"Schule und Computer passen nicht zusammen"
Magdeburg, August 2010 - (von Prem Lata Gupta) Er wurde als Deutschlands IT-fittester Lehrer ausgezeichnet, weil er für ein Sportgymnasium in Magdeburg eine eLearning-Lösung konzipiert hat. Damit konnten Schüler, selbst wenn sie zu Wettkämpfen unterwegs waren, dennoch lernen und am Unterricht teilnehmen. Inzwischen ist Olaf Kleinschmidt freigestellt. Er arbeitet als Education Consultant und vertritt die Firma Smart Technologies. Der Mathematik- und Physiklehrer liebt provokante Thesen wie "Schule und Computer passen nicht zusammen".
Auf Nachfrage drückt er sich allerdings sehr dezidiert aus und erklärt, warum wir längst weiter sein müssten und welche Potenziale in Deutschland nicht genutzt werden.
Sie propagieren Whiteboards und die Arbeit mit Notebooks, das ist Ihr Job als Education Consultant. Wie erleben Sie denn den Durchschnitts-Schulalltag?
Olaf Kleinschmidt: Es gibt gute Ansätze, ganz klar. Aber ansonsten registriere ich, dass der Computer als inzwischen völlig alltägliches Arbeits- und Kommunikationsinstrument nicht wirklich in der Schule angekommen ist. Es ist nicht nötig und vor allem nicht mehr zeitgemäß, wenn der Lehrer die wandelnde Enzyklopädie ist. Wenn er auf Frontalunterricht setzt und im schlimmsten Fall Inhalte aus dem Buch abschaut und an die Tafel schreibt.
Was wünschen Sie sich denn?
Olaf Kleinschmidt: Das Wissen heute ist digital verfügbar. Also sollte man nicht etwa Arbeitsblätter ausdrucken, sondern auch digitale Werkzeuge nutzen, um sich dieses Wissen verfügbar zu machen. Diese Werkzeuge bieten die Chance hin zu einem individualisierten Unterricht, mit dem schwächere Schüler gefördert werden oder die Art der Aufgabenstellung ideal variiert werden kann.
Die Rolle des Lehrers sollte inzwischen eine Moderationstätigkeit sein. Er muss nicht nur vermitteln, warum, wie und wo man Wissen findet, sondern auch, wie man Informationen für sich bearbeiten, strukturieren und letztendlich bewerten kann.
Können Lehrer das?
Olaf Kleinschmidt: Wenn der Bremsweg der Schulen lang ist, dann ist der Bremsweg der Fachdidaktiken wohl noch länger.
Wir sind als Anbieter mittelfristig bemüht z.B. in Studienseminaren, den Umgang mit elektronischen Tafelbild zu etablieren. Das und daraus resultierende didaktische Konzepte sind perspektivisch sehr wichtig.
In Südfrankreich hat man über Jahre Millionen von Euro für Schüler-Laptops ausgegeben. Dann hat sich herausgestellt, dass diese nur von 30 Prozent der Lehrer eingesetzt wurden.
Schüler benutzen den PC am liebsten zum daddeln, teilweise geschieht dies vier Stunden am Tag. Glauben Sie wirklich, die wollen lieber damit lernen?
Olaf Kleinschmidt: Kinder können den Computer ja nur als Spielkiste begreifen, wenn ihnen niemand den Rechner als Lernwerkzeug erklärt. Für Kinder wie für Erwachsene muss das, was sie tun, eine Bedeutung haben. Es muss ihnen wichtig sein. Und wenn sie im Internet recherchieren, wie man im aktuellen PC-Spiel das nächste Level knackt.
Wie funktioniert Ihre Arbeit eigentlich? Beraten Sie Schulen regelrecht oder geht es schlicht ums Verkaufen?
Olaf Kleinschmidt: Unsere Ansprechpartner sind Lehrer, Schulleiter, Schulträger, Land- und Gemeinderäte bis hin zu Ministerien.
Wir machen es uns dabei nicht einfach und versuchen stets mittel- und langfristige Konzepte zu erarbeiten und diese dann gemeinsam umzusetzen.
Allerdings erleben wir oft die Haltung, dass Interessenten es sich einfach machen. Die Träger lassen verschiedene Hersteller ihre Produkte präsentieren, weil man damit politisch punkten will oder weil gerade Gelder bereitgestellt wurden. Das Kora-Prinzip, was bedeutet: "Kohle raus". Echte strategische Überlegungen stecken selten dahinter.
Inwiefern strategisch?
Olaf Kleinschmidt: Man sollte ein Gesamtkonzept vor Augen haben, sich auch Gedanken über generelle Ziele und Entwicklungen machen. Was bedeutet die Anschaffung solcher digitaler Lerninstrumente z.B. für die Lehrerfortbildung, wer kann in der Region als strategischer Partner solche Aufgaben übernehmen oder wie beeinflusst die Einführung von interaktiven Whiteboards die Entwicklung einer andere Art des Lehrens und Lernens in unserem Bildungssystem? Im Grunde muss man als Anbieter den Einführungsprozess ein, zwei oder gar drei Jahre begleiten.
Sie haben Grundschul-Klassen in Sachsen-Anhalt mit Laptops ausgestattet. Bringt das etwas?
Olaf Kleinschmidt: Es ist toll, wozu Kinder imstande sind. Sie sind äußerst lernbegierig und stolz, weil sie in diesem Alter auch sehr gerne Arbeitsergebnisse präsentieren. Nach lesen, schreiben und rechnen lernen sehe ich die Fähigkeit einen Computer zu nutzen als vierte Grundvoraussetzung für gelungenes Lernen an.
Ein Whiteboard allein reicht also nicht?
Olaf Kleinschmidt: Ich sehe es als einen Bestandteil an, aber vernetztes, interaktives Lernen funktioniert noch viel besser, wenn die Kinder zum Beispiel zusätzlich mit Netbooks ausgestattet werden. Ich kann nicht nur individuell Aufgaben verteilen. Ich könnte Lernstandserhebungen auch elektronisch machen. Das Ergebnis wäre sofort da. Das schont Ressourcen bei den Lehrern, es ist direktes Feedback für die Schüler.
Wenn man Ergebnisse sofort ermittelt, dann sieht ein Lehrer auf einen Blick, dass fast niemand die Aufgaben 5 und 6 lösen konnte. Darauf ließe sich sofort eingehen. Lücken können direkt geschlossen werden.
Das hört sich effektiv an, ist dies in der Umsetzung nicht auch sehr teuer?
Olaf Kleinschmidt: Wenn sie eine herkömmliche Tafel ein-, zweimal aufarbeiten, dann ist sie genauso teuer wie ein Whiteboard. Und wenn sie ein Netbook finanzieren, kostet dies 10 bis 15 Euro im Monat. Ich habe gerade 120 Euro für Bücher der 5. Klasse ausgegeben, das betrifft meinen Sohn. Ich finde, das ist auch sehr viel Geld und reicht noch lange nicht für life long learning.
Nicht nur Grundschüler profitieren beim Lernen mit digitalen Medien, sondern offensichtlich auch Hauptschüler...
Olaf Kleinschmidt: Ja, es hat eine Studie der Bundesregierung gegeben mit dem Titel "Medienhandeln in Hauptschulmilieus". Das Ergebnis war, dass Jugendliche aus bildungsfernen Milieus durch digitale Medien in Lernszenarien zurück finden aber selbstbestimmt lernen wollen. Das ist eine ganz wichtige Erkenntnis. Allerdings frage ich mich, ob die Politik wirklich die Chancen erkennt, die sich dahinter verbergen.