Was bringt 2022

Hohe Online-Lernanteile verlangen nach Diversifikation

Guy FischerBerlin/München, Dezember 2021 - Obwohl die eLearning-Branche von zahlreichen äußeren Faktoren der Pandemiezeit profitiert, zeigen sich auch neue Entwicklungen, die eine Anpassung der Ausrichtung von Produzenten und Dienstleistern mit sich bringen. CHECK.point eLearning sprach über die sich abzeichnenden Trends mit Guy Fischer, der als Mitinhaber der eLearning-Agentur Fischer, Knoblauch & Co. (FKC) die Marktbewegungen ständig im Blick hat.

Welche Veränderungen haben Sie in der eLearning-Branche festgestellt?

Guy Fischer: Ein Trend, der vor allem die Dienstleister beeinflusst, ist die Tendenz zum "Selbermachen". Durch Tools wie etwa Articulate glauben viele Unternehmen, ihren Bedarf an Kursmaterialien günstiger selbst erstellen zu können. Es ist ein wenig der "Fluch" der vermeintlichen Einfachheit, der die Agenturen da trifft. Es erinnert mich ein bisschen an die Einführung von Photoshop vor langer Zeit. Schon damals stellte man fest, dass nicht jeder, der Photoshop bedienen kann, ein begnadeter Grafiker ist...
Außerdem kosten die eigenen MitarbeiterInnen ja auch Geld, wenn sie zur Kursproduktion eingesetzt werden. Obwohl manches Unternehmen jetzt unbeschäftigten PräsenztrainerInnen solche Tätigkeiten anbietet.
Für Agenturen wie uns bedeutet dies jedoch auf mittlere Sicht, dass wir unsere Geschäftsmodelle anpassen sollten. Wenn es weniger Projekte gibt, können wir stärker auf Support und Beratung setzen.

Welche grundlegenden Änderungen aus der Pandemiezeit werden uns Ihrer Meinung nach dauerhaft begleiten?

Guy Fischer: Wenn ein Unternehmen vor Corona 95% Präsenztraining angeboten hat und 5% Online-Training, so hat sich das während der Pandemie umgekeht. Jetzt sind es 95% digitale Unterweisung und 5% Präsenzunterricht. Das wird sich nicht mehr oder nur marginal verändern.
Doch je größer der Anteil am Online-Training ist, um so wichtiger wird das Thema der Diversifikation. Abwechslungsreiche Formate sind gefragt.
FKC bietet seit geraumer Zeit Escape Rooms als Lernformat an. Das ist aktuell noch eine Nische, ruft aber große Resonanz hervor. Auch planen wir für 2022 eine 3D-Lernwelt, die wohl Mitte kommenden Jahres an den Start gehen kann.

Wie steht es um Technik und Tools? Welche Veränderungen erwarten Sie dort?

Guy Fischer: Wir erleben gerade eine verstärkte Nachfrage nach LMS-Funktionen, die eine Integration von User-produced-Content ermöglichen. Möglichst einfach gehalten und unkompliziert zugänglich. Damit jeder ein schnelles Foto mit Anmerkungen oder ein kleines Video als Anleitung für KollegInnen leicht zugänglich machen kann. So eine Art "Whatsapp" für LMS, eine Shared-Plattform.

Und was bleibt von den bereits bekannten Trends?

Guy Fischer: Immer noch als Herausforderung erlebe ich den "Mobile First" Trend. Viele Auftraggeber glauben, ihre MitarbeiterInnen würden am Desktop lernen, weil dies der Infrastruktur des Unternehmens entspricht. Wenn wir dann jedoch die Zugriffe auswerten, sehen wir, dass 95%  mobile Abrufe das Nutzerbild bestimmen. Aber für eine bequeme und sinnvolle Mobile-Nutzung wäre eine andere Softwareunterstützung nötig. Das scheint noch eine längere Baustelle zu bleiben.

Und was erwartet die Branche 2022?

Guy Fischer: Die Perspektive für 2022 scheint mir besser zu sein als 2020/21. Besser aber noch nicht gut. Noch nicht so gut wie in 2019.