Zielsetzung

Online-Tests auch als Marketing-Maßnahme

Hamburg, November 2011 - (von Prem Lata Gupta) Nicht immer sind aufwändig inszenierte virtuelle Welten notwendig, um Online-Tests zu veranstalten. Joachim Diercks, Geschäftsführer des Recrutainment-Spezialisten CYQUEST, beschreibt wichtige Unterschiede im eAssessment. Der neue Trend: Internet-Tools, die hauptsächlich der Selbsteinschätzung von potentiellen Interessenten dienen - und außerdem eine zeitgemäße Marketingmaßnahme für Unternehmen darstellen.




Inwiefern haben sich eAssessments gewandelt: Sind die Anwendungen heute mit den aufwändigen Online-Welten, wie sie mal Siemens oder ABB geboten haben, überhaupt noch zu vergleichen?

Joachim Diercks: Der Stellenwert, aber auch die Verbreitung ist sogar gestiegen. Dennoch hat sich das Thema natürlich weiterentwickelt. Vor zehn Jahren wurden eAssessments anders angepackt: Damals wurden ungemein aufwändige Szenarien entwickelt, die hohe sechsstellige Beträge gekostet haben. Heute haben wir es mit einer völlig anderen Bandbreite zu tun. Wenn z. B. ein mittelständisches Unternehmen etwa bei der Azubi-Auswahl aus 1.200 Bewerbungen ungefähr 80 Leute herausfiltern möchte, kann man durchaus auch für 10.000 Euro ein sehr ordentliches Online-Assessment mit validen Ergebnissen realisieren.

Da klaffen doch Welten zwischen diesen Größenordnungen...

Joachim Diercks: Natürlich. Es kommt darauf an, was der Kunde möchte. Wenn er ein virtuelles Werk oder verschiedene Geschäftsbereiche präsentieren will, dazu 15 Personen, die sich dort bewegen und mit dem Kandidaten sprechen, dann bedeutet dies sehr viel Multimedia-Gestaltung. Und dann liegen auch heute natürlich die Kosten weitaus höher.

Was wird denn eher verlangt?

Joachim Diercks: Man muss unterscheiden. Es gibt Online-Assessments als festen Bestandteil einer Bewerbung. Hier ist der Teilnehmer namentlich bekannt bzw. er wird, nachdem er sich beim Unternehmen beworben hat, zur Testteilnahme eingeladen. In einigen Fällen, das legt der Kunde fest, kann hier ein Teilnehmer nur bestehen oder durchfallen. Trifft letzteres zu, dann ist der Kandidat aus dem Rennen. Andere Unternehmen sehen ein solch eignungsdiagnostisches Testverfahren hingegen eher als Möglichkeit einer zusätzlichen Perspektive auf einen Bewerber an. Das Ergebnis wird den üblichen Bewerberdaten hinzugefügt und aus dem Gesamtbild wird dann eine Entscheidung abgeleitet.

Ein anderer Markt, der allerdings immer wichtiger wird, sind so genannte SelfAssessments. Hier ist die Teilnahme in der Regel anonym und erfolgt freiwillig. SelfAssessments haben zunächst noch gar nichts mit einer Bewerbung zu tun, sondern es geht darum, die Selbsteinschätzung von jungen Leuten zu verbessern.

Was hat denn das Unternehmen davon?

Joachim Diercks: Es schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe. Zunächst dient solch ein SelfAssessment, das der Kandidat stressfrei ohne Registrierung durchlaufen kann, auch dem Employer Branding - vorausgesetzt die Umsetzung ist so, dass die Inhalte auch den tatsächlichen Merkmalen der Arbeitgebermarke entsprechen.

Zum anderen reduziert ein Unternehmen auf diese Weise die Wahrscheinlichkeit, dass sich vielleicht falsche Kandidaten bewerben. Wer probehalber Übungen durchläuft, die z. B. dem Aufgabengebiet einer Bankkauffrau oder eines Kaufmanns für Bürokommunikation entsprechen, bekommt einen ersten Eindruck von den tatsächlichen Anforderungen und kann viel besser entscheiden, ob das was für ihn sein könnte oder nicht.

