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Barrierefreiheit mit den Tools von Moodle

Dag KlimasBerlin, Februar 2025 - "Ob als Moodle-Influencer, Guide oder Moodle-Nerd: Dag Klimas bringt mehr als 20 Jahre Erfahrung mit und die bemerkenswerte Fähigkeit, sein Wissen so zu teilen, dass jeder davon profitieren kann", So beschreibt Stephan Rinke, Direktor der Volkshochschule Essen, Dag Klimas, der sich selbst vor allem als Moodle-Guide sieht. CHECK.point eLearning hatte die Gelegenheit, ihn zum Thema Barrierefreiheit zu befragen.

Welche Tradition hat Moodle im Bereich Barrierefreiheit?

Dag Klimas: Ein Zitat zum Einstieg: "Moodle ist so konzipiert, dass es allen Menschen die gleichen Funktionen und Informationen bietet. Das bedeutet, dass es keine Barrieren für Menschen unabhängig von Behinderungen, verwendeten Hilfstechnologien, unterschiedlichen Bildschirmgrößen und verschiedenen Eingabegeräten (z. B. Maus, Tastatur und Touchscreen) geben sollte."
Die Software Moodle unterstützt schon seit vielen Versionen Barrierefreiheit. Die Navigationsmöglichkeiten per Tastatur ermöglichen es mir persönlich z. B. schneller, ohne nach der Maus zu greifen, Einstellungen vorzunehmen. Die Standardeinstellungen zur Darstellung der Oberfläche und der Lerninhalte sind zum Beispiel mit einem hohen Kontrastwert zwischen Text und Hintergrund konfiguriert. Daraus folgt, dass wenn Kontrastwerte auf einer Plattform nicht erreicht werden, es dann nicht an Moodle, sondern an den jeweiligen Betreiber:innen liegt. Moodle-guide.de ist in meiner Lieblingsfarbe (seit über 40 Jahren) Orange. Und auf Weiß reicht der Kontrast gemäß den Standards eben nicht aus. Als "Kleinstunternehmen" muss ich mich nicht damit beschäftigen, aus sozialen Gründen gegenüber Mitmenschen will ich es aber.

Auch wenn sich verschiedene Autor:innen, Lehrer:innen, Trainer:innen usw. bei der Erstellung eingeschränkt fühlen, wenn sie nicht Text in Rot schreiben können, oder sie die Schriftgrößen nicht einfach verändern können: Bei einem barrierefrei gestaltetem Design (Theme) kann ich in dieser Rolle bei Problemen oder Vorwürfen auf die Verantwortlichen der Plattform verweisen. Aber: Nicht wenige Menschen nutzen in einem Textprogramm für die Trennung von Absätzen durch Überschriften Zeichenformatierungen. Für die barrierefreie Umsetzung in Moodle stehen im Editor Überschriften zur Verfügung. Diese ermöglichen es auch gleich, die Struktur in Screenreadern zu ermitteln.

Seit Moodle 3.11 (2021) stehen "Tools zur Barrierefreiheit" kostenfrei zur Verfügung. Mit ihnen können Autorinnen direkt im Editor erste Überprüfungen vornehmen. Es geht aber noch mehr: Ich kann als VerantwortlicheR meinen ganzen Kurs zur Überprüfung einreichen. Nach wenigen Minuten erhalte ich einen Bericht und kann entscheiden, welche Optimierungen ich vornehmen will.

Welche Rolle spielt das Universelles Design zum Lernen (UDL) für das Erstellen von Lerninhalten unter dem Barrierefreiheitsaspekt?

Dag Klimas: Das gilt aus meiner Sicht für alle LMS- und Autorenprodukte. Technisch gesehen können in Moodle die Inhalte direkt in der Software erstellt werden, oder es werden extern erstellte Inhalte "abgespielt". Beispiele sind SCORM, PDF, VIDEO oder H5P.

Didaktisch sind die UDL-Kernprinzipien eine ausgezeichnete Grundlage für das Erstellen von Lerninhalten. Für die "Multiplen Darstellungsmöglichkeiten" stehen Autor:innen im Editor die Moodle-Funktionen Text, Bild, Audio, Video zur Verfügung. Daraus folgt, dass ich ein Video bereitstelle und ergänzend z. B. ein Transkript oder Untertitel verwende. Ein anderes Beispiel: Bei einem Lerntext stelle ergänzend Audio zur Verfügung. Bei meiner letzten (sehr innovativen) Arbeitgeberin HOLLER GmbH haben wir etwa die Aufgabentexte mit dem persönlichen Avatar meiner Chefin ergänzend kommuniziert.

