Wandel und Komplexität als Motor für lebenslanges Lernen
Saarbrücken, März 2017 - Durch die Digialisierung werden klassische Arbeitsplätze umgestaltet, da Tätigkeiten obsolet werden, die bis vor Kurzem noch elementarer Bestandteil des Arbeitsalltags waren. Ebenso kommen, getrieben durch eine zunehmend individuelle Fertigung und Innovationszyklen, die so kurz sind wie noch nie, neue Aufgaben hinzu – sei es im Bereich Produktgestaltung, Qualitätsmanagement sowie in der Fertigung selbst. In solchen hochdynamischen Arbeitskontexten stehen Mitarbeiter immer wieder vor der Herausforderung, aus der Komfortzone namens "Routine" herauszutreten und sich stets neue Kompetenzen anzueignen, um bei all dem Innovationsdruck nicht ins Hintertreffen zu geraten. Christian Wachter, Vorstandssprecher der IMC AG, beschreibt, wie sich Kompetenzerwerb im Zeitalter von Industrie 4.0 verändert.
Herr Wachter, welche wesentlichen Veränderungen haben Ihrer Meinung nach in der letzten Zeit das Lernen im Industrie 4.0-Kontext besonders geprägt?
Christian Wachter: Wir beobachten, dass sich parallel zur Digitalisierung der Prozesse und Abläufe die Art und Weise verändert, wie Menschen lernen, arbeiten und leben möchten. Dies wiederrum hat maßgebliche Auswirkungen auf Lernprozesse und Kompetenzentwicklung, die wichtiger sind denn je. Immer wieder wird derzeit das VUKA-Prinzip zitiert, um moderne Arbeitskontexte ganz verschiedener Art zu beschreiben. Die Industrie ist davon in besonderer Weise betroffen.
Das VUKA-Akronym lässt sich ganz einfach entschlüsseln: Das V steht hier für "Volatilität". Gemeint ist damit die zunehmende Verkürzung von Produktionszyklen und die Unberechenbarkeit, mit der Innovationen heute die Märkte erobern und mitunter stark verändern. Die Arbeitsmärkte bilden dabei keine Ausnahme, was uns dann auch schon zum "U" der Formel führt, das für "Unsicherheit" steht. So muss sich ein Großteil der Mitarbeiter in Unternehmen heute fragen, ob sie mit ihrem heutigen Wissen morgen noch in der Lage sein werden, ihren Job gut zu machen. Hinter dem "K" verbirgt sich eine neue Form der Komplexität, der Mitarbeiter heute ausgesetzt sind, da die meisten Tätigkeiten heute vernetztes beziehungsweise problemorientiertes, oft auch eigenverantwortliches, Denken erfordern. Das "A" am Ende steht für "Allgegenwärtigkeit", was lediglich heißt, dass die zuvor beschriebenen Veränderungen nahezu jede Branche betreffen und inzwischen so gut wie überall anzutreffen sind.
Und was bedeuten diese Veränderungen konkret für den einzelnen Mitarbeiter?
Christian Wachter: Die Veränderungen für den Einzelnen sind absolut fundamental. Die Dynamik einzelner Tätigkeitsfelder im Industriekontext ist inzwischen so groß, dass ich mich als Arbeitnehmer ständig fragen muss, wo meine Wissenslücken liegen und wie ich mich in kurzer Zeit effektiv weiterbilden kann – und das aufgrund des stetigen Informationsflusses ein Leben lang. Wenn man das Ganze sorgfältig betrachtet, hat man in der digitalisierten Wirtschaft eigentlich nie "ausgelernt". Selbstverständlich spielen auch Faktoren wie Zeitmanagement eine große Rolle, denn je besser es mir gelingt, mir die notwendigen Themen direkt bei der Arbeit zu erschließen, desto besser ist das nicht nur für den Lernerfolg an sich, da ich das Gelernte sofort in der Situation anwenden kann, sondern auch für meine Work-Life-Balance. Deshalb liegt es auf der Hand, dass Lerneinheiten immer kleiner werden und sich zusehends zu Lernhäppchen entwickeln, die sich schnell verarbeiten und gleich anwenden lassen.
Außerdem ist das Industrie 4.0-Umfeld prädestiniert für ein Lernen direkt an der Produktionsstraße beziehungsweise an der Maschine, da nur so die komplexen Abläufe wirklich nachvollziehbar und greifbar werden. Auch wenn die Lernaktivitäten immer häufiger informell und direkt am Arbeitsplatz ablaufen, wollen die Mitarbeiter natürlich nachweisen können, welche neuen Kompetenzen sie erworben haben. Deshalb besteht derzeit ein verstärkter Handlungsbedarf seitens der Unternehmen, wenn es darum geht, auch kleinste Lernfortschritte, zum Beispiel in Form von Nanodegrees oder Lernabzeichen zu dokumentieren und dem Mitarbeiter die Möglichkeit zu geben, diese in seinem persönlichen Profil zu hinterlegen.
Wie kann ein Weiterbildungsanbieter wie IMC Industriemitarbeitern dabei helfen, ein Leben lang effizient zu lernen?
