Welche Trends bestimmen L&D und Corporate Learning?
Berlin, Dezember 2022 - Die Aus- und Weiterbildung durchläuft derzeit eine Phase grundlegender Veränderungen. Neue Herausforderungen wie Digitalisierung, zunehmende Diversität und Fachkräftemangel erfordern neue Lösungen. Gleichzeitig machen ein deutlicher Trend zu mehr Home Office und die Einbindung neuer Zielgruppen ein Umdenken in der Art und Weise notwendig, wie das Corporate Learning konzipiert und umgesetzt werden kann. Um die richtigen Lösungen zu finden und anzuwenden, sollten wir zunächst die wichtigsten Trends identifizieren und die Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildung kennen.
Bereits im Jahr 2019 kommt ein Artikel in der Harvard Business Review zu dem Schluss, dass die derzeitigen L&D-Praktiken ineffektiv und nicht auf reale Situationen zugeschnitten sind. Dreiviertel der 1.500 befragten Führungskräfte waren mit der Personalentwicklung ihres Unternehmens unzufrieden. Und 70 % der Mitarbeiter*innen gaben an, dass sie nicht über das erforderliche Fachwissen verfügen, um ihre Arbeit zu erledigen. Obwohl diese Daten etwas älter sind, ist ihre Aussage immer noch glaubwürdig. Denn es gibt keinen Hinweis darauf, dass sich in der Zwischenzeit vieles geändert hat.
Umso wichtiger wird in Zukunft die Bedeutung von L&D im Unternehmen, insbesondere die Ableitung von den Unternehmenszielen – eine Top-Down-Aufgabe. Bisher sah das wohl anders aus: Nur 27 % der L&D-Profis haben Vorgesetzte, die sich aktiv für das Lernen einsetzen, so LinkedIn´s Workplace Learning Report. Lernkultur beginnt an der Spitze. "Wenn sich die Führungskräfte für das Lernen einsetzen, sind die Auswirkungen weithin sichtbar." bestätigt Philip Gienandt vom Sprachtrainingsanbieter LinguaTV GmbH.
Technologischer Fortschritt und die Auswirkungen der Pandemie verändern den Arbeitsmarkt grundlegend. Bis 2025 sollen 85 Millionen Arbeitsplätze wegfallen, parallel werden 97 Millionen neue entstehen. Damit steigt auch die Notwendigkeit ganz neue Kompetenzen zu schulen. Der Trend zum home office verändert die Art und Weise wie Schulungen konzipiert und umgesetzt werden. Hinzu kommt der Fachkräftemangel als eine weitere große Herausforderung für Unternehmen: Stellen, die unbesetzt bleiben, verhindern Umsatz, Wachstum.
Neue Mitarbeiter*innen - insbesondere die aus dem Ausland Kommenden - müssen nicht nur am Arbeitsplatz sondern auch privat in Deutschland integriert werden. Daher gilt: Verständigung erfordert eine gemeinsame Sprache – gute Kommunikationsfähigkeiten sind der Schlüssel zum Erfolg. Neben Sprachkursen werden auch das Management von zunehmender Diversität und Inklusion wichtige Themen.
Viele sehen den Fachkräftemangel (74%) als die größte Herausforderung für ihr Unternehmen, gefolgt von der Corona-Pandemie (67%) und dem Digitalisierungsdruck (57%), so eine Studie der Bitkom Akademie. Für sie ist die Relevanz von Weiterbildung insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels enorm hoch. Für 84% ist Weiterbildung ein relevantes Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers.
Trotz Pandemie, Ukraine-Krieg und möglicher Rezession investieren Unternehmen auch in Krisenzeiten weiterhin in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden: Die Mehrheit der Führungskräfte (54%) glaubt, dass die Weiterbildungsbudgets konstant bleiben werden, 24% der Befragten sehen, dass die Weiterbildungsbudgets ansteigen, wohingegen sie bei nur 22% sinken.
Und laut dem LinkedIn Workplace Learning Report werden diese Budgets in Zukunft verstärkt für Online-basiertes Lernen ausgegeben. Die Online-Schulung ermöglicht eine ganz neue Art des selbstgesteuerten Lernens, orts- und zeitunabhängig: eine Lernbibliothek im Stil von Netflix auf Abruf.
Die Pandemie und der sich durchsetzende Trend zum Home Office werden den Siegeszug digitaler Trainingsformate weiter unterstützen. Es ist absehbar, dass es deutlich weniger klassische Präsenztrainings ohne Erweiterungen (Blended Learning) geben wird. Allenfalls hybride Lehr-Lernarrangements werden zunehmen. Es wird mehr in flexible und modulare Bildungsangebote investiert, die sich orts- und zeitunabhängig genutzt werden können.
Micro Learning ist ein gutes Beispiel: Kurzes Lerneinheiten von fünf bis zehn Minuten Dauer werden stunden- oder tagelange Qualifizierungsmaßnahmen ablösen, weil sie sich viel einfacher in den Alltag der Lernenden integrieren lässt – am besten noch in Verbindung mit Lern-Apps auf mobilen Endgeräten (mobile learning), die (fast) jede/r immer und überall dabeihaben.
Was aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen zu kurz kam, ist der soziale Aspekt des Arbeitens: Kontakt und Kommunikation zu Kollegen. Dies wird in Zukunft wieder wichtiger – insbesondere auch im Training. L&D und Bildungsanbieter können in Zukunft darauf achten, dass social learning als Form des Lernens vermehrt angeboten wird. Denn community-basiertes Lernen führt auch zu einem höheren Engagement. Die Daten von LinkedIn Learning ergaben, dass diejenigen, die soziale Funktionen nutzten, 30-mal mehr Stunden an Lerninhalten sahen als diejenigen, die dies nicht taten.
Dementsprechend wichtiger wird Learning Analytics - die Erhebung und Auswertung von Lerndaten, insbesondere von Lernerfolgen. Innovative Unternehmen setzen Experten innerhalb der Personalabteilung für die Erfassung von Kompetenzen und Erfolgskontrollen ein.
Fazit:
Die Aus- und Weiterbildung ist grundsätzlich ein entscheidender Hebel für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Egal, ob als Attraktivitätskriterium für die Wahl des Arbeitgebers, für den Erwerb kritischer Kompetenzen und Fähigkeiten der bestehenden Belegschaft oder die Schulung neuer Fachkräfte von außerhalb, z.B. aus dem Ausland: Wer Personal gewinnen und binden will, muss auch in Zukunft – und insbesondere in Krisenzeiten - in Weiterbildung investieren. Dabei ist vor allem eines klar: Ein zurück zum Status Quo vor der Pandemie mit ausschließlicher Fokussierung auf reine Präsenzveranstaltungen ist sehr unwahrscheinlich. Digitale Trainingslösungen sind die neue Normalität.