Connected-Worker-Plattformen

Individuelle Weiterbildung durch KI für Industriearbeitskräfte

Carsten Hunfeld, Director EMEA, AugmentirHorsham (USA), Juli 2024 - (von Carsten Hunfeld, Director EMEA, Augmentir) Mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen bevorzugen heute Blended Learning-Angebote, wenn es um die Aus- und Fortbildung ihrer Belegschaft geht. 42 Prozent ziehen noch das gute alte Präsenztraining vor, so die TÜV-Weiterbildungsstudie 2024. Einen neuen Weg in der Vermittlung von Wissen und Softskills zeigen jetzt KI-gestützte Schulungsplattformen auf. Sie ermöglichen individuell auf jede Person zugeschnittene Trainings sowie Coachings on the Job.

Der Schulungsbedarf der Beschäftigten in Produktion, Montage und Wartung wird immer komplexer. Schließlich erfordern unternehmensübergreifende Lieferketten sowie laufende Änderungen bei Regularien und Vorschriften, dass Mitarbeitende ständig neu geschult werden. Gleiches gilt für die Einführung neuer Automatisierungstechnologien. Herkömmliche Ansätze wie Präsenztrainings, standardisierte Online-Kurse und das Verteilen der üblichen Standardarbeitsanweisungen (SOPs, Standard Operating Procedures) können da nur schwer mithalten. Sie sind schlicht zu unflexibel.

Für mehr Dynamik und Flexibilität in der Personalentwicklung sorgt der Einsatz von Machine Learning und smarten Algorithmen, die mit natürlicher Sprache arbeiten. Auf dieser Grundlage ermöglichen Connected-Worker-Plattformen derzeit ganz neue Ansätze in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung.

Mit KI das Training personalisieren

Schulung von der Stange war gestern: Personalentwicklung muss sich heute sowohl am Mitarbeitenden als auch an den aktuellen betrieblichen Gegebenheiten orientieren. Dabei kommen den Unternehmen die umfassenden Digitalisierungsanstrengungen der letzten Jahre zugute. Denn immer mehr Betriebe setzen Skill Management Software ein, um die Aufgaben und Fähigkeiten ihres Personals strukturiert zu erfassen. Dazu gehören die Rolle einer jeden Arbeitskraft, ihre Ausbildung, Zertifizierungen, ihr aktueller Kenntnisstand sowie die jüngste Praxis an bestimmten Anlagen oder Handarbeitsplätzen.

Darüber hinaus generieren Hersteller im Betrieb einen vielfältigen Fundus an Daten, die sie zum gezielten Aussteuern von Schulungen und Unterstützungsangeboten nutzen können. Das beginnt bei Messwerten und Status aus der IoT-Sensortelemetrie (Internet of Things) und reicht über Betriebsdaten bis hin zur Dokumentation der Compliance, etwa im Bereich Arbeitsschutz. Auch an Handarbeitsplätzen wird eine Fülle wertvoller Informationen gewonnen, erzeugt mit mobilen Geräten oder Wearables. 

Schulungsplattformen sind dank KI heute in der Lage, diese verschiedenen Datenströme zu erfassen, zu bereinigen und zu analysieren. Sie liefern Erkenntnisse über Qualifikationsdefizite, Schulungsbedarf und optimale Lernpfade – und zwar individuell für jedes Team und jede Arbeitskraft. Auf dieser umfangreichen Basis und mithilfe der KI entstehen so personalisierte Trainings- und Qualifizierungspläne.

Vom Plan zum Inhalt

Aber nicht nur Lernpläne lassen sich dank KI heute maßschneidern, sondern auch die präsentierten Inhalte und Formate. Denn mundgerechte Lernmodule, die auf die Bedürfnisse und Skills einer bestimmten Person zugeschnitten sind, können Kompetenzlücken deutlich gezielter füllen. Nach ersten theoretischen Grundlagen helfen dann Übungen, Tests und Simulationen, praktische Kompetenzen zu stärken, bevor der Mitarbeitende zu fortgeschritteneren Themen übergeht. Dieser datengestützte, hochpersonalisierte Ansatz beschleunigt das Lernen in ganz unterschiedlichen Funktionen und Bereichen, sei es in der Produktion, Wartung oder Montage, in Versand und Logistik.
Natürlich lassen sich über eine solche Connected-Worker-Plattform außerdem Updates zu Richtlinien oder Sicherheitsprotokollen schnell verteilen – in großem Umfang und dennoch zielgerichtet. Gleiches gilt für Compliance-Anforderungen und andere wichtige Neuigkeiten. Die Maxime: Jeder bekommt genau die Informationen, die er braucht – nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Der interaktive Tutor an der Front

