"KI ist wie ein gutes Buch!"
Karlsruhe/Nürnberg, Oktober 2022 - Praxisblick: Wie gelingen anspruchsvolle KI-Projekte, wenn F/E-Abteilungen aus IT und produzierender Wirtschaft und Hochschulen zusammen agieren? Am Beispiel des Chatbots Maxi lässt sich dies anschaulich erläutern. Der Chatbot wurde im Jahr 2021 mit Unterstützung der Karlsruher time4you GmbH im Rahmen eines Forschungsprojekts unter Leitung von Prof. Dr. Christian Langenbach an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm für die Franken maxit Mauermörtel GmbH entwickelt.
Nachgefragt bei Dr. Cäcilie Kowald, FB Learning Design bei der time4you GmbH und Prof. Dr. Christian Langenbach, Professor für Allgemeine BWL und Wirtschaftsinformatik, Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm:
Was war bei MAXI die größte Herausforderung?
Dr. Cäcilie Kowald: Wir stellen in unserer Beratung durch das Expertenteam bei time4you immer wieder fest, dass das Conversation Design, also die Dialogentwicklung für einen Chatbot, gerne unterschätzt wird - sowohl seine Wichtigkeit als auch der Aufwand, der nötig ist. Deshalb ergab sich schon ganz zu Beginn des Projekts die Frage, wie sich die ursprüngliche Idee so weit komprimieren ließe, um einen aussagekräftigen Prototypen in der gegebenen Zeit entwickeln zu können.
Die Gesprächsthemen, die Maxi beherrschen sollte, wurden dafür unterschiedlich priorisiert. Am Ende hat - nicht zuletzt, weil sich die Masterandin sehr schnell und sehr gut in das Produktionstool eingearbeitet hat - die Zeit für mehr gereicht, als wir vermuteten.
Prof. Dr. Christian Langenbach: Eine der wesentlichen Herausforderungen bei der Entwicklung eines Chatbots im Kontext digitales Lernen ist – wie bei jedem guten IT-Projekt – in der Umsetzung einer sauberen Bestandsaufnahme und Anforderungsanalyse zu suchen. Wenn man es da zu eilig hat, stimmt oft schon die anfängliche Ausrichtung nicht und das Ganze gerät schnell auf eine schiefe Bahn.
Im Ergebnis wichtig sind in der Folge ein sauberes Konzept samt Drehbuch und ausgearbeiteter Dialogstruktur, aufbauend auf einer eingehenden Zielgruppenanalyse und der Definition von Lernzielen. Und ganz essentiell: man sollte dem Bot eine erkenn- und erlebbare Persönlichkeit verleihen, so dass er in seinem jeweiligen Szenario eine geeignete Rolle einnehmen und dem Lernenden ein angenehmer und bzgl. des Dialogs menschlich anmutender Partner sein kann. Neben der Visualisierung mittels eines Avatars kann hier insbesondere der Entwurf einer Persona hilfreich sein, die z. B. Namen, Geschlecht, Alter, Bildung, Charakter, Interessen und Tonalität des Bots definiert.
All das haben wir bei Maxi umgesetzt, so dass die prototypische Umsetzung auf einem soliden Fundament gründen konnte. Eine der besonderen Herausforderungen war in diesem Zusammenhang eine stimmige Zielgruppenadaption, da der anvisierte spätere Nutzerkreis eher heterogen und mit z. B. Verputzern und Stuckateuren aus verarbeitenden Betrieben sowie Planern und Architekten auch sehr praxisnah geprägt ist. Zudem macht natürlich der Einsatz eines Chatbots im Kontext einer Zertifizierungsschulung für einen innovativen Dämmstoff wie ecosphere die Nutzung sehr spezifischer Inhalte erforderlich, die sinnvoll in geeignete Dialogmuster und -strukturen überführt werden müssen.
Wie gelingt die Akzeptanz im Unternehmen?
Dr. Cäcilie Kowald: Oberstes Kriterium für die Akzeptanz eines Chatbots bei der Nutzung ist immer, dass er nützlich ist. Die Weichen dafür werden schon ganz früh im Chatbot-Projekt gestellt - wenn nicht schon in der Bedarfsanalyse und Zieldefinition die Wünsche und Anforderungen der Nutzer nicht genügend berücksichtigt werden, hat es der Chatbot später schwer. Bei der Konzeption von Maxi hingegen wurde hierauf besonderes Augenmerk gelegt und sogar der Use Case noch einmal angepasst, um einen höheren Nutzen für die Anwender zu erzielen.
