Interaktiv?

Wachstumsmarkt mit kleinen Schönheitsfehlern

Wöllstadt, November 2010 - (von Prem Lata Gupta) Es ist viel passiert in den vergangenen zwei Jahren. Der Markt für Virtuelle Klassenzimmer und Webconferencing ist stark gewachsen. Mehr Anbieter, mehr Anwender - also alles prima? "Nein", widerspricht Lore Reß, Geschäftsführerin der Daten + Dokumentation GmbH. Und erklärt, warum Minimal-Lösungen die positiven Aspekte dieses Trends beeinflussen. Positive Aspekte gibt es offensichtlich eine ganze Reihe: in punkto Vielfalt, Nutzerfreundlichkeit und auch in Bezug auf die Kosten.




Warum sehen Sie die Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge?

Lore Reß: Auf der einen Seite existiert inzwischen eine auffällig gestiegene Bereitschaft mit Online-Tools zu arbeiten. Andererseits sind immer noch viele Referenten schlecht geschult. Ausgereifte Systeme werden mit ihren vorhandenen Möglichkeiten nur unzureichend genutzt. Wirklich grenzwertig finde ich die Masse von so genannten Webinaren: Dabei handelt es sich meist schlicht um Vorträge, die webbasiert abgehalten werden.

Wie hat man sich das vorzustellen? Und wie reagieren die Nutzer darauf?

Lore Reß: In 80 Prozent der Fälle ist die Teilnehmerliste ausgeblendet, man kann schriftlich Fragen stellen - aber das hat mit Lernen nicht unbedingt etwas zu tun. Interaktion und Kommunikation kommen definitiv zu kurz. Das ist nicht nur schade, weil Webinare wesentlich mehr leisten können. Noch gravierender ist aus meiner Sicht, dass die Nutzer enttäuscht sind, weil ihre Erwartungen mit dem, was ihnen geboten wird, nicht zusammenpassen.

Die Nutzer wollen sich nicht nur berieseln lassen?

Lore Reß: Es kommt auf die Gruppe an: Nicht so aktive Internetnutzer lassen das vielleicht eher über sich ergehen als so genannte Digital Residents. Wer stark kommunikativ arbeitet, ist mit solch einer Art von Webinar bestimmt nicht zufrieden.

Was sehen Sie als positives Phänomen der Neuzeit?

Lore Reß: Die Technik ist sehr viel weiter als noch vor fünf Jahren. In vielen großen Unternehmen gehören Virtuelle Klassenzimmer und webbasierte Meetings längst zum Alltag. Auch Mittelständler und kleinere Institute nutzen inzwischen kollaborative Systeme, die in Echtzeit funktionieren. Das hat unter anderem mit den Preisen zu tun.

Die sind gesunken, oder?

Lore Reß: In der Tat. Früher konnten sich das nur Konzerne wie Lufthansa oder Daimler leisten. Aber selbst etablierte Anbieter haben inzwischen die Preise angepasst, einfach um sich zusätzliche Zielgruppen zu erschließen. Ich kenne Lösungen, die kosten nur 30 bis 50 Euro im Monat. Da gibt es zum Beispiel einen kostengünstigen Anbieter, der kooperiert außerdem mit Xing: Dadurch hat er die perfekte Plattform, um sein Produkt zu promoten.

Wie sieht die Landschaft denn inzwischen aus?

Lore Reß: Zunächst haben sich die Vielfalt der Anbieter und die Nutzerfreundlichkeit der Lösungen erhöht. Es gehört zum guten Standard, sich per Telefon oder Voice over IP einwählen zu können. Trainer profitieren - für die Lernenden nicht sichtbar - von kleinen, hilfreichen Features wie einer Folienvorschau oder einem Extra-Fenster für Ihre Notizen.


Was den Markt angeht: Da gibt es erfahrene Teilnehmer, die schon lange präsent sind wie Saba oder Webex, Konkurrenz durch neue Anbieter und außerdem eine dritte Gruppe: Die war früher auf Telefon-Konferenzen spezialisiert und hat das jetzt ein wenig aufgemöbelt, indem parallel auch Power-Point-Präsentaionen vorgeführt werden können. Aber auch dafür finden sich Kunden.

Was ist eigentlich Voraussetzung, damit diese Form der synchronen Begegnung oder des Lernens in der Gruppe in Echtzeit in einem Unternehmen angenommen wird?

Lore Reß: Ganz wichtig sind Key User, die das selber wollen, selber nutzen, selber vorantreiben. Diese Nutzer machen durch ihr eigenes Verhalten auch Werbung für solche Tools. Und das zieht die anderen dann mit.