Das andere eLearning

HQ: Wissen managen im Zeichen von Web 2.0

Wiesbaden, September 2007 - Das Internet ist heute nicht mehr nur eine Plattform, um Web-based Trainings anzubieten. Neue Nutzungsformen haben sich in vielen Bereichen etabliert. Mit Blick auf das Internet bieten sich eine Reihe von Möglichkeiten für Firmen, die Mitarbeiter aktiv in Wissensprozessen zu unterstützen. Über das "Intranet 2.0" sprach Marcus Weniger, Geschäftsführer der HQ Interaktive Mediensysteme GmbH, mit CHECK.point eLearning.




Herr Weniger, welchen Stellenwert hat heute noch das klassische eLearning?

Marcus Weniger: Gleich eine herausfordernde Frage, danke! Also, ich verstehe unter "klassischem" eLearning ein Web-based Training, das modular, interaktiv und multimedial ist. In den Ausprägungen, die die jeweiligen Rahmenbedingungen und Anforderungen an ein Thema erlauben. Ein wesentliches Kennzeichen des "klassischen" eLearning ist zudem, dass Lernziele und Lernwege vorgegeben sind. Diese Art des eLearnings ist in Unternehmen heute weitestgehend etabliert.

Unsere Erfahrungen zeigen, dass eLearning vor allem dort eingesetzt wird, wo Mitarbeiter schnell mit einem neuen System oder einem neuen Produkt des Unternehmens vertraut gemacht werden müssen. Oder, wo bestimmte Gesetzesvorgaben erfüllt werden müssen. Denken Sie zum Beispiel an das Allgemeine Gleichstellungsgesetz. Oder als jüngstes Beispiel an die Schulungen zu MiFID, einer neuen EU-Richtlinie für den Finanzdienstleistungsmarkt. Hier ist eLearning heute ein bewährtes und effizientes Instrument der Mitarbeiterqualifizierung.

Welche Rolle spielt Web 2.0 in diesem Bild? Hat es unsere Vorstellungen von eLearning bereits verändert?

Marcus Weniger: Web 2.0 erreicht langsam, aber sicher das Intranet in Unternehmen und Organisationen und ihre Weiterbildung. Es bringt vor allem Bewegung in unsere Vorstellung von Lernen, vom Umgang mit der Ressource Wissen - und das ist vielleicht schon das Wichtigste!

Lassen Sie mich zwei konkrete Punkte ansprechen: Zum einen wird jetzt verstärkt darüber nachgedacht, wie die Mitarbeiter selbst in die Entwicklung von Lerninhalten einbezogen werden können. Auch wenn das Schlagwort "user-generated content" in diesem Zusammenhang noch sehr abstrakt ist.

Aber es ja durchaus sinnvoll, dass Mitarbeiter die Erfahrungen, die sie zum Beispiel mit einem neu eingeführten CRM-System machen, in einem Wiki festhalten. Und das Fachexperten und Entwickler diese Erfahrungen nutzen, um das System stetig zu verbessern. Im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses sozusagen. Wenn Web 2.0 dazu beiträgt, solche Gedanken wieder auf die Tagesordnung zu bringen, ist das ja nur zu begrüßen.

Ein zweiter Punkt ist, dass wir uns mit Web 2.0 und solchen Umsetzungen auch wieder stärker dem Wissensmanagement öffnen. Denn bei vielen Fragen und Prozessen geht es ja weniger um formale Lernangebote als darum, im Arbeitsprozess selbst Hilfen zu geben und Möglichkeiten, schnell auf Informationen, Fachexperten oder Kollegen zurückzugreifen. Wobei hier sicher an vielen Stellen gleichzeitig angepackt werden muss. Denn der erste Schritt wäre es ja, überhaupt zu wollen, dass Experten mit ihrem KnowHow sichtbar sind und dass sie aktiv in solche Prozesse des Wissensaustauschs eingebunden werden.

Was erwarten denn aus Ihrer Sicht die Mitarbeiter heute von zeitgemäßen Lernangeboten?