Prof. Dr. Christian Langenbach: Bei Neuerungen hat die Verhaltensakzeptanz – also ob und wie eine Innovation genutzt wird – immer zentral mit der Einstellungsakzeptanz – inwieweit die Zielgruppe Neuerungen grundsätzlich offen und positiv gegenübersteht – zu tun; und letztere kann und sollte man stärken – mit begleitender und unterstützender Kommunikation, dem zielgruppengerechten Erklären der Nutzung, dem Aufzeigen von Vorteilen und Mehrwerten für die Anwender usw. Also grob mit Maßnahmen, die man heute dem Change-Management zurechnet.
Im Falle von Maxi lässt sich in diesem Sinne z. B. aufzeigen, wie ein solcher Chatbot für Lehr-/Lernzwecke auf die weiteren Digitalisierungsbemühungen des Unternehmens einzahlt, in welcher Weise sich das bisherige Zertifizierungsformat mithilfe von Maxi flexibilisieren lässt und welche Vorteile das für die Nutzer bringt – z. B. weniger Präsenz- und mithin weniger Arbeitsausfallzeit, zeit- und ortsflexible Nutzung der Inhalte auf unterschiedlichen Endgeräten oder auch die Möglichkeit zur jederzeitigen bedarfsorientierten Wiederholung bzw. Auffrischung von bereits Gelerntem.
Was verbinden Sie persönlich mit KI?
Prof. Dr. Christian Langenbach: Als Wirtschaftsinformatiker schaue ich natürlich mit großem fachlichem Interesse auf die enorme Entwicklung, die die KI in den letzten Jahren genommen hat und weiter nimmt – im Bereich der Produktion, der Logistik oder auch der Dienstleistung. Wobei es meines Erachtens gut täte, den aktuellen Hype zuweilen auch mal wieder etwas herunterzukühlen – nicht überall, wo in diesen Tagen "KI" draufsteht ist auch KI drin und so manches Mal darf man hinter allzu euphorischen Projekt- oder Produktbeschreibungen eher die jeweilige Marketingabteilung als wirkliche Substanz vermuten.
Als Privatperson freue ich mich über neue Möglichkeiten, die mir zunehmend intelligentere Algorithmen bieten – sei es, dass ich meine alten analogen Fotoschätze digitalisiere und mir einschlägige Apps und Plattformen helfen die Qualität in beeindruckender Weise zu optimieren, sei es, dass mich Sprachassistenten à la Alexa, Siri oder Bixby zunehmend besser verstehen und mich individueller unterstützen können oder sei es auch, dass die Navis neuerer Generation es immer besser schaffen, nicht allen Verkehrsteilnehmern holzschnittartig die immer gleichen Ausweichrouten anzubieten sondern eine Stausituation zunehmend intelligenter auflösen bzw. im Vorfeld bereits vermeiden.
Dr. Cäcilie Kowald: KI ist wie ein gutes Buch. Fängt man erst einmal damit an, kann man nicht mehr aufhören zu lesen. Wir haben verschiedene Studien mitbegleitet und als Pionier der eLearning-Branche und Experte für IT- und Softwareentwicklung verschiedene wissenschaftliche Publikationen herausgegeben bzw. in Vorbereitung. Wer nachlesen möchte, findet einige Anregungen u.a. im Handbuch Künstliche Intelligenz oder bei den Checklisten zu den Bots.
Fazit der beiden Interviewpartner
"Maxi zeigt, dass Chatbots sehr viel mehr leisten können, als man ihnen oft zutraut. Vorausgesetzt, man kennt ihre Grenzen und geht gut mit ihnen um - wozu eine gründliche Konzeption und systematisches Conversation Design entscheidend beitragen. Ich hoffe sehr, dass Maxi Schule macht und andere Unternehmen inspiriert, sich auf Chatbots einzulassen.", so Dr. Kowald von der time4you.
"Maxi zeigt ganz undogmatisch und praxisnah, wie eLearning heute auch aussehen und welche vielfältigen Lehr-/Lernszenarien sich mit Hilfe von Chatbots in ganz unterschiedlichen Kontexten abbilden lassen. In diesem Sinne kann Conversational Learning ein zukunftskompatibles Element in der Gestaltung digitaler Lehr-/Lernformate sein, egal ob in Schule, Hochschule, Unternehmen oder auch im Kontext des lebenslangen Lernens", so Prof. Langenbach von der TH Nürnberg.