Wie umfangreich werden diese Art von SelfAssessments genutzt?

Joachim Diercks: Dies ist abhängig von der Größe und Attraktivität eines Unternehmens, auch davon, ob dieses Tool extra beworben wird. Wir haben z. B. das Berufsorientierungsspiel "Probier-Dich-aus" für die Commerzbank realisiert, parallel lief dazu eine regelrechte Werbekampagne. Es gab Querverlinkungen von SchülerVZ und Bravo.de. Das hatte nicht nur hohe Zugriffszahlen zur Folge. Auch in tatsächlichen Bewerbungsgesprächen bezogen sich die Kandidaten auf dieses Online-Assessment.

Was bekommen Sie denn aus den Unternehmen zu hören - außer dass ihre Kunden attraktiv als Arbeitgeber wirken möchten? Werden SelfAssessments möglicherweise auch genutzt, weil sich nicht genügend oder nicht genügend gute Bewerber melden? Oder weil zu wenig über Karrieremöglichkeiten innerhalb des Unternehmens bekannt ist?

Joachim Diercks: Eigentlich alles davon, aber in unterschiedlicher Gewichtung. Manchmal kommen mehrere Faktoren zusammen. Eine Organisation wie Unilever hat vielleicht sehr viele gute Bewerbungen zum Marketing-Trainee. Hier kann das Unternehmen wirklich "auswählen". Aber es werden auch technische Trainees gesucht etwa für Verfahrenstechnik. Daran denken viele junge Leute nicht, weil sie diese Option nicht mit Unilever assoziieren. Hier besteht dann aus Sicht des Unternehmens eher "Mangel". Da kann ein clever aufbereitetes Assessment helfen: Interessierte werden durch unterschiedliche Unternehmens- und Aufgabenbereiche gelotst und erhalten eine Menge wertvoller Informationen.

Wie lange dauert es denn, ein eAssessment zu konzipieren und zu realisieren?

Joachim Diercks: Wenn es in erster Linie darum geht, Wissen oder Kompetenzen zu überprüfen, reichen manchmal vier bis acht Wochen. Das ist sinnbildlich gesprochen ein Kleinwagen. Wenn jedoch aufwändige Simulationen gewünscht sind, verschiedene Berufsbilder mit jeweils passenden Übungen verknüpft und Videos eingebunden werden, dann kann das bis zu einem Jahr dauern. Das Ergebnis ist wenn man so will ein Rennauto.

Was passiert bei einem solch langen Vorlauf?

Joachim Diercks: Um mehr als 20 Ausbildungsberufe in einem global agierenden Unternehmen vorstellen und entsprechende Tests aufsetzen zu können, bedarf es einer Menge Vorarbeit. Wir haben so etwas für die Lufthansa gemacht. Da werden im Vorfeld Workshops veranstaltet, wir arbeiten mit den Ausbildern zusammen, wir integrieren in das Assessment auch die Unternehmenskultur. Das ist nicht von der Stange machbar. Der Teilnehmer bekommt eine Hitliste ausgeworfen, wofür er sich womöglich gut und wofür er sich weniger eignet. Das ist hilfreich für die Kandidaten und für das Unternehmen.

Wo sehen Sie die aktuellen Trends?

Joachim Diercks: Bei den SelfAssessments, weil sie ein Stück weit auch eine Marketingmaßnahme sind. Da existiert eine riesige Nachfrage. Gamification, also ein spielerisch-simulativer Weg des Personalmarketings, ist in jüngster Zeit ein starkes Thema. Festzustellen ist aber auch, dass mit den Assessments, die in den wirklichen Bewerbungsprozess eingebunden sind, also wirklich eignungsdiagnostischen Tests, wesentlich unaufgeregter umgegangen wird als noch vor einigen Jahren. Damals hat man sich gesorgt, ob der Online-Test tatsächlich von dem echten Bewerber absolviert wird. Diese Bedenken hört man heute eigentlich nicht mehr, eAssessments sind in vielen Unternehmen - zumindest den Großen - inzwischen fast Normalität.