Marcus Weniger: Ein wichtiger Punkt, der uns sehr am Herzen liegt! Vielen der Kunden, mit denen wir zusammenarbeiten, fehlten in der Vergangenheit die Zeit und die Ressourcen, um sich genauer anzuschauen, wie ihre Mitarbeiter eigentlich lernen bzw. lernen wollen. Dabei können wir im eigenen Unternehmen schon recht genau beobachten, dass junge Mitarbeiter, also die gefürchteten "digital natives", mit ganz anderen Erfahrungen zu uns kommen. Sie sind mit SMS und Instant Messaging aufgewachsen, die spielen "World of Warcraft" oder haben ihre Avatare in den Second Lifes dieser Welt.

Aber die wenigsten Unternehmen versuchen heute bereits, sich hier ein klareres Bild zu schaffen, indem sie zum Beispiel ihre Mitarbeiter systematisch fragen, welche Techniken und Tools sie nutzen, wer zum Beispiel Weblogs liest oder schreibt oder Newsreader nutzt. Einigen kommt bereits eine Ahnung, dass sich ihre Mitarbeiter mehr in Web-Communities und Social Networking-Seiten austauschen als auf unternehmensinternen Seiten. Spätestens, wenn sie ihren Firmennamen einmal in Xing eingegeben haben, fangen sie an nachzudenken!

Ich bin jedenfalls überzeugt davon, dass solche Informationen Möglichkeiten eröffnen, auch das eLearning in diese Richtung fortzuentwickeln. Und hier wollen wir auch als HQ mit unserer Expertise die Kunden unterstützen, zum Beispiel, wenn Unternehmen wissen wollen, wie "Intranet 2.0 ready" sie eigentlich sind.


Wo liegen die größten Herausforderungen für Unternehmen, die neue Lernangebote auf der Grundlage von Web 2.0 einsetzen wollen?

Marcus Weniger: Die Erfahrungen mit Web 2.0 lassen sich in der Regel nicht eins-zu-eins auf Unternehmen kopieren, ich denke, das ist die wichtigste Botschaft. Unternehmen agieren immer in einem Kontext, in dem bestimmte Regeln gelten. Eine Frage ist zum Beispiel, wie informell oder formell der jeweilige Kontext ist. In einem Wiki auf Projektebene können sich Mitarbeiter möglicherweise frei austauschen.


In einem Wiki, auf das alle Mitarbeiter eines Unternehmens zugreifen, müssen wahrscheinlich klare Spielregeln gelten. Das kann Fragen der Governance betreffen, also wer welche Rechte im Wiki besitzt. Das kann Fragen der Qualitätssicherung betreffen, wenn ich sicherstellen will, dass Mitarbeiter erkennen, was als "gesichertes Wissen" angewendet werden soll. Das kann Fragen der Struktur betreffen, dass man also einen Rahmen und eine Nomenklatur für Beiträge absteckt, um sicherzustellen, dass der Wikicontent auch anderen Unternehmensprozessen schnell zugeordnet werden kann.

Was können denn hier aus Ihrer Sicht Unternehmen falsch machen?

Marcus Weniger: Ich denke, der wichtigste Punkt ist, dass man nicht den Erfolg von Wikipedia auf das Wiki-Tool oder den Erfolg von Xing auf die Community-Plattform reduziert. Wenn man sich allein von der Technik leiten lässt und diese Tools im Unternehmen einsetzt, ist die Enttäuschung vorprogrammiert. Das heißt, es ist in jedem Fall sinnvoll, sich auch mit den sozialen Faktoren zu beschäftigen, die das Intranet 2.0 vorantreiben. Und dann zu schauen, wie die eigene Unternehmenskultur aussieht und wie man sie weiterentwickeln kann.

Ist informelles Lernen der Schlüssel zum Erfolg?

Marcus Weniger: Ob Schlüssel zum Erfolg weiß ich nicht, aber hier steckt sicher das größte Potenzial. Mit der Entwicklung von formalen Lernangeboten, und dazu zähle ich heute auch das klassische eLearning, sind die meisten Unternehmen vertraut. Das informelle Lernen ist dagegen Neuland. Was wissen wir eigentlich darüber? Dass sich 80 Prozent aller Lernaktivitäten hier abspielen. Okay! Aber wie kann man es fördern und unterstützen, ohne dass man aus informellen Prozessen gleich formelle macht - und wieder am Anfang steht?

