Noch kein Alltag: eLearning in der Hochschule
Hamburg, November 2007 - (von Martin Vogel, Multimedia Kontor Hamburg GmbH) Trotz jahrelanger Diskussion und Förderung bestimmen noch immer innovative Persönlichkeiten und "Pioniere" die akademische eLearning-Szene. Kurzum: eLearning ist bisher weder zum erhofften "Massenphänomen" an deutschen Hochschulen geworden noch alltäglicher und essentieller Bestandteil der Hochschullehre.
Aktuelle Initiativen und (Förder-)Maßnahmen zielen daher stärker darauf ab, die Nutzergruppen für eLearning schrittweise zu vergrößern und die entsprechenden didaktischen Szenarien nachhaltig in der Alltagskultur der Hochschule zu verankern.
Ein solcher Wandel vom punktuell ergänzenden Einsatz von eLearning-Elementen hin zur Förderung einer neuen Lehr- und Lernkultur, in der die didaktischen Potenziale von eLearning aktiv und selbstverständlich in der Lehrpraxis genutzt werden und eLearning curricular verankert wird, wird jedoch nur möglich, wenn eLearning als ein Service im Rahmen der allgemeinen IT-Dienste-Infrastruktur von Hochschulen verstanden und entsprechend mit dieser verzahnt wird. Damit verbunden ist die Notwendigkeit einer Skalierbarkeit von Lösungen, die wiederum eine Professionalisierung der dafür notwendigen Support- und Service-Infrastrukturen voraussetzt.
Daraus lassen sich zwei grundlegende Handlungsfelder ableiten: die Notwendigkeit der Etablierung einer neuen Lehr- und Lernkultur ("Learning-Awareness") unter Berücksichtigung der dafür erforderlichen IT-Infrastruktur. Beide Handlungsfelder - "Awareness" und "IT-Infrastruktur" - setzen einander voraus. Ohne die erforderliche technologische Infrastruktur und Organisation werden sich eLearning-Angebote an den Hochschulen nicht nachhaltig etablieren. Mangelt es andererseits an der Bereitschaft der Lehrenden und Studierenden, die neuen Lerntechnologien im täglichen Betrieb einzusetzen, so werden auch die besten technologischen Infrastrukturen keine Innovationseffekte erzielen.
Ein Projekt, zwei Baustellen:
Innovation der Organisationskultur und Optimierung der IT-Infrastruktur im Rahmen des KoOP-Projekts
Im Rahmen des BMBF-geförderten Verbundprojekts KoOP ("Konzeption und Realisierung hochschulübergreifender Organisations- und Prozessinnovation für digitales Studieren an Hamburgs Hochschulen") wird noch bis Ende 2007 eine solche ganzheitliche Strategie verfolgt. Unter dem gemeinsamen Dach des KoOP-Projekts wurden seit 2005 verschiedenste Initiativen zur Innovation organisationskultureller Prozesse und infrastrukturell-technologischer Strukturen und Verfahren am Hochschulstandort Hamburg vereint.
Im Kontext eines solchen Entwicklungsprozesses ist das KoOP-Projekt angetreten, die an Hamburgs Hochschulen vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen für das digitale Studieren (eLearning) effektiv zu vernetzen und zu bündeln, mit dem Ziel einer nachhaltigen Qualitätsverbesserung der Lehre.
Das Projekt verfolgte dabei zwei Strategien: die Sicherung des IT-Managements rund um die Entwicklung und Nutzung digitaler Lernmaterialien und Infrastrukturen, sowie die Etablierung einer neuen Lern- und Lehrkultur, in der Lehrende die didaktischen Potenziale des Internets und eLearnings aktiv und selbstverständlich nutzen. Einige ausgewählte Maßnahmen, die während des Projekts entwickelt und durchgeführt wurden, sollen hier exemplarisch vorgestellt werden.
Im Projektverlauf wurde eine Bestandsaufnahme der aktuell eingesetzten (eLearning-)Systeme und Verfahren vorgenommen. Auf dieser Basis wurden Empfehlungen und Pläne für eine weitgehend hochschulübergreifende Interoperabilität der Informationstechnologie entwickelt, wobei eine nachhaltige Organisation und Qualitätssicherung der IT-basierten Prozesse angestrebt wurde. Ergänzend wurden praxisnahe Angebote für Lehrende wie z.B. Workshops, eLearning-Datenbanken und Wikis gemacht. Im Rahmen des Programms wurden zudem Fachbereiche und Fakultäten bei der Entwicklung von eLearning-Strategien beraten, sowie verschiedene Anreizsysteme erprobt.
