Wie KI und VR die Schulung von Soft Skills revolutionieren
Wien, März 2025 - Die Weiterbildung von Soft Skills durch KI-generierte Gesprächssimulationen in Virtual Reality (VR) bietet Unternehmen wie Wien Energie völlig neue Trainingsmöglichkeiten. In einem Gespräch mit Verena Mur, Personalentwicklerin bei Wien Energie, Thomas Dorner, Spezialist für konzeptionelle Inhalte und Gesprächsführung, und Johannes Schneider, technischer und didaktischer Leiter für VR-gestützte eLearning-Erfahrungen reflektieren sie ihre gemeinsamen Erfahrungen mit dieser Technologie und die Zukunftsperspektiven im Bereich des digitalen Lernens.
Frau Mur, Herr Dorner, Herr Schneider, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Herr Dorner, zunächst die Frage an Sie, wie die Kombination aus KI und VR das Training von Soft Skills und Gesprächsführung verändert?
Thomas Dorner: Die Verbindung von KI und VR schafft ein immersives Lernerlebnis, in dem die Lernenden Gespräche sehr realitätsnah und emotional durchleben. Während traditionelle Rollenspiele in Trainings oft mit sozialem Druck und Hemmungen verbunden sind, können sich Nutzer:innen in VR ohne Scham und ohne Zeitdruck auf das Training einlassen.
Die KI erzeugt dabei Gesprächspartner:innen, die auf die Lernenden und ihre Äußerungen spontan reagieren. Damit entsteht eine Interaktion "im Hier und Jetzt", die sich unglaublich echt anfühlt. Das Besondere ist: Wir können verschiedene Gesprächspartner:innen und Szenarien konfigurieren – von einem fordernden Kollegen über den schwierigen Kunden bis hin zu konfliktgeladenen Teamgesprächen.
Frau Mur, was hat Wien Energie dazu bewogen, diese Technologie in der Personalentwicklung zu nutzen?
Verena Mur: Bei Wien Energie legen wir großen Wert auf die persönliche und berufliche Entwicklung unserer Mitarbeiter:innen, insbesondere im Bereich Soft Skills. Das Thema Gesprächsführung ist zentral für viele Bereiche bei uns, sei es im Kund:innenkontakt oder im Teammanagement. Die Möglichkeit, Gespräche in einer VR-Umgebung zu simulieren, hat uns überzeugt, weil es eine innovative und praxisnahe Methode ist. VR ermöglicht eine intensive Lernerfahrung, bei der die Lernenden sich ohne Ablenkungen auf ihre Kommunikation konzentrieren können – das war für uns ein entscheidender Vorteil.
Herr Schneider, was sind die größten technischen und didaktischen Herausforderungen bei der Umsetzung solcher VR-Trainings?
Johannes Schneider: Technisch gesehen ist die größte Herausforderung, die VR-Erfahrungen so zu gestalten, dass sie für die Nutzer reibungslos und komfortabel sind. VR ist für viele noch neu und ungewohnt, daher muss die Bedienung so intuitiv wie möglich sein. Eine der Herausforderungen ist auch die "Motion Sickness", also das Gefühl der Übelkeit, das manche bei VR-Erfahrungen verspüren. Die Teilnehmenden in unseren Trainings sitzen komfortabel und stabil im Sessel. Dadurch tritt dieses Phänomen praktisch nicht auf.
Ein weiterer Punkt ist der technische Support: Wir stellen sicher, dass alle Mitarbeiter:innen problemlos Zugang zu VR-Brillen haben und bieten Unterstützung für den Fall, dass technische Fragen aufkommen.
Didaktisch betrachtet liefern wir Erlebnislernen. Genau dafür taugt der Einsatz von VR-Headsets besonders. Das Eintauchen in eine Situation lässt uns hautnah erleben, wie sich ein bestimmtes Verhalten anfühlt. Dafür haben wir auch echte Menschen in 360° gefilmt. Für das Erleben der Wirkung der eigenen Worte verwenden wir natürlich KI. Damit erzeugen wir ein personalisiertes Lernerlebnis.
Herr Dorner, wie sieht es mit den Inhalten aus? Wie passen Sie die Gesprächspartner:innen und die Gesprächssituationen an die Bedürfnisse der Lernenden an?
Thomas Dorner: Das Schöne an KI-gestützten Avataren ist, dass sie sehr individuell gestaltbar sind. Wir können die Gesprächspartner:innen an spezifische Anforderungen anpassen – ob jemand etwa eine schwierige Mitarbeiterin überzeugen, einen verärgerten Kunden zurückgewinnen oder einen unkooperativen Kollegen motivieren möchte.
