Weiterbildung und Emotion

ELearning: Chancen und Grenzen im virtuellen Raum

Düsseldorf/München, Oktober 2007 - Der Erfordernis, lebenslang ein lernender Mensch zu bleiben, entspricht virtuelle Weiterbildung in idealer Weise. Welten wie Second Life verdeutlichen dies anschaulich. Wo eLearning Chancen, aber auch Grenzen zeigt, reflektiert die Münchner SkillSoft-Psychologin Felicitas Schwarz im Gespräch mit Leonhard Fromm.




Frau Schwarz, perfektioniert die virtuelle Welt des Second Life das eLearning?


Felicitas Schwarz:
Theoretisch ja, weil dort viele Grenzen aufgehoben sind, die den freien Zugang zu Wissen und Kompetenzerwerb behindern. Faktisch muss man aber sehen, dass in dieser virtuellen Welt viele Besucher lieber in Spielhallen gehen und ein fiktives Vermögen verzocken als in Akademien, wo sie sich weiterbilden könnten. Ohne Druck, wie ihn die Arbeitswelt ausübt, neigt der Mensch nicht zur Anstrengung. Und Weiterbildung ist bei aller Animation mit Aufwand verbunden.

Was kann diese animierte Welt im besten Fall leisten?


Felicitas Schwarz:
Im besten Fall kann sie die Übungssituation so gut simulieren, dass sich die Fähigkeit eins zu eins in die reale Welt übertragen lässt. Das fängt bei der gedruckten Gebrauchsanweisung für eine Maschine an, die ein hohes Abstraktionsniveau erfordert, das Gelesene auch zu verstehen und das Verstandene tun zu können. All diese Schnittstellen wurden und werden nach und nach mit Videos, Animationen und Simulationen geschlossen, so dass der Übergang in die reale Welt fließend ist. Genau daran arbeiten ja unsere technischen Kollegen täglich.

Wo aber sind Grenzen?


Felicitas Schwarz: Ich würde sagen, im emotionalen Bereich. Sie können viel über Trauer wissen, aber erfassen kann man sie nur, wenn man sie erlebt hat. Oder: Sie können viel über die biochemischen Zusammenhänge im Körper eines Marathonläufers wissen, aber wie er schwitzen und leiden muss, kann nur erfassen, wer den Bürostuhl verlässt und in der Realität auf die Strecke geht. Dasselbe gilt für Softskills oder Sprachen. Die leben von realer Begegnung, Blickkontakt, Erleben und Erfahrung.

Welche Bedeutung hat Emotion für das Lernen?


Felicitas Schwarz: Sie ist der zentrale Antrieb. Nur wenn ich etwas will, mich etwas berührt, ich die Zusammenhänge sehe, habe ich die Motivation, mich oder etwas zu verändern. Das kann die Angst um den Arbeitsplatz sein, oder besser die Vorfreude auf mehr Souveränität in meinem Handeln und Gestalten. Deshalb müssen wir beim eLearning noch viel mehr Wert auf psychologische Momente legen. Die technischen sind weitgehend ausgereizt.

Ist dann aber nicht das Präsenztraining der bessere soziale Lernort?


Felicitas Schwarz: Ich würde beide nicht gegeneinander ausspielen. Sie gehören zusammen. Virtuelle Weiterbildung bewerten wir aus unserer konservativen Grundhalterung heraus immer super kritisch. An die Sitzenbleiber in der Schule, die Durchfaller an der Uni oder die realitätsfernen Absolventen klassischer Bildungswege haben wir uns aber längst gewöhnt. Wer hinterfragt hier die pädagogische Kompetenz der Dozenten oder die Aktualität ihrer Unterrichtsmaterialen und Lehrmethoden?

Was spricht für virtuelle Weiterbildung?


Felicitas Schwarz: Die Grenzen zwischen berufsbedingter Weiterbildung auf formaler Ebene und charakterlicher Weiterbildung auf persönlicher Ebene sind in der modernen Arbeitswelt ebenso fließend, wie zwischen Arbeits- und Freizeit. Die Zahl der Lernorte steigt ständig und letztlich sind wir immer im Stand-by-Betrieb. Virtuelle Weiterbildung macht uns unabhängig von Ort und Zeit und navigiert uns in einer täglich komplexer werdenden Welt zielsicher genau an den Punkt, wo eine aktuelle Wissens- oder Könnenslücke real vorhanden ist.