Kompetenzmanagement

In Krisenzeiten: Talente entwickeln, statt einkaufen

Saarbrücken, Juli 2009 - Die wirtschaftliche Krise und damit einhergehende Insolvenzen sorgen für viel Bewegung auf dem Arbeitsmarkt. Plötzlich sind gut ausgebildete, kompetente Arbeitskräfte verfügbar. CHECK.point eLearning wollte von Dr. Volker Zimmermann, Mitglied des Vorstands der IMC AG, wissen, ob Unternehmen in solchen Zeiten weiterhin auf langfristiges Kompetenzmanagement oder eher auf "Hire & Fire" setzen.




Was bedeutet nachhaltiges Talent- und Kompetenzmanagement?

Dr. Volker Zimmermann: Grundsätzlich muss die Personalentwicklung eng mit den Unternehmenszielen verknüpft sein. Dieses vorausgesetzt, ist es entscheidend, zu identifizieren, welche Kompetenzen man im Unternehmen kurz-, mittel- und langfristig braucht. Daran schließt sich die Analyse an, welche Kompetenzen im Unternehmen vorhanden sind, welche ausgebaut und welche Kompetenzen einem "refreshing" unterzogen werden müssen, also wieder neu aufbereitet werden müssen.

Kompetenzmanagement im engeren Sinne erstreckt sich dabei auf all diejenigen Mitarbeiter, die kurz- bis mittelfristig Kompetenzen erwerben sollen. Darunter fallen beispielsweise Kompetenzen im Vertrieb mit Blick auf neue Produkte oder Prozesse. Die Frage ist: Was braucht der Vertrieb, um Produkte erfolgreich verkaufen zu können?

Talentmanagement ist dagegen langfristig angelegt und umfasst auch die Karriereplanung, auf den Vertrieb bezogen: Welche Kompetenzen benötigen Vertriebsmitarbeiter in drei bis fünf Jahren und welche Personen ("Talente") können in diese Richtung entwickelt werden.

Die Verbindung des Talent- und Kompetenzmanagements mit den Zielen und die Definition von wichtigen Performance-Indikatoren für Unternehmen und ihre Mitarbeiter sind somit ein Bestandteil des modernen Kompetenzmanagement.

Welche Praxisbeispiele gibt es dafür bei der IMC AG?

Dr. Volker Zimmermann: Bei der IMC gibt es so genannte "Job Families" für alle Bereiche, z.B. im Vertrieb, Consulting oder in der Software-Entwicklung. Diese sind wiederum in verschiedene Qualifizierungs-Levels eingeteilt, vom Junior über den Professional und Senior bis zum Director.

Eine Qualifikation innerhalb einer Job-Family umfasst konkrete Kompetenzanforderungen, z.B. ein Consulting Director sollte sehr gute Fähigkeiten in der Mitarbeiterführung und im Projekmanagement besitzen, professionelle Methoden der Beratung kennen und entscheidungsfreudig sein.

Die IMC führt Potentialanalysen durch und entwickelt daraus Maßnahmen, wie das individuelle Potenzial des Mitarbeiters verbessert werden kann, z.B. durch Schulungen oder Coachings. Diese Maßnahmen werden auch auf dem IMC Learning Management System CLIX abgebildet. In dieser "IMC Academy" stehen für bestimmte Kompetenzen Kurse und Selbstlernmaterialien bereit. Bei IMC ist somit das Kompetenzmanagement in die Personalentwicklung integriert.

Durch die finanzielle Krise stehen dem Arbeitsmarkt zurzeit viele gut ausgebildete Mitarbeiter zur Verfügung. Wie erkenne ich die passenden Talente?

Dr. Volker Zimmermann: Unabhängig von aktuellen Krisen definieren sich Talente dadurch, dass sie eine Aufgabe beispielsweise schneller erlernen als andere, die eine Wissenslücke eher durch viel Arbeitseifer schließen. Das ist ähnlich wie beim Sport: Sportler mit Talent haben es zunächst leichter, als solche, die es durch Fleiß schaffen.

Man erkennt somit Talente daran, ob jemand sich in der Ausblidung leichter getan hat, ob eine Person für ein Thema eine natürliche Leidenschaft, oder auch das nötige Quantum Lernbereitschaft mitbringt, um sich in eine neue Aufgabe einzuarbeiten.

Bei externen Bewerbern findet man dies durch fundierte Bewerbungsgespräche, ausführliche Assessments, Potentialanalysen oder durch die Betrachtung des bisherigen Karrierewegs heraus. Das ist zunächst einmal "ganz normale" Recruitingarbeit. Darüber hinaus wird beim Talentmanagement besonderer Wert auf das "Talent-Scouting" gelegt. Auf dem internen und externen Arbeitsmarkt wird ein Bündel von Maßnahmen durchgeführt, um Talente zu entdecken.

Ähnlich wie bei Casting-Shows werden in Zusammenarbeit mit internen und externen Spezialisten die richtigen Personen gesucht. Sie werden dann an Aufgabenstellungen geprüft und immer stärker gefiltert, bis schließlich die richtigen Talente identifiziert sind. Ein solches Verfahren ist allerdings nur bei einem großen Stellenbedarf effizient oder bei der Besetzung sehr wichtigen Positionen im Management oder Expertenbereich.

Greift Talent- und Kompetenzmanagement auch noch in Krisenzeiten oder greifen Unternehmen dann eher zur Methode "Hire & Fire"?

Dr. Volker Zimmermann: Die IT-Branche ist ein sehr dynamischer Markt. In drei bis fünf Jahren können in einem Bereich komplett andere "Talente" bzw. Kompetenzen gefragt sein als heute. Daher kann es auch unabhängig von Krisenzeiten vorkommen, dass ein Mitarbeiter nach fünfjähriger Zugehörigkeit nicht mehr zum Unternehmen passt und beide Seiten besser getrennte Wege gehen. Man sieht das ja gerade bei den großen Konzernen, die mitunter ganze Bereiche komplett auflösen und neue Bereiche mit anderen Kompetenzen und Talenten aufbauen.

Unserer Erfahrung nach, ist das bessere Modell für Unternehmen und Mitarbeiter jedoch eine nachhaltige Vorgehensweise, die darauf angelegt ist, Mitarbeiter lange im Unternehmen zu halten und schrittweise aufzubauen. Deshalb sind eine leistungsorientierte Unternehmenskultur und ein ausgewogenes Kompetenzportfolio für Unternehmen besonders wichtig.

Welche Fähigkeiten werden in Wirtschaft und Gesellschaft in Zukunft erforderlich sein und wie können diese Kompetenzen gezielt aufgebaut werden?

Dr. Volker Zimmermann: In unserer Branche ist ein hohes Maß an Medienkompetenz erforderlich. Man sollte als Mitarbeiter auch die Bereitschaft und die Leidenschaft mitbringen, langfristig einen Job zu machen. Erfahrungswissen wird an Bedeutung gewinnen. Ich sehe daher keinen massiven Trend zum Job-Hopping und der freiberuflichen Projektarbeit. Kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Mitarbeitern im Rahmen von festen Arbeitsverhältnissen sehe ich als wichtigen Bestandteil unserer Kultur an.

Eine große Rolle spielen auch wieder traditionelle berufliche Werte wie Durchsetzungskraft und Einsatzbereitschaft im Job sowie überzeugt zu sein, von dem, was man tut.