Mobil Learning

Einsatzszenarien und Kardinalfehler

Ilmenau, Juli 2005 - Welchen bildungsbezogenen Mehrwert haben portabel vernetzte Lernmedien? "Das hängt davon ab, welche Mobilmedien eingesetzt werden und wie sie in ein Lehr-Lern-Szenario integriert werden", sagt Prof. Dr. Nicola Döring vom Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der TU Ilmenau, Fachgebiet Medienkonzeption und Medienpsychologie.

Wird mobil anders gelernt? Verändern sich Lernwege?

Döring: In den letzten Jahren wurden in Deutschland und international eine Reihe von Pilotprojekten zum M-Learning durchgeführt. In Schulen, Universitäten und Unternehmen. Die pädagogisch-didaktischen Konzepte sind dabei sehr vielfältig und die Ergebnisse insgesamt ermutigend.

Ein Aspekt des M-Learning besteht darin, die Lernenden mit leistungsfähigen persönlichen Lern- und Arbeitswerkzeugen auszustatten und ihnen somit zu ermöglichen, Computerkompetenz zu erwerben und professionellere Ergebnisse zu erstellen. Dies betrifft vor allem die Schule.

Ein anderer Aspekt ist die flexible Integration mobiler Endgeräte in den Präsenzunterricht, so dass hier Gruppenarbeit oder auch die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden intensiviert werden kann, sei es an Schulen, Hochschulen oder in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung.

Ein weiterer Vorteil ist der direkte Zugriff auf Informationsressourcen während der Arbeit unterwegs oder beim Kunden: Spontan auftretende Fragen können über den Zugriff auf das mobile Internet und/oder auf unternehmenseigene Datenbanken und Informationsdienste geklärt werden, so dass Arbeitnehmer beim "Learning on the Job" auch unterwegs Unterstützung finden.

Mobile Endgeräte können dank ihrer Allgegenwart in Nischenzeiten, etwa beim Warten auf Bahn oder Flugzeug, spontan für Information und Lernen genutzt werden. Denkbar sind z.B. Lernspiele auf dem PDA oder Handy.

Schließlich bieten mobile Endgeräte auch die Möglichkeit, ortsbasierte Lernanwendungen zu nutzen: Wissensfragen zu konkreten Orten können immer dann auf das mobile Endgeräte gespielt werden, wenn die Person sich gerade an dem betreffenden Ort aufhält.

Wo sehen Sie geeignete Einsatzmöglichkeiten? Gibt es Best-Practices und Erfahrungswerte?

Döring: Positive Ergebnisse wurden mit Notebook-Klassen in Schulen erzielt. Das Notebook dient dabei als persönliches, multifunktionales Arbeitswerkzeug und wird didaktisch vor allem für Gruppenarbeit eingesetzt: Im Vordergrund stehen nicht Lernprogramme, sondern professionelle Werkzeuge für Online-Recherchen, statistische Auswertungen, Text- und Präsentationserstellung.

Die Schüler können somit gemeinsam Arbeitsergebnisse auf inhaltlich und formal hohem Niveau erarbeiten. Insbesondere für Schülerinnen erwiesen sich schulische Notebook-Projekte als sehr erfolgreich, weil Mädchen zu Hause viel seltener als Jungen über einen eigenen Computer verfügen.

Ein anderes erfolgreiches Szenario ist der Notebook-Einsatz in großen universitären Vorlesungen. Das didaktische Konzept besteht hier darin, den Frontalunterricht durch interaktive Elemente anzureichern: Die Lehrkraft kann z.B. Wissensfragen an die Wand projizieren und alle anwesenden Studierenden können per vernetztem Notebook live ihre Antworten einspielen.

Für alle Beteiligten ist auf diese Weise in einer anonymen Massenveranstaltung der kollektive Wissensstand jederzeit feststellbar, so dass sich die Lehrkraft darauf einstellen kann. Auch können Vorlesungen dadurch aufgelockert werden, dass zwischendurch per Notebook kleine Aufgaben zu lösen und wiederum die Ergebnisse live mitzuteilen sind.

Was ist der größte Irrglaube in puncto M-Learning?

Döring: Wenig sinnvoll ist, Lehrmaterialien in großem Umfang, z.B. Skripte, Videoaufzeichnungen von Vorlesungen, zum Download für Handy oder PDA anzubieten. Denn eine solche Nutzung ist kostspielig, mühsam und zu zeitaufwändig für unterwegs.

Problematisch ist es ebenfalls, Lernende in Bildungseinrichtungen routinemäßig in allen Lehrveranstaltungen am vernetzten Notebook sitzen zu lassen: Wenn die Notebook-Nutzung nicht ausdrücklich in das Konzept des Unterrichts einbezogen wird, dann nutzt ein Großteil der Anwesenden die Technik für private Zwecke - vom Chat bis zur Online-Auktion - und ist somit abgelenkt oder stört sogar die anderen.

Nur eine Mode-Erscheinung oder künftige Standard-Lernform? Welchen Stellenwert wird M-Learning aus Ihrer Sicht langfristig haben?

Döring: Leistungsfähige und vernetzte Endgeräte werden in Zukunft von der Mehrzahl der Menschen genutzt werden - in der Freizeit, bei der Arbeit und folgerichtig auch beim Lernen. In vielen Bildungseinrichtungen ist Lehren und Lernen ganz ohne Computer und Internet und die dadurch möglichen Recherchen, Berechnungen, Darstellungen etc. kaum noch denkbar. Dass uns diese Ressourcen in Zukunft durch portable Endgeräte noch flexibler zur Verfügung stehen, wird das Lernen nicht revolutionieren, aber evolutionär verändern.



Auf dem 2. Fernausbildungskongress der Bundeswehr:

Keynote Prof. Döring "Mobile Learning - Theorie und Praxis", Donnerstag 22. September, 17.30 - 18.00 Uhr