Führungskultur und Entscheidungs-Matrix
Bonn, Januar 2021 - Dass die von Mitarbeitern anerkannte Führungskultur und Wertschätzung nicht nur in Krisenzeiten maßgeblicher Employer Branding Faktor von Unternehmen ist und zu den wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren gehöre, sei in den Führungsetagen zwar angekommen, in den meisten Fällen jedoch eher ein Lippenbekenntnis, sagt Dr. Johanna Dahm. "Die meisten sind eher führungsmüde und erwarten gerade von neuen, aber auch Bestandsmitarbeitern Begeisterung und unternehmerisches Denken, das sie aber selbst weder gelernt noch weitergegeben haben. Tatsächlich selbst als konstantes Vorbild und Coach zu fungieren, ist den meisten Vorgesetzten schlicht zu anstrengend. Doch genau das brauchen Mitarbeiter jetzt."
Die Ausbildung eines Deutschen Managers im internationalen Vergleich fällt mit ca. sieben Tagen pro Jahr um die Hälfte kürzer aus als die in anderen Ländern. Zwar zahlen Deutsche Unternehmen mit ca. 2.278 Euro pro Kopf doppelt so viel wie Arbeitgeber anderer Länder die wiederum nur 1.200 Euro. Deutschland wurde im Rahmen der Studie 'Best Practice in Management Development' mit Dänemark, England, Frankreich, Norwegen, Rumänien und Spanien, insgesamt 700 Unternehmen verglichen.
Das geringere zeitliche Investment in Deutschland Führungskultur korreliert mit einem niedrigen Führungsindex: Führungskräfte werden durch ihre Mitarbeiter schlecht bewertet, wenn es um emotionales, soziales und auch ethisches Verhalten geht. Gerade in der Zeit des absoluten Umbruchs wie unter Covid-19 stehen die Charaktereigenschaften von CEOs, Inhabern von Schlüsselpositionen und allen Managern auf dem Prüfstand, die Change Management und Neuorganisation nicht aktiv und engagiert angehen.
Was konkret zeichnet nun führungsfähige Vorgesetzte aus, was kommunizieren, kollaborieren und kooperieren diese? Und wie können Unternehmen JETZT Führung und Begeisterung seitens des Managements steigern, um Erfolgsfaktoren wie Sicherheit, Zufriedenheit, aber auch Leistungsbereitschaft sicherzustellen? Dahm zweifelt nicht an der generellen Kompetenz der Führungskräfte, doch von ihrem tatsächlichen Wollen ist sie nicht überzeugt: Viele Manager seien krisenträge geworden, darum müssen Führungsbereitschaft und Mitarbeiterorientierung zu einem Managemententschluss werden wie in anderen Ländern auch – und der Weg Begeisterungsfähigkeit stehe jeder Firma offen.
"Gerade weil aktuell alle Betriebe den Anforderungen bestehender und neuer Märkte mit vereinten Kompetenzen begegnen müssen, zeigt sich, wer Mitarbeiter motivieren, binden, halten kann und wer eben nicht. Nur weil anderen Unternehmen bereits in Leadership investiert haben, ist das kein Argument, jetzt nicht damit anzufangen. Und die Begeisterung der Mitarbeiter ist nun einmal der Index, ob Markt- und Kundenbedürfnisse getroffen werden und das Unternehmen überlebt", ist ein Fazit ihres Vortrags "Menschen führen und begeistern".
Laut Dahm sind die meisten Führungskräfte keine Entscheider und setzen darum die verkehrten Prioritäten "9 von 10 Führungskräften treffen gar keine Entscheidungen und agieren wie Fachkräfte", betont sie. Umgang mit Personal, Delegation und Vertrauen sind kaum ausgebildet, die strategische Weitsicht fehlt. Daraus resultieren schlechte Mitarbeiterbewertungen, der fragwürdige Ruf bei Kunden, die hohe Fluktuation, Compliance-Themen und die grundsätzliche Demotivation, erzählt Dahm. Die eigenen lokalen wie globalen Studien haben die international erfahrene Speakerin zu der Erkenntnis geführt, dass die Führungsentwicklung nicht nur nötig für die massive Motivation der Mitarbeitenden sei, sondern der Chancenverstärker im Change Management.
Erst entscheiden, dann agieren
86 Prozent der Mitarbeitenden fühlen sich durch ihre Vorgesetzten überfordert. Sie beklagen den rabiaten Umgangston, aber vor allem die vernachlässigten internen Systeme und die unklare Delegation, das Nicht-Geschehen von klarer Kommunikation. Trotz digitaler Möglichkeiten wie Projektmanagement-Tools stecken viele Unternehmen hier noch völlig in den Kinderschuhen, nutzen Services weder zur internen transparenten Arbeitserleichterung noch zur externen Kundenkommunikation. "Immer häufiger brechen Kandidaten ihrerseits Bewerbungsverfahren ab, weil sie die Infrastruktur des Unternehmens als rückständig erkennen und gehen zum Wettbewerb.