Ein erfolgreiches Beispiel für ein solches Anreizsystem bietet das "eLearning-Barometer" der Universität Hamburg (siehe Abb.1): Hier wird, aufgeschlüsselt nach Fakultäten, der Teil der Lehrveranstaltungen abgebildet, der eine der beiden vom Regionalen Rechenzentrum der Uni Hamburg betreuten eLearning-Plattformen (WebCT und Commsy) aktiv in die Lehre integriert. Gezeigt wird sowohl der prozentuale Anteil der eLearning-Kurse am gesamten Lehrangebot der jeweiligen Fakultät, als auch der Vergleich unter den Fakultäten über das Semester.
Auf diese Weise wird quantitativ deutlich, an welchen Fakultäten die beiden eLearning-Plattformen WebCT und Commsy zur Unterstützung von Lehrveranstaltungen eingesetzt werden. Über den Semestervergleich wird zudem die Dynamik des Integrationsprozesses an den Fakultäten ablesbar.
IT-Services für die digitale Lehre
Im Rahmen der Bemühungen um eine Verbesserung der IT-Infrastruktur und Professionalisierung der unterstützenden IT-Services wurden ebenfalls eine Reihe von Maßnahmen entwickelt und erfolgreich durchgeführt, so z.B. im Bereich des Managements von digitalen Identitäten.
Bislang findet eLearning zumeist getrennt von anderen IT-gestützten Verfahren der Hochschulen statt: So existieren häufig getrennte Benutzerverwaltungen für die eingesetzten Lernplattformen: Nutzer mehrerer Plattformen benötigen in einem solchen Fall zwei separate Benutzeraccounts. Zugleich wird dadurch verhindert, dass aus einem Lern-Management-System (LMS) heraus auf Veranstaltungs-, Studierenden- oder Prüfungsdaten zugegriffen werden kann - da Accountdaten in getrennten Datenbanken vorgehalten werden, wird so z.B. die Online-Anmeldung zu Veranstaltungen und Prüfungen unmöglich.
Die damit verbundene redundante Datenhaltung verursacht bei Lehrenden und Verwaltungsmitarbeitern nicht nur erheblichen Mehraufwand, sondern hat zudem für die Studierenden zeitaufwändige und umständliche Anmeldeverfahren zur Folge.
Da die eingesetzten IT-Systeme sowohl im eLearning-Bereich (Lernplattformen), als auch bei den Verfahren zur Veranstaltungs-, Studierenden-, Zulassungs- und Prüfungsverwaltung bislang kaum über geeignete Schnittstellen verfügen, muss künftig sichergestellt werden, dass sich die - zumeist historisch gewachsene - IT-Infrastruktur der Hochschulen nicht weiter auseinander entwickelt, sondern stärker integriert wird und eine Nutzung von eLearning ohne Mehraufwand im Zusammenspiel mit anderen IT-gestützten Geschäftsprozessen der Hochschulen möglich wird.
Ein mögliches Lösungsszenario für die Überwindung der Heterogenität der IT-Infrastrukturen und die stärkere Verzahnung von unterschiedlichen IT-Systemen bietet die Einführung von Identity Management Systemen (IDM). Im Rahmen des KoOP-Projekts wurden an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und der Universität Hamburg hochschuleigene IDM-Systeme (Corporate Directories) aufgebaut.
Damit wird - zunächst einmal auf hochschulspezifischer Ebene - die Grundlage für eine stärkere Verzahnung und Integration von Verwaltungs- und eLearning-Systemen geschaffen. Darüber hinaus bauen die Hamburger Hochschulen im Zuge eines Nachfolgeprojekts einen hochschulübergreifenden Verzeichnisdienst für den Hochschulstandort Hamburg auf, in dem nicht nur grundlegende Verfahren für das Management von Identitäten etabliert werden sollen, sondern auch der Zugang zu den digitalen Lernressourcen der beteiligten Hochschulen vereinfacht werden soll. Die prototypische Umsetzung eines hochschulübergreifenden eLearning-Szenarios, verbunden mit dem Austausch von Identitäten, erfolgt noch im Rahmen des KoOP-Projekts.