Zudem können wir den Schwierigkeitsgrad einstellen und die Persönlichkeit des Avatars so gestalten, dass er eine realistische Herausforderung darstellt. Wichtig ist auch das richtige "Prompting" der KI, damit die Reaktionen der Gesprächspartner:innen dem gewünschten Lernziel entsprechen. Unsere KI-gesteuerten Avatare sind so programmiert, dass sie auf die Äußerungen der Nutzer:innen dynamisch und kontextbasiert reagieren, was die Interaktion besonders realitätsnah macht.
Frau Mur, was haben Sie und Ihre Mitarbeiter:innen, die die VR-Experiences bisher durchgeführt haben, gut gefunden?
Verena Mur: Wir stehen noch am Anfang, aber unsere Mitarbeiter:innen schätzen besonders, dass man in der VR-Umgebung keine sozialen Hemmungen hat. Viele finden es gut, ohne Beobachter:innen üben zu können, was in Präsenztrainings ja oft eine Herausforderung darstellt.
Ein weiterer Vorteil ist das unmittelbare, KI-basierte Feedback, das den Lernenden genau aufzeigt, wie sie ihre Gesprächsführung verbessern können. Auch das flexible Wiederholen der Sessions und das Ausprobieren neuer Verhaltensweisen kommen gut an. Man kann so lange an den eigenen Fähigkeiten feilen, bis man sich sicher fühlt – das ist eine echte Hilfe, um kommunikationsstark in den Berufsalltag zurückzukehren.
Herr Schneider, was würden Sie sagen, ist der größte Mehrwert dieser Technologie im Vergleich zu herkömmlichen Schulungsmethoden?
Johannes Schneider: Der größte Mehrwert liegt in der Kombination aus Immersion und Individualisierbarkeit. VR bietet ein komplett ablenkungsfreies Umfeld, was die Konzentration der Lernenden enorm steigert. Die KI wiederum ermöglicht ein lebendiges und anpassbares Gegenüber, mit dem die Nutzer*innen ohne Konsequenzen üben können. Diese Kombination von emotionalem Erleben und praxisnahen Gesprächen ist einzigartig. Hinzu kommt, dass die Lernenden ohne Angst vor Fehlern experimentieren können, was das kreative Ausprobieren neuer Gesprächstechniken enorm fördert.
Herr Dorner, sehen Sie auch Herausforderungen in der Umsetzung dieser Technologie?
Thomas Dorner: Die gibt es durchaus. Inhaltlich ist eine Herausforderung die Feinabstimmung der Gesprächssituationen. Der Avatar darf weder zu passiv noch zu konfrontativ sein – wir wollen ein realistisches Maß an Herausforderung schaffen. Bei der Entwicklung der Szenarien ist darauf zu achten, dass die Dynamik des Gesprächs möglichst der Realität entspricht, damit die Lernenden auch für schwierige Situationen im Berufsalltag gut gewappnet sind.
Ebenso stellt der Datenschutz eine wichtige Frage dar. Wir erfassen keine personenbezogenen Daten, um die Privatsphäre der Nutzer zu schützen.
Frau Mur, welche Rolle sehen Sie für VR und KI in der Zukunft der Personalentwicklung?
Verena Mur: Ich glaube, dass VR und KI uns als Unternehmen Vorteile bieten, um Mitarbeiter:innen zielgerichtet zu fördern. Die Technologie ist flexibel, kostengünstig und bietet einen breiten Zugang zu hochwertigen Schulungen. VR-Trainings sind eine schöne Ergänzung zu bestehenden Formaten, wie Präsenztrainings und eLearnings.
Die VR-KI-Kombination ermöglicht ein intensives, praxisnahes Training, das sich immer weiter verbessern und anpassen lässt – nicht nur bei Wien Energie, sondern in jedem Unternehmen, das die Entwicklung seiner Mitarbeiter:innen nachhaltig fördern will.
Herr Schneider, was sind Ihre nächsten Schritte in der Weiterentwicklung der VR-KI-Experience?
Johannes Schneider: Wir arbeiten ständig daran, die User Experience weiter zu optimieren. Das bedeutet nicht nur, die Technik benutzerfreundlicher zu gestalten, sondern auch, die didaktischen Möglichkeiten zu erweitern. Ein aktuelles Ziel ist es, noch feinere Anpassungen an die individuellen Lernbedürfnisse zu ermöglichen.
Wir sehen VR und KI als den nächsten großen Schritt in der betrieblichen Weiterbildung. Die Möglichkeit, Soft Skills in einer so realitätsnahen und flexiblen Umgebung zu trainieren, ist ein echter Gamechanger. Die Technologie wird künftig nicht nur in Unternehmen, sondern auch in Bildungseinrichtungen und im Coaching von Führungskräften eine immer größere Rolle spielen. Es ist eine enorme Chance, Lernende aller Art und aus verschiedenen Branchen noch besser auf reale Kommunikationsherausforderungen vorzubereiten.