Hier geht es nicht mehr um Gehaltsvorstellungen, sondern um Entfaltungsmöglichkeit. Der Arbeitgeber muss sich dringend die Frage stellen, wie er gleich beim Bewerbungsgespräch eine Candidate Experience schafft, die den Kandidaten begeistert. Wie er im Unternehmen ein Umfeld schafft, das konkurrenzfähig bleibt. Weil nur das heute und in Zukunft wirtschaftlich verantwortlich für Mensch und Unternehmen ist. Aber die meisten Entscheider machen da noch immer einen Rückzieher", so Dahm.
Doch Johanna Dahm hat es Zeit ihrer Laufbahn mit veränderungsresistenten Managern zu tun. Der Beraterin stammt selbst aus einem Mehrgenerationen-Unternehmen, allein darum ist es ihr ein persönliches Anliegen, das Führungsmodell der Old Economy aufzubrechen. "Natürlich sollen Unternehmen ihren Wettbewerbsanspruch nicht verlieren, aber die persönlichen Merkmale des Managements bedürfen der Generalüberholung, intellektuell, emotional, sozial und eben auch ethisch", weiß Dahm sowohl aus ihrer Zusammenarbeit mit Konzernen wie KMU. Welche Entscheidungen das Management hinsichtlich Mitarbeiterführung treffen muss, wie Kompetenzen beteiligt, Kooperation gefördert und Klarheit, Strategie und Vision für Gegenwart und Zukunft gesetzt werden müssen, legt sie in ihrer neuen Publikation "Die Entscheidungs-Matrix" dar, die im Februar im Springer-Verlag Heidelberg erscheint.
Offen spricht Dahm sich durch alle Unternehmensgrößen und Sparten durchziehende Tendenz zum Aufschub von Entscheidungen an, ja sogar die Bereitschaft zum Schönreden nicht getroffener Beschlüsse und nicht eingehaltener Versprechungen. "Die Diskrepanz zwischen Sagen und Machen, zwischen dem Erkennen von Missständen und Umsetzen versprochener Handlungen macht Unternehmen gegenüber Kunden und Kandidaten jedoch immer unberechenbarer. Wir müssten endlich damit aufhören, uns Bilanzen und Nicht-Handeln schön zu reden und damit Führungsschwäche zu entschuldigen", sagt Dahm.
Die seitens Mitarbeitern und auch Kunden an das Management gestellten Forderungen kennt sie ganz genau, die Auswirkungen bei Nicht-Nachkommen auf die Arbeitgebermarke über Ansehen in der Öffentlichkeit bis zum Aktienkurs gleichermaßen. Sie appelliert daran, dass stattdessen Ehrlichkeit und Entschlusskraft zu Unternehmenswerten erhoben werden.
Dass die Top Drei Agendapunkte Demografie, Digitalisierung und Diversität in Deutschlands Unternehmen so vernachlässigt werden, sei eine Unterlassung und komme auf viele Betriebe jetzt wie ein Bumerang zurück: "Seit Ende der 90er Jahre sprechen wir über diese Themen und warten auf ein Wunder, einen Beschluss von oben", sagt Dahm, "dabei sind Bertiebe für die Beschäftigungsbefähigung und den Wissenstransfer aller Generationen, die dauerhafte Innovation und die Einbindung von Kundenbedürfnisse weit über die Geschlechterfrage hinaus eindeutig selbst verantwortlich."
Return on Investment neu definieren
Profitabilität muss durch die Entwicklung einer Führungskultur, die Talententwicklung und Delegation von Verantwortlichkeiten konsequent auf- und ausgebaut werden, so lautet Dahms konkrete Empfehlung. Wer die Chance in Führung und Begeisterung erkenne, der müsse das aktiv und nachhaltig tun. Maßnahmen dürfen keine Lippenbekenntnisse oder halbherzig verfolgte Initiativen bleiben, sondern als Entscheidung kommuniziert, in Teams mit Ideen und Entschlusskraft manifestiert und auch dem Kunden gegenüber spürbar gemacht werden. Dabei dürfe nicht zurückgerudert werden, selbst wenn es in den Anfängen schwerfallen dürfe. Natürlich behaupten die meisten Führungskräfte, mitarbeiterorientiert zu sein, meinen damit aber die nach Gießkannenprinzip verteilten Trainings, den Tankgutschein, das on top vergebene Projekt und natürlich die Weihnachtsfeier.
Diese Auflistung ist typisch für über 90 Prozent deutscher Unternehmen und skizziert das Problem: Weder besteht für Mitarbeiter die Chance auf eine Entwicklungs- oder gar Laufbahnplanung, allenfalls werden sie durch zusätzliche Programme ausgebrannt. Erfolge gehen im Betriebsalltag unter, der Fokus liegt auf Tagesumsatz und Fehlerbehebung. "Führungskultur muss dringend zum messbaren Erfolgsfaktor einer jeden Firma werden, an dem sich der ROI ausrichtet", so Dahm. Die Aktualität: gestiegene Krankheitstage wegen psychischer Überforderung, vernachlässigter Delegation, mangelnder Führungsqualifikation und damit vermeidbare Kosten, glaubt Dahm.