Qualitätssicherung digitaler Lernangebote: Der Hamburger Referenzrahmen
In der Praxis lässt sich die Anwendung von qualitätssichernden Maßnahmen bei digitalen Bildungsangeboten auf ein einfaches und ernüchterndes Prinzip reduzieren: Die Qualität des Lernangebots wird ex post über die Erhebung des Lernerfolgs und der Kundenzufriedenheit überprüft.
Bei der Entwicklung des Lernangebots erfolgt ein Rückgriff auf Best Practices, also auf Methoden und Strategien, die sich in der Praxis bewährt haben. So simpel diese Annäherung an die Qualitätsentwicklung und -sicherung erscheinen mag, so komplex und umfangreich sind jedoch die zur Verfügung stehenden Instrumente und Ansätze. So stehen den Lehrenden allein in diversen Datenbanken inzwischen weit über 2.000 Kriterien zur Qualitätsbewertung von digitalen Lernangeboten zur Verfügung.
Die Qualität der Lehre ist objektiv nicht messbar - und kann es auch nicht sein. Zugleich haben jedoch alle an Bildungsprozessen beteiligten Akteure, aus nachvollziehbaren Gründen, ein gesteigertes Interesse an der Bereitstellung qualitätsgesicherter Lehre. Einen Ausweg aus diesem Dilemma kann die Konzentration auf die wenigen (nahezu) objektiv messbaren Indikatoren des Lehrbetriebs darstellen, die vor allem im Bereich der IT-Infrastruktur und Service & Support-Leistungen zu finden sind - einen vielversprechenden Ansatz bietet der Hamburger Referenzrahmen zur Qualitätssicherung von digitalen Lernangeboten.
Verwaltungsintegration und prozessorientiertes IT Service Management -
Zwei entscheidende Kriterien für die Qualitätssicherung von eLearning-Angeboten
Das Multimedia Kontor Hamburg entwickelt im Rahmen des KoOP-Projekts, gemeinsam mit dem Zentrum für Hochschuldidaktik und Weiterbildung der Universität Hamburg (Prof. Rolf Schulmeister) und dem Institut für Informationsmanagement Bremen (Prof. Andreas Breiter), einen Referenzrahmen zur Qualitätssicherung von digitalen Lernangeboten, der die Formulierung von Mindestanforderungen für Didaktik, IT-Infrastruktur und Service & Support in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt.
Die Qualitätskriterien sind hierbei in Szenarien eingebettet, die jeweils eine didaktische und technische Dimension besitzen. Als Ausgangspunkt für die Szenariengestaltung wurden vier Kernprozesse der Hochschullehre definiert, die sich aus den Bologna-Zielen ergeben: Betreuung, Lehre/ Wissensvermittlung, Prüfung und Praxisbegleitung. Die Qualitätssicherung der Kernprozesse soll dabei vier Qualitätsdimensionen berücksichtigen (siehe Abb.2): Didaktik, IT-Infrastruktur, IT-Service und Support, und Lehrkompetenz/ eCompetence.
Für jeden Kernprozess wurden didaktische Szenarien entwickelt und beschrieben. Damit verknüpft sind Empfehlungen zur Fortbildung des Lehrpersonals (Beschreibung der notwendigen eCompetence). Ausgehend von den didaktischen Szenarien werden die zur Umsetzung notwendigen Mindestanforderungen an IT-Infrastruktur, Service und Support (IT) und die IT-Schulung formuliert. Ergänzt wird das jeweilige Szenario durch Aussagen über den Grad der Verwaltungsintegration (Anbindung von eLearning an die IT-gestützten Verwaltungsprozesse).
KoOP - entscheidende Impulse für die Weiterentwicklung des eLearnings am Hochschulstandort Hamburg
Auch wenn im Rahmen eines zeitlich begrenzten Projekts kaum eine vollständige "Kulturrevolution" erreicht werden kann, so viel lässt sich, kurz vor Ende des Projekts, bereits sagen: KoOP hat zahlreiche wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der digitalen Lehre am Hochschulstandort Hamburg geben können.
Zentrale Initiativen, wie z.B. die hier beschriebenen Teilprojekte aus den Bereichen IDM und Qualitätssicherung, werden in verschiedenen hochschulübergreifenden Folgeprojekten weitergeführt. Kurzum gesagt: Hamburg baut weiter am digitalen Campus der Zukunft.