Für die Handlungsmöglichkeiten stehen den Autor:innen/Trainer:innen geschlossene Funktionen wie Teilnahme an einer Abstimmung oder einem Selbsttest für eine Selbstevaluation zur Verfügung. Bei den Ausdrucksmöglichkeiten können kollaborative Methoden wie Forum oder Wiki zum Einsatz kommen. So können die Lernenden ihr (erworbenes) Wissen, ihre Kompetenzen demonstrieren. Wobei es hier die große Herausforderung gibt, dass diese Ergebnisse in verschiedenen Darstellungsformen für möglichst alle Lernenden (barrierefrei) erstellt werden.

Bei entsprechender Planung bieten sich somit verschiedene Möglichkeiten des Engagements für die Lernenden.

Aktueller persönlicher Lernerfolg: Meine persönliche Auslegung von Inklusion hat sich dieser Tage geändert. In meinen Moodle-Trainer-Qualifizierungen behandelte ich gern den Ansatz "Ein deutscher Autor schreibt, was er weiß. Ein amerikanischer Autor schreibt für seine Zielgruppe" (Quelle: Wolfram Pichler). Also forderte ich die Teilnehmenden auf, Inhalte auf ihre Zielgruppe zu fokussieren (Wissenschaftliche Abhandlungen für "Expert:innen" vs. Angepasste Inhalte für "Einsteiger:innen"). Der Ansatz Inklusiv bedeutet für mich in meinem Kontext dabei, dass ich die potenzielle Zielgruppe, zum Beispiel in verständlicher Sprache, mittels verschiedener Medienformate erreiche.

Entspricht die Moodle-Software den neuesten Standards für Barrierefreiheit bzw. den ab Juni geltenden Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes?

Dag Klimas: Ja, aus meiner Sicht ist es so. Seit 01.2024 ist Moodle nach "WCAG 2.1 AA Accessibility compliance" zertifiziert. Die Anforderungen nach 2.2 werden bei den Entwicklungen berücksichtigt, sind aber bis jetzt nicht zertifiziert.

Was ändert sich konkret für Moodle-Nutzer bis Juni 2025?

Dag Klimas: Die Funktionen der Software sind bereits seit Jahren verfügbar. Nur: Sie müssen nun auch zielführend angewendet werden. Oder sogar im eigenen System aktiviert sein. Wenn wir die Lernplattform betrachten, können sich je nach internen oder externen Prüfungsergebnissen in der Darstellung und Nutzerführung Änderungen ergeben.

Wie sollten die Verantwortlichen möglichst vorgehen?

Dag Klimas: Wir könnten an das Qualitätsmanagementsystem und den Dennigerkreis anknüpfen. Plan und Do wurden unter anderen Rahmendaten bereits in der Vergangenheit umgesetzt. Jetzt erfolgen Checks unter Berücksichtigung von (neuen) gesetzlichen Anforderungen um neue Anforderungen/Aufgaben (=Act) zu identifizieren.

Check: Überprüfen des verwendeten Designs (Themes) im Kontext mit Barrierefreiheit und der Kurse mit den bereitstehenden Tools zur Barrierefreiheit. Optional: Überprüfung aller Kurse der Plattform mit dem Brickfield Enterprise-Toolkit.
Act: Aufgaben, Änderungen beschließen.
Plan: Planen und Priorisieren von Maßnahmen für das erfolgreiche Umsetzen der Barrierefreiheit.
Do: Umsetzen der Arbeitspakete.
Check: Prüfung wieder mit den Moodle Tools zur Barrierefreiheit …. und Neustart des Kreislaufs.

Ich halte es für wichtig, dass Autor:innen/Trainer:innen qualifiziert, in der Transferphase begleitet und weiterführende Informationen zur Verfügung gestellt werden.
Die Abnahme von Lerneinheiten durch Personalentwicklung / Learning & Development Management oder andere Auftraggeber:innen sollte ein fester Bestandteil sein, um die Investitionen in Lerninhalte amortisieren zu können.