Professionelle Strategien für die Lehre
Salzburg, März 2007 - (von Dr. Annegret Stegmann) Noch immer tun sich Hochschulen schwer, virtuelle Hörsäle in ihre Infrastruktur zu integrieren. Lösungen, um multimediale Lernumgebungen systematischer zu gestalten und in der Lehre zu implementieren, skizziert Prof. Joerg Zumbach, Universitätsprofessor für fachdidaktische Lehr-Lernforschung mit Schwerpunkt Neue Medien in Salzburg, im Gespräch mit CHECKpoint eLearning.
Lassen sich Schwierigkeiten bei übergreifenden eLearning Konzepten auf Schwächen in Medienkompetenz und Koordination zurückführen?
Prof. Zumbach: Nun, das Problem ist, dass man nicht von der Medienkompetenz einer Hochschule reden kann, da es sich bei Hochschulen (immer noch) um sehr heterogene Einrichtungen handelt, die z. B. in den seltensten Fällen eine übergreifende Unternehmensphilosophie haben. Auch im Zuge der Exzellenzinitiativen in Deutschland handelt es sich weniger um übergreifende, sondern primär sehr punktuelle Programme. Und genau das ist das Problem: Eine mangelnde Unternehmenskommunikation. So gibt es viele Einzelne, die versuchen eLearning zu implementieren, aber in den wenigsten Fällen eine Koordination, bzw. koordinierte Förderung.
Kann die Hochschule hier von wirtschaftlichen Unternehmen lernen?
Prof. Zumbach: Bei Unternehmen gibt es in der Regel eine homogenere Struktur, eine straffe Organisationsstruktur und eine Philosophie, welche das gesamte Unternehmen tragen muss. Außerdem wird betriebswirtschaftlich kalkuliert. Es geht dabei in der Personalentwicklung darum, dass alle Mitarbeiterinnen bestmöglich und natürlich auch kostengünstig geschult werden, um die Wettbewerbsfähigkeit und letztlich den Wert des Unternehmens zu halten und zu optimieren.
Solche Strukturen sind in der Hochschule kaum zu etablieren. Außerdem spielt es in der Regel auch keine Rolle, wenn eine Studentin oder ein Student durchfällt. Ob das Kosten verursacht, ist letztlich egal. Auch die Qualität der Lehre wird noch unzureichend in der Hochschule evaluiert.
Wie koordiniert die Universität Salzburg eLearning-Aktivitäten?
Prof. Zumbach: An der Universität Salzburg ist dies im Vergleich zu manch anderen Hochschulen eher besser geregelt, weil es ein Learning-Management-System gibt, auf das automatisch alle Lehrenden und Studierenden zugreifen können, die Erstellung von Kursen durch Personalentwicklungsmaßnahmen gefördert wird und auch Maßnahmen wie eTutorien oder die Umsetzung von analogen Kursen in digitale personell wie finanziell gefördert werden.
Welchen Ausweg liefert die "differentielle Indikation"?
Prof. Zumbach: Nun, die differentielle Indikation bietet keinen Ausweg, sondern ist der einzige Weg. Nämlich schlicht und ergreifend der, wie professionelle Lehre geplant, konzipiert und umgesetzt wird. Eine alternative Bezeichnung wäre Unterrichtsplanung oder Instruktionsdesign, bei welcher die differentielle Indikation integriert ist.
Zur Planung von Unterricht muss ich mir die Merkmale von Studierenden (Vorwissen, Kompetenzen, Bedürfnisse, Zugang zum Internet etc.), die (Lehr-)Ziele meines Unterrichts oder Faches, die Anforderungen an die Bedeutsamkeit dieser Ziele, die didaktische Methode in Passung mit dem Inhalt und den Zielen und den am besten geeigneten Medien beschaffen. Erst aus der "kunstvollen" Komposition dieser Merkmale kann gute Lehre resultieren - dazu gehört auch eine stete Evaluation, ob das so passt.
Kann das "Instruktionsdesign" auch bei der didaktischen Gestaltung eines einzelnen Lernprogramms angewendet werden? Etwa, um zu entscheiden, ob nicht-lineare Informationsarchitekturen wirksamer sind als lineare?
Prof. Zumbach: Nicht-lineare sind nicht immer wirksamer als lineare. Zumeist ist es eher umgekehrt. Das hängt eher davon ab, welches Vorwissen die Lernenden mitbringen (mit hohem Vorwissen profitiert man eher von nicht-linearen Informationsmedien) und wie die Informationen designt sind. Ein schlechtes Lehrbuch oder ein schlechtes Hypermedium sind beide problematisch.
Vielmehr lassen sich didaktisch inszenierte Hypermedien dazu einsetzen, einseitige Denkweisen zu vermeiden und kognitive Flexibilität zu fördern - in komplexen Inhaltsbereichen. Erst wenn eine Aufgabe eine gewisse Komplexität aufweist (z.B. das Verfassen einer Hausarbeit), weisen Hypermedien Vorteile auf, weil die dieser nicht-linearen Aufgabenform gerecht werden. Dann verschwindet auch der Nachteil des Cognitive Overhead, weil er auch bei der offline-Aufgabe gegeben ist und das Printmedium hier nichts kompensieren lässt.
Was bedeutet Cognitive-Overhead?
Prof. Zumbach: Mit Cognitive Overhead ist ein Phänomen addressiert, das sich wie folgt erklären lässt: Unser Arbeitsgedächtnis -auch das Kurzzeitgedächtnis - hat eine begrenzte Aufnahmekapazität (7 +/- 2 Informationseinheiten) und Speicherdauer (Sekunden bis Minuten). D.h. die Anzahl an Informationen, die wir gleichzeitig bearbeiten können, ist begrenzt.
Muss ich mir beim Navigieren in nicht-linearen Informationsmedien Gedanken darüber machen, wie ich wo hinkomme und wie ich was finde, dann nimmt das schon Ressourcen weg, die für die eigentliche Informationsverarbeitung nicht mehr zur Verfügung stehen − der Overhead also − das gleiche Problem tritt z.B. auf, wenn man gleichzeitig liest und Radio hört.