LERNET-Erfahrungen

Egon Fleischer: "ELearning fängt jetzt erst an"

Essen, August 2007 - Als das Förderprojekt LERNET im Jahre 2001 startete, war eLearning in den Unternehmen ein Wagnis, ein "Add-on", mit dem man zusätzlich zu den vertrauten Lernformen experimentierte. Inzwischen hat eLearning in den Personalabteilungen einen anderen Stellenwert. Es ist so selbstverständlich, dass es nahezu "verschwindet". LERNET sprach über diese Entwicklung mit Egon Fleischer, der von 2001 bis 2004 das LERNET-Projekt "Webtrain" leitete. Heute vermittelt ihm seine Beratertätigkeit für eLearning-Projekte in Osteuropa, im Nahen Osten und in Zentralasien einen guten Überblick über aktuelle Trends in der eLearning-Implementierung.




Was hat sich bei der Einführung von eLearning-Anwendungen in Unternehmen seit 2001 geändert?

Egon Fleischer: Nachdem eLearning noch vor drei Jahren immer als eine Art "Sonderprojekt" behandelt wurde, hat das berufliche Lernen mit dem Computer jetzt die "Phase der Trivialisierung" erreicht. Es ist ein fester Bestandteil von Personalentwicklungsstrategien geworden - dadurch fällt es allerdings als eigene Anwendung nicht mehr besonders auf.

Wie ist es zu diesem Sinneswandel gekommen?

Egon Fleischer: Ein Grund dafür ist die Erweiterung der Personalentwicklungssoftware der großen Hersteller um Lernkomponenten. Hat man früher für die Kurse und den Austausch zwischen Lernern in einem Lernmanagement-System organisiert, so sind diese Funktionen jetzt ein Menüpunkt in den HR-Plattformen für Personalabteilungen. Dies erleichtert die Akzeptanz von eLearning natürlich, weil die Lernfunktionen mit der HR-Software gleich mit erworben werden. Das Budget hierfür muss nicht mehr extra "erkämpft" werden.

Was bedeutet diese Entwicklung denn für die eLearning-Produzenten in Deutschland?

Egon Fleischer: Meiner Meinung nach werden sich einige Produzenten von ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning) LMS-Hersteller einverleiben; andere ERP Anbieter werden sich Plattformen hinzuprogrammieren. Damit wird es vermutlich zu einer deutlichen Marktbereinigung unter den eLearning Systemanbietern kommen. Eigenständige LMS-Anbieter werden nur noch Nebenrollen wahrnehmen können, vor allem wenn man bedenkt, dass man eine ganze Menge Gewinn generieren muss, um den Re-Investitionszyklus aufrecht zu erhalten.


Die eLearning-Anbieter werden sich dann mehr um Systemimplementierungen kümmern und Standardprodukte einführen, z.B. Lernplattformen von SAP oder Oracle in bestehende ERP-Umgebungen dieser Marken.


Lediglich in Märkten abseits dieser großen ERP-Anbieter wird es noch eine größere Zahl von "echten" eLearning Anbietern geben. Typische Zielmärkte wären dann der kleinere Mittelstand oder die Landschaft der Bildungsinstitute.

Sie haben ja einen guten Vergleich der Einführungsprozesse neuer Lern- und Wissensmanagementsysteme in Deutschland mit Ländern in Osteuropa und in Nahost. Gibt es da länderspezifische Unterschiede?

Egon Fleischer: Na ja, im Grunde genommen kann ich wenig generelle Aussagen machen, die sich konkret auf eLearning beziehen. Bestimmte Effekte, wie z.B. Mentalitäten und Arbeits-/Kommunikationsgewohnheiten oder das Klima beeinflussen die Projektarbeit insgesamt. Vielleicht lässt sich anführen, dass man außerhalb von Deutschland eLearning - vor allem im öffentlichen Sektor - weniger ablehnend gegenübersteht. Dies mag aber auch daran liegen, dass es in diesen Ländern einerseits wenig Alternativen gibt, andererseits das bezahlte Bildungsgeschäft z.B. im Nahen Osten einen enormen Markt darstellt und damit unternehmerisches Handeln präsenter ist als bei uns.

Inwieweit hilft Ihnen denn Ihr LERNET-Wissen bei der Betreuung großer eLearning-Projekte?

Egon Fleischer: LERNET hat ja für mich den Sprung ins eLearning bedeutet. Ich kann sagen, dass durch LERNET in vielen Punkten die Basis für meine Kenntnisse gelegt wurde. Außerdem begann damals mein bis heute andauerndes Interesse an technologiebasiertem Lernen.


Die Vielzahl und die unterschiedlichen Ausrichtungen der in LERNET versammelten Projekte hatten einen enormen Einfluss auf mich. Ich kann sagen dass wir heute mit einigen der ehemaligen LERNET Partner Projekte durchführen, die auch immer wieder auf LERNET zurückgreifen. Diese ursprünglichen Konzepte werden in puncto Management und Technologie von diesem Ausgangspunkt immer weiter entwickelt.

Vielen Dank für das Gespräch. Wir sehen uns auf der LERNET-Konferenz am 25. September in Berlin.