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Strategie versus Kontrolle

Hannover, Juli 2003 - Laut einer aktuellen Studie von McKinsey gibt die gewerbliche Wirtschaft jährlich 18 Mrd. EUR für Qualifizierung aus. Lediglich 60% dieser Maßnahmen sind effektiv. Und das in Zeiten, in denen Personalentwickler zunehmend unter Finanzierungs- und Erklärungsnot geraten und moderne eLearning-Technologie eigentlich ein breites Spektrum an Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten bietet.

Auf seiner 3. Fachtagung diskutierte der eLearning-Presseclub Deutschland die drängende Frage: "Was kann IT-gestütztes Bildungscontrolling theoretisch leisten und woran scheitert es in der praktischen Umsetzung?" 50 Fachjournalisten, Vertreter aus Wirtschaft, Forschung und Politik waren auf Einladung des Kompetenzzentrums eLearning Niedersachsen nach Hannover gekommen, um sich zwei Tage lang über Chancen und Hindernisse für effektives Bildungscontrolling im eLearning auszutauschen.

"Bildungscontrolling scheitert oft schon im Ansatz, weil sich viele Personaler keine Gedanken über ihren Bedarf machen", stellte Volker Pohl von HQ Interactive Mediensysteme fest. Es fehle die strategische Sichtweise: "Zunächst braucht man eine Stellenbeschreibung und eine darauf abgestimmte Anforderungsanalyse, erst danach kann man Lernziele aufstellen und deren Erreichen kontrollieren." Was für herkömmliche Seminare gilt, verliere seine Bedeutung nicht, nur weil es sich um eLearning und IT-gestütztes Controlling handelt. "Softwaretools zur Lernerfolgsmessung, zur systematischen Kompetenz-Entwicklung oder ROI-Berechnung sind nur eine Hülle, die je nach Unternehmensstrategie und Trainingszielsetzung mit Leben gefüllt werden muss." Dass dieser Anpassungsprozess nötig ist und viel Beratung erfordert, sei vielen Unternehmen und Personalern nicht klar.

Von Missverständnissen berichtete auch Maria Uhde von der Jupita Wissenstransfer adil+uhde GmbH. "Geht es um eLearning, ist sofort von Tracking die Rede. Die Aufzeichnung von Lernverlaufsdaten findet sich meist auf der Wunschliste von Kunden. Auf Arbeitnehmerseite geistert das Gespenst vom gläsernen Mitarbeiter umher." Die eine Seite überschätze die Möglichkeiten, die andere die Gefahren. Uhde: "Tracking gehört ins Qualitätsmanagement eines Bildungsanbieters und nicht ins Unternehmen. Mit den Logfiles, wer sich wie lange durch einen Kurs geklickt hat, können Personaler rein gar nichts anfangen."
Auch in Sachen Lernerfolgskontrolle konnte die Bildungsexpertin Entwarnung geben. "Natürlich erlaubt das Betriebsverfassungsgesetz keine individuellen Verhaltens- und Leistungskontrollen. Für Controllingzwecke sind anonymisierte Daten aber völlig ausreichend." Dass Controlling-Tools in Einklang mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen stehen können, beweist PEp. Das Softwaresystem zur profilorientierten Entwicklungsplanung, das Uhde mit dem Presto Verlag entwickelt hat, ist von ver.di zertifiziert und muss nicht vom Betriebsrat bewilligt werden. Dennoch rät Uhde zu vertrauensbildenden Massnahmen: "Offenheit und Transparenz sind unverzichtbar. Nur so lässt sich Misstrauen abbauen, nur so können Mitarbeiter davon überzeugt werden, dass systematisches Kompetenz-Management Vorteile für sie hat. Sie erhalten passgenauere Kurse, gerechtere Aufstiegsmöglichkeiten und sind besser für künftige Herausforderungen gewappnet."

Bei SAP ist diese Sichtweise allen Beteiligten längst in Fleisch und Blut übergegangen. In der SAP University steht eine sogenannte "ExpertFinder Skills und Knowledge Database" zur Verfügung, in der Qualifikations- und Rollenprofile aller Mitarbeiter abgelegt sind. Je nach Rolle erhalten die Mitarbeiter Weiterbildungsvorschläge die sie im Intranet selbst auswählen können. Schwierigkeiten mit diesem Selfservice oder gar Vorbehalte gegenüber der Datenspeicherung gibt es bei SAP nicht. Ganz im Gegenteil. Garrit Skrock: "Unsere Mitarbeiter würden sich vehement gegen die Abschaltung des Systems verwehren, weil es klare Vorteile für sie hat. "Ihr schneidet uns von der Wissensbasis ab", wäre ihre empörte Reaktion." Dass das Skill-Management bei SAP so reibungslos funktioniert, liegt nicht in erster Linie an der Tatsache, dass es im Konzern keinen Betriebsrat gibt. Vielmehr herrscht beim Thema Bildungscontrolling eine äusserst nüchterne, prozessorientierte Atmosphäre. "Werden Massnahmen aufgesetzt, die einen konkreten Prozess unterstützten, ergibt sich die Relation zwischen Investition und Bildungsnutzen von selbst, dann ist Controlling überflüssig. Wer Controlling braucht, weiss nicht, was er will", so Skrock. Je besser die Bedürfnisse im Vorfeld definiert und Lernen in der Unternehmenskultur verankert sei, desto weniger Kontrolle sei nötig. Der Erfolg gibt SAP recht. 2002 hat der Konzern 20% seiner Weiterbildungsmassnahmen für seine 29.000 Mitarbeiter über eLearning abgewickelt. Mit einer Zeitersparnis von 25% bis 30% und gesparten Kosten von 30%.