Zwei Ansatzpunkte, die wir gerne empfehlen: Erstens sich ein kompletteres Bild von der bestehenden Wissensinfrastruktur des eigenen Unternehmens zu machen. Dazu kann gehören, die Mitarbeiter zu befragen, wie sie ihre täglichen Informationsprobleme lösen, wen sie um Rat und Informationen fragen usw. Hier bieten wir z.B. an, auf der Grundlage gezielter Interviews ein systematisches Bild über das Lern- und Informationsverhalten einer bestimmten Zielgruppe zu gewinnen.

Ein zweiter Punkt ist zu schauen, wo ich formelle Lernangebote um Möglichkeiten des Selbstlernens ergänzen kann. Wo können z.B. Kurse um regelmäßige Podcasts ergänzt werden? Wo kann man Lernangebote mit anderen Unternehmensprozessen verknüpfen, die zum gleichen Thema bereits existieren? Eine Antwort auf diese Fragen kann z.B. eine Wissenslandkarte sein, die einen Überblick über die wichtigsten Wissensprozesse in einem Unternehmensbereich wie z.B. dem Vertrieb bietet.

Mit welchen neuen Fragen treten Kunden heute ganz konkret an Sie heran?

Marcus Weniger: Ganz konkrete Themen sind zum Beispiel die Entwicklung von Podcasts. So haben wir zusammen mit der Credit Suisse monatliche Episoden zu verschiedenen Managementthemen entwickelt. Das sind in der Regel zehn bis 15 minütige Interviews mit internen oder externen Experten, die sich Mitarbeiter begleitend zu Kursen, aber auch unabhängig davon als mp3 downloaden und anhören können.

Bei einem anderen Unternehmen ging um die Entwicklung einer Best Practice-Plattform und die Frage, wie man die Erfahrungen mit Web 2.0 bei der Entwicklung dieses Intranet-Projekts nutzen kann. Dabei haben wir dann gemeinsam festgehalten, wo sich Möglichkeiten anbieten, "user-generated-content" aktiv und schnell in diesem Prozess zu nutzen.

Viele Kunden wollen sich aber auch erst einmal darüber informieren, was Web 2.0 genau ist, welche Tools und Dienste sich dahinter verbergen. Sie wollen wissen, was andere Unternehmen hier bereits unternehmen, wo es also bereits Best Practices und Erfahrungen gibt. Da geht es auch darum, die eigenen Kompetenzen als Trainingsexperten weiter zu entwickeln. Gerade für diese Zielgruppe bieten wir Workshops und Seminare an.

Wie begleitet HQ Kunden bei diesen Themen?

Marcus Weniger: Am Anfang steht wie immer die individuelle Beratung mit einer fundierten Analyse. Dabei geht es in der Regel um die Problemstellung des Kunden und darum, ein gemeinsames Verständnis einer Sache zu entwickeln. Verstehen wir zum Beispiel alle dasselbe, wenn wir von Web 2.0 sprechen? Steht ein konkretes Problem im Vordergrund, oder geht es eher darum, Anwendungsfelder für eine neue Technologie zu finden?


Aber auch die Frage, wie sich das Web 2.0-Projekt in die Unternehmens- und Wissensstrategie des Kunden integriert, spielt hier eine Rolle. Interessant ist, dass diese Frage heute Marketing, Vertrieb und Kommunikation eines Unternehmens genauso interessiert wie die Bildungsabteilungen. Unsere Ansprechpartner kommen deshalb auch aus fast allen Unternehmensbereichen.

Im nächsten Schritt folgt häufig eine Standortbestimmung. Welche Prozesse oder Technologien werden heute bereits im Unternehmen genutzt, um bestimmte Fragen zu beantworten? Welche Erfahrungen wurden damit gemacht? Welche Rahmenbedingungen existieren im Unternehmen, wenn es darum geht, neue Dienste und Angebote zu entwickeln?

Um hier ein Bild zu bekommen, nutzen wir entweder vorbereitete Instrumente wie Fragebögen oder Checklisten, oder wir stellen im Gespräch mit dem Kunden alle wichtigen Informationen zusammen.

Darauf aufbauend wird ein Konzept entwickelt, das die Lösung mit ihren wichtigsten Merkmalen, den Kernprozessen, der Technologie sowie den Erfolgsfaktoren beschreibt. An dieser Stelle konkretisieren sich meist auch wichtige Eckdaten des Projekts wie Budget, Ressourcen und Zeitplanung. Hier empfiehlt sich HQ als spezialisierter Anbieter für das innovative Management des Faktors Wissen.