktor aus zwei Gründen: Zum einen ist die Generierung authentischer Modelle ohne die Kooperation mit Herstellern schwierig, zum anderen ist sie in vielen Fällen noch sehr zeit- und arbeitsintensiv.
In welchen Lernszenarien erscheinen AR und VR sinnvoll einsetzbar? Wo sind sie eher "nice to have"?
Dominic Fehling: Unseren Erfahrungen nach ist der Einsatz von Augmented Reality z. B. dann sinnvoll, wenn Wirkzusammenhänge erfahrbar gemacht werden sollen, die in der Realität aufgrund der Konstruktion einer Maschine, aus Kosten- oder Risikogründen oder aufgrund anderer Faktoren nicht einsehbar sind. Vor allem interaktive, arbeitsplatznahe Aktivitäten an solchen schon fast als Blackbox zu bezeichnenden Maschinen, die durchaus auch einen instruktiven Charakter haben können, eignen sich.
Augmented und Virtual Reality stellen unserer Ansicht nach hierbei eine sinnvolle Ergänzung zu konventionellen Lehr- und Lernformen dar, indem sie als neues Medium nicht nur den Zugang zu ansonsten verborgenen Lerninhalten schaffen. Lehr- und Lerninstrumente in AR und VR ermöglichen die Interaktion mit Lerngegenstand und Lernwelt sowie die Kooperation mit anderen Lernenden.
Damit ein solcher Technologieeinsatz auch einen Mehrwert für die Ausbildung und die Ausbildungsqualität haben kann sollte ein Aspekt besonders berücksichtigt werden: Ohne eine sinnvolle Einbettung in ein mediendidaktisches Gesamtkonzept werden im besten Fall inzidentell positive Effekte generiert. AR und VR sollten nicht "um der Technik willen" eingesetzt werden, sondern als Medium für den modernen Unterricht erschlossen werden. Um diesem Aspekt Rechnung zu tragen, haben wir im Social Augmented Learning ein didaktisches Konzept erstellt und veröffentlicht, das wir zurzeit im Projekt Social Virtual Learning erweitern und ergänzen.
Augmented Learning soll aus motivationspsychologischer und didaktischer Sicht Lernprozesse optimieren. Was muss ein solches Lernerlebnis bieten, wie muss es gestaltet sein, um nachhaltig zu wirken?
Dominic Fehling: Augmented Learning, - und hierbei kontextualisiere ich den von Eric Klopfer geprägten Begriff um die mit Social Augmented Learning und Social Virtual Learning verfolgten methodisch-didaktischen Ansätze -, beschreibt meiner Ansicht nach nicht nur technologisch erweiterte Lernaktivitäten, sondern auch die sich wandelnden Rollenverständnisse Lehrender und Lernender in diesen. Lernen, Motivation und Lernerautonomie sind hierbei ganz wesentliche Aspekte einer Gestaltung erweiterter und virtueller Lernwelten.
Im Vordergrund sollten hierbei interaktive, tutoriell begleitete Lernaktivitäten stehen, die Lernende nicht nur fördern und durch zusätzliche Visualisierungsmöglichkeiten unterstützen, sondern gleichzeitig auch die selbstbestimmte Auseinandersetzung mit komplexen Lerninhalten fordern.
Auf dem LEARNTEC-Kongress werden wir am 25. Januar 2017 nicht nur vorstellen, wie SAL und SVL in der Ausbildung eingesetzt, sondern auch wie einfach und intuitiv mit unserem Autorenwerkzeug Lerninhalte generiert und distribuiert werden können.
"Content-Design für das Lernen mit Augmented und Virtual Reality", Konferenzsaal, 25.1.2017, 11:30-12:00 Uhr