Eine Trainingsplattform, die mit generativer KI arbeitet, leistet aber noch weit mehr als die personalisierte Verteilung von Trainingsinhalten. Sie unterstützt die Belegschaft darüber hinaus im täglichen Einsatz. Immer dann, wenn eine Frage auftaucht, bietet sie Hilfe. So können Mitarbeitende ihre Anliegen dem System in natürlicher Sprache schildern. Dieses reagiert dynamisch, indem es auf die jeweilige Situation zugeschnittene Antworten und Anleitungen liefert. Damit fungiert es auch als ständiger virtueller Coach und Tutor.

Ein Beispiel: Eine Mitarbeiterin an einer Fertigungsstraße fühlt sich unsicher bei der Bedienung einer bestimmten Maschine. In dieser Situation bittet sie um eine Schritt-für-Schritt-Anleitung. Die Antwort des KI-gesteuerten digitalen Coaches passt sich nun ihrer spezifischen Rolle an. Neben den damit verbundenen Berechtigungen berücksichtigt das System außerdem das Erfahrungsniveau und weitere Skills. Darauf abgestimmt liefert die KI der Arbeiterin ausschließlich für sie relevante Dokumentationen, Videos oder Simulationen. Situativ empfiehlt sie auch den direkten Kontakt zu einer Fachexpertin oder einem Vorgesetzten. So entsteht eine dynamische Lernumgebung mit maßgeschneidertem Coaching on the Job.

Die Hilfestellung funktioniert aber nicht nur auf Anfrage. Zögert ein Maschinenführer mehrfach länger oder springt er in einer digitalen Anleitung zwischen verschiedenen Schritten hin und her, bietet die KI aktiv detaillierteres Trainingsmaterial an. So wird erfahrenes Personal nicht mit zu vielen Details überfrachtet und erhält doch – nach Bedarf – die nötigen Informationen, um seine Arbeit schnell, zuverlässig und sicher zu erledigen.

Anders als oft vermutet, sind KI-basierte Tutoren jedoch nicht nur für die Vernetzung von Werkern und Facharbeitern hilfreich. Sie können auch Teamleiter, Manager und Ausbilder bei der Überwachung der täglichen Abläufe unterstützen und anleiten – sei es bei der Vorbereitung einer Besprechung, beim Analysieren von wesentlichen Prozessmetriken oder um sicherzustellen, dass die operativen Teams die SOPs einhalten.

Aufbau einer Kultur des kontinuierlichen Lernens

Dieser neue Schulungsansatz hebt sich noch durch einen weiteren Aspekt von herkömmlichen Herangehensweisen ab: Erstmals hat Aus- und Weiterbildung keinen definierten Anfangs- und Endpunkt. Industrieunternehmen etablieren stattdessen einen kontinuierlichen Fluss des Lernens für ihre Arbeitskräfte. Denn aus den Rückmeldungen und der Interaktion mit den Schulungsinhalten lassen sich Verbesserungen und Erweiterungen vorhandener Inhalte ableiten.
Systeme, die KI einsetzen, erkennen darüber hinaus völlig neue Anforderungen, die sie mit zusätzlichen Materialien abdecken. Ebenso führen Änderungen im betrieblichen Ablauf oder die Einführung neuer Technologien zu weiteren Schulungsmodulen, die dann mithilfe künstlicher Intelligenz ausgespielt werden.

Außergewöhnlich ist ferner, dass das virtuelle Coaching über die Schulung der typischen, technischen Fähigkeiten hinausgeht. Durch die KI-basierte Auswertung von Verhaltensdaten fördert es auch ergänzende Schulungspfade zur Stärkung zentraler Softskills – wie Problemlösung, Entscheidungsfindung, Teamarbeit und Kommunikation. Der Effekt dieses ganzheitlichen Ansatzes: Eine anpassungsfähige Belegschaft, die sich laufend weiterentwickelt und selbst mit schwierigen Herausforderungen im Berufsalltag souverän zurechtkommt.

Fazit

KI-gestützte, datengesteuerte Schulungsplattformen verändern ganz grundsätzlich die Art und Weise, wie Mitarbeitende in der Industrie neue Fähigkeiten erwerben oder ihre Kenntnisse festigen und vertiefen. Industrieunternehmen, die diese innovativen Möglichkeiten strategisch einsetzen, investieren in die Personalentwicklung der Zukunft.