Barrieren abbauen

Ein erfolgreiches ERP-Projekt beginnt beim Anwender

Berlin, April 2011 - (von Ulrike Peter) Viele Anwender verlieren bei einer fundamentalen Veränderung wie der Einführung eines ERP-Systems schlichtweg den Überblick. Die Zielsetzung einer solchen Business-Applikation - nämlich Effizienzsteigerung - schlägt oft erst einmal ins Gegenteil um. Stattdessen drücken Fehleingaben und Anwender-Frustration auf die Produktivitätsbremse. datango-Vorstand Dr. Jochen Wiechen gibt Tipps, wie den Fallstricken vom ersten Tag an gegengesteuert werden kann.




Stefan M. ist fit in seinem Job. Er arbeitet in der Abteilung Materialwirtschaft eines Traditionsunternehmens. Mit der Historie ist auch die IT-Infrastruktur heterogen gewachsen. Der Mitarbeiter hat sich an die Insellösungen gewöhnt und seine Arbeitsabläufe beherrscht er aus dem Effeff - bis zur Einführung des neuen ERP-Systems. Stefan ist unsicher, macht Fehler, er muss oft Kollegen um Hilfe bitten. Aber die wissen es auch nicht besser. Also steigt die Frustration und die Motivation sinkt.

Wie kann einem solchen Szenario vom ersten Tag an entgegen gewirkt werden? Dr. Jochen Wiechen, Vorstand der datango AG, ein Anbieter von eLearning- und Electronic Performance Support Systemen, gibt im Interview Tipps, wie die Weichen für einen erfolgreichen Rollout gestellt werden können.

Herr Dr. Wiechen, welche Überlegung sollten Unternehmen bei der Einführung eines neuen ERP-Systems im ersten Schritt machen?


Dr. Jochen Wiechen: Ein solch komplexes Projekt erfordert klare Ziele und hohe Transparenz im Einführungsteam, aber auch in der gesamten Nutzerschaft. Der Anwender entscheidet in letzter Konsequenz darüber, ob das Projekt erfolgreich ist oder scheitert.

Wie können die definierten Ziele erreicht werden?


Dr. Jochen Wiechen: Die praktischen Konsequenzen der Einführung müssen für alle Beteiligten von Anfang an sichtbar sein, die entsprechenden Informationen mundgerecht aufbereitet werden. Es ist wichtig, die Anwender langsam an die Veränderungen heranführen, sie vorzubereiten und ihnen Sicherheit zu vermitteln. Um dies zu erreichen, ist es zum Beispiel sinnvoll, die zukünftigen Abläufe in geeigneten Umgebungen spielerisch zu erlernen. So wird der Praxisbezug hergestellt und es passieren später weniger Fehler.

Wie kann die Umsetzung hierfür aussehen?


Dr. Jochen Wiechen: Alle notwendigen Informationen müssen zentral auf einer Plattform, auf die jeder Mitarbeiter Zugriff hat, bereitgestellt werden. Das umfasst Ziele und Pläne, Projektstände und Neuigkeiten, Prozesse und Abläufe, Tipps und Tricks. Und ganz wichtig ist dabei, dass die Nutzer bereits während der Einführung Feedbacks geben können. Nur so können Probleme frühzeitig erkannt und ausgeräumt werden.

Reicht die Bereitstellung der Informationen allein aus?


Dr. Jochen Wiechen: Nein. Es ist sinnvoll, dass diese Informationen nicht nur in einer geeigneten Struktur abgelegt, sondern auch gezielt zur Verfügung gestellt und mundgerecht aufbereitet werden. Mit Übersichten und Graphiken können dann z.B. spezielle Informationen vermittelt werden - oder man steigt gleich in die Praxis ein und trainiert in Form von Simulationsformaten rollenspezifische Abläufe.

Was bedeutet Simulationsformate genau?


Dr. Jochen Wiechen: Der Anwender befindet sich in einer simulierten Umgebung, die der Praxisapplikation gleicht. Er kann sich hier unterstützt und geführt frei bewegen und Abläufe üben, ohne in der eigentlichen Anwendung arbeiten zu müssen. So gewinnt er Sicherheit. Befindet er sich später in der tatsächlichen Applikation, sollte er dort auch nicht allein gelassen werden. Dann sind in das System eingebettete Online-Hilfen empfehlenswert.

Online-Hilfen unterstützen den Nutzer im Praxiseinsatz?


Dr. Jochen Wiechen: Online-Hilfen arbeiten wie elektronische Navigationssysteme am Bildschirm. Sie führen den Anwender durch seine Arbeitsabläufe und greifen ihm immer dann unter die Arme, wenn er ins Stocken gerät. Das Ganze findet direkt im Livesystem statt, so dass der Mitarbeiter keine Wartezeiten hat und den Helpdesk nicht befragen muss. Das steigert seine Produktivität.

Aber mit dem Endanwender allein ist es doch nicht getan?


Dr. Jochen Wiechen: Alle an der Einführung Beteiligten - Management, Projektleitung, Key User und Endnutzer - müssen sich einbringen können. Das Management legt in jeder Phase die genauen Ziele fest und kontrolliert sie, die Projektleitung organisiert die Phasen der Prozessentwicklung, die Key User dokumentieren die Abläufe und die End User lernen diese anschließend und geben dabei gleichzeitig Feedback. Jedem muss die Möglichkeit gegeben werden, seiner Rolle entsprechend gezielt Informationen auf einer zentralen Plattform bereitstellen oder nutzen zu können.

Bitte ziehen Sie ein Fazit.


Dr. Jochen Wiechen: Erst ein durchdachtes und geschlossenes Konzept, in dem alle Beteiligten integriert sind und jeder einzelne Mitarbeiter behutsam herangeführt wird, kann ein ERP-Projekt vor dem Scheitern bewahren. Eine damit verbundene gezielte Informationsgenerierung und -verarbeitung sorgen für Wissenstransfer, von dem alle profitieren. So können aufwändige Schulungen eingespart werden und es entsteht die Basis für eine allgegenwärtige und permanente Transparenz, die Voraussetzung für eine erfolgreiche Systemeinführung ist.