Christian Wachter: Durch die langjährige Erfahrung in Unternehmen verschiedenster Größe und Branchen verfügt IMC über die notwendige Kompetenz, um ganzheitliche Weiterbildungslösungen zu bieten, bei denen das didaktische Fundament sowie die zielgruppen- und situationsgerechten Lerninhalte und nicht zuletzt die passende Technologie ein harmonisches Zusammenspiel ermöglichen. Gerade im Industrie 4.0-Kontext nehmen wir die Notwendigkeit wahr, den Kompetenzerwerb mehr und mehr in die bestehenden Workflows zu integrieren, sprich ein Lernen direkt am Arbeitsplatz zu fördern.
In Abstimmung mit den jeweiligen Weiterbildungsverantwortlichen regen wir unsere Gesprächspartner kontinuierlich dazu an, Arbeitsumgebungen zu schaffen, in denen Kompetenzerwerb "On-the-Job" Realität werden kann. Darüber sprechen wir uns dafür aus, mit dem Einsatz von "Nanodegrees" die Nachvollziehbarkeit neu erworbener "Kompetenzbausteine" zu fördern und regen Schulungsmanager dazu an, wichtige Trends wie Gamification und videobasiertes Lernen stärker in ihre Strategie einzubeziehen. Damit nehmen wir nicht zuletzt eine Beraterrolle ein, bei der die Gestaltung der richtigen Lernumgebung im Fokus steht. Eine der großen Herausforderungen für uns als "Berater" ist es derzeit, bei den Unternehmen ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass ihre Mitarbeiter Freiräume zum selbstgesteuerten Lernen benötigen und auch erkennen müssen, dass diese Freiräume da sind.
Welche Rolle spielt die Forschungsabteilung der IMC, wenn es darum geht, künftige Weiterbildungsbedarfe zu erkennen und passende Lösungen zu entwickeln?
Christian Wachter: Eine ganz wesentliche! Wir als Anbieter ganzheitlicher Weiterbildungslösungen sehen es als unsere Aufgabe, zu evaluieren, welche Unterstützung die Mitarbeiter wann und wie benötigen. In diesem Zusammenhang fragen wir uns unter anderem, welche Kompetenzen dem Mitarbeiter im Idealfall direkt an der Maschine bereitgestellt werden sollten und wie diese Informationen aufbereitet und präsentiert und auf welchen Endgeräten (Tablet, ausgelagerter Screen an der Maschine, Datenbrille etc.) sie präsentiert werden müssen, damit sie auf Anhieb gut verstanden werden.
So lässt sich zum Beispiel das sichere Auswechseln eines Werkstücks an der Maschine vorab per 3-D Videosimulation über eine Datenbrille oder einen außen an der Maschine angebrachten Touchscreen anzeigen, ehe der Mitarbeiter selbst den entsprechenden Handgriff vornimmt. Was hier am besten funktioniert, lässt sich messen und anschließend evaluieren. An dieser Stelle greifen Didaktik und Technologie ineinander und genau das ist es, was uns an unserer täglichen Arbeit so begeistert.
Dieses Jahr ist IMC zum ersten Mal auf der Hannover Messe mit dabei. Möchten Sie damit die Gelegenheit nutzen, Ihre Präsenz im Industrie 4.0-Bereich auszubauen?
Christian Wachter: Ganz genau. Wir fiebern der Messe ganz besonders entgegen, da hier die wichtigsten Trends und Entwicklungen diskutiert werden, die durch die 4. industrielle Revolution vorangetrieben werden. Dazu fallen mir ganz spontan Schlagwörter wie Smart Manufacturing, Predictive Maintenance oder die digitalen Zwillinge von Produktionsanlagen ein, die unter anderem den ständigen Abgleich der Anforderungen an das Produkt mit dem aktuellen Konstruktionsstand ermöglichen. Aus diesen Trends lassen sich für uns künftige Weiterbildungsbedarfe im Bereich Smart Training ablesen und auf sämtlichen Ebenen unseres Leistungsangebots antizipieren. Die Messe bietet für uns die Gelegenheit, uns mit Fachausbildern auszutauschen und in den Gesprächen herauszufinden, welche Wege wir in den Bereichen Konzept- und Produktentwicklung als nächstes bestreiten sollten.
Außerdem bietet uns die Hannover Messe selbstverständlich auch die Gelegenheit, unsere ganzheitliche Bildungslösung zu präsentieren sowie die gemeinsam mit ZEISS entwickelte Lernfabrik als besonderes Highlight vorzustellen. Die Lernfabrik ermöglicht es Ingenieuren und Industriemitarbeitern, mit dem Tablet in der Hand die Fertigungsstraße entlangzugehen, während die Maschine über den PC abgefilmt wird. Über eine Trainings-App kann sich der Mitarbeiter Animationen, Erklärvideos und Beschriftungen ansehen, die im jeweiligen Arbeitsschritt relevant sind – beispielsweise zu Verarbeitungsstationen wie einem Vereinzeler oder einem Transportband.
Darüber hinaus hat er die Möglichkeit Bereiche auszuwählen, die ihn interessieren und sich animierte Sequenzen oder weitere Informationen anzeigen lassen. Muss der Füllstand an der Maschine überprüft oder ein Werkstück gelöst werden, das sich in der Maschine verklemmt hat, so wird dies – ebenfalls direkt über die App – von der Maschine an den Techniker kommuniziert. Auf der Hannover Messe werden die Besucher Gelegenheit haben, mit dem Tablet in der Hand oder mit der Datenbrille auf der Nase entlang einer kurzen Produktionsstraße modernstes digitales Lernen am Beispiel der ZEISS-Lernfabrik unmittelbar zu erleben.