Open-Access-Schulbuchreihe fördert flüssiges Lesen
Osnabrück, Juni 2019 - Mit einem innovativen Konzept zum Lesen- und Schreibenlernen geht die Schulbuchreihe "Die Kinder vom Zirkus Palope" zum neuen Schuljahr an den Start. An der Universität Osnabrück sind wichtige Teile des Konzepts entstanden und das eLearning-Zentrum begleitet nun die digitale Veröffentlichung als Open Educational Ressource (OER), die eine freie Nutzung, Weitergabe und Veränderung der Materialien erlaubt.
"Im Kern steht die Idee, dass Kinder von Anfang an flüssig lesen lernen sollen. Sie setzen nicht Wörter aus einzelnen Buchstaben-Lauten zusammen, sondern entdecken Strukturen wie Silben und Betonungsmuster und lernen von Anfang an, dass unsere Schrift klaren Regeln folgt," erläutert Dr. Tobias Thelen, stellvertretender Geschäftsführer des Zentrums für Digitale Lehre, Campus-Management und Hochschuldidaktik (virtUOS).
Er selbst arbeitet an dem Konzept mit, seit er 1995 an einem kognitionswissenschaftlichen Studienprojekt mit dem Osnabrücker Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Utz Maas und der Sprachdidaktikerin Prof. Dr. Christa Röber teilgenommen hat: "Wir haben daran mitgewirkt, sprachwissenschaftliche und computerlinguistische Erkenntnisse in ein für Kinder leicht verständliches System zu übertragen. Das hat funktioniert und viele Schulbücher haben seitdem Teile des Ansatzes übernommen, z.B. indem sie Silben einbeziehen. Das geschieht aber nicht konsequent genug, wir wählen einen strukturell ganz anderen Zugang zur Schrift."
Anfang August erscheinen die ersten Teile einer vollständigen Schulbuchreihe für den Deutschunterricht in der Grundschule, die von Christa Röber und zwei Lehrerinnen nach langer Praxiserprobung verfasst wurde. Auch Karin Winkler, langjährige Lehrbeauftragte im Fach Germanistik und ehemalige Lehrerin, verwendet das Konzept von Anfang und vermittelt es Lehramtsstudierenden der Universität Osnabrück. "Die Besonderheit besteht darin, dass Kinder einen kognitiven Zugang zur Schrift bekommen. Vor allem diejenigen, die Hilfe benötigen, z.B. Kinder nichtdeutscher Familiensprache, profitieren davon", erläutert die Pädagogin.
Die zweite Besonderheit der Schulbuchreihe ist die digitale Veröffentlichung unter einer freien und offenen OER-Lizenz, die eine kostenlose Nutzung, aber auch die Weitergabe und Veränderung erlaubt. "Auf diese Weise wollen wir dafür sorgen, dass das Konzept bekannt wird und wir die Skepsis der Schulbuchverlage widerlegen können, die das Marktrisiko eines solchen innovativen Konzeptes für zu hoch halten," erklärt Thelen.
Eine Einschränkung gibt es allerdings bei der Nutzung: Darauf aufbauendes Material muss wiederum selbst unter der gleichen freien Lizenz stehen. Thelen begründet diese Regelung: "So stellen wir sicher, dass das einmal geteilte Wissen frei nutzbar bleibt – ein Prinzip, das wir seit langem bei der Open-Source-Softwareentwicklung erfolgreich anwenden." Die Wirkung dieser neuen Distributionsform für Schulbücher werde virtUOS auch im Rahmen der Profillinie "Digitale Gesellschaft – Innovation – Regulierung" untersuchen, so Thelen weiter.
"Ein Schulbuch für die Grundschule kann es aber nicht nur digital geben," ergänzt Annelene Sudau, OER-Expertin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des virtUOS und berichtet: "Wir haben einen gemeinnützigen Verein gegründet, der gerade per Crowdfunding die Vorfinanzierung gedruckter Exemplare und die weitere professionelle Gestaltung der Materialien sicherstellen will."