"Mehr interaktive Materialien entwickeln"
Zusmarshausen, September 2013 - In Großbritannien sind mehr als drei Viertel der Klassenräume mit interaktiven Whiteboards ausgestattet. Hierzulande liegt die Ausstattung unter 20 Prozent. Deutschland hat Nachholbedarf, findet Lehrer und eLearning-Veteran Jürgen Schlieszeit. Jürgen Schlieszeit ist Lehrer, Medienpädagoge und der Experte für interaktive Whiteboards und Medien im Unterricht. Er veröffentlichte bereits zahlreiche Bücher rund um das Thema und er gründete das erste deutsche unabhängige Internetportal für interaktive Whiteboards und Medien.
An was scheitert die Einführung von Whiteboards typischerweise?
Jürgen Schlieszeit: In erster Linie am Geld. Zudem ist es noch immer ein größerer Aufwand, sich in ein völlig neues, wenn auch multimediales Medium, einzuarbeiten. Meist sind die jungen Kollegen mehr aufgeschlossen: Sie nutzen den Computer intensiv, haben ein Smartphone und oft ein Tablet. Aber ich habe auch Kollegen, die kurz vor der Pensionierung noch einmal komplett etwas Neues für ihren Unterricht lernen wollen und sich intensiv mit dem interaktiven Whiteboard und dessen Möglichkeiten auseinandersetzen.
Welche Voraussetzungen müssen Whiteboard-Nutzer mitbringen?
Jürgen Schlieszeit: Lehrende sollten Grundkenntnisse in der Bedienung eines Computers besitzen. Funktionen wie drag & drop, "kopieren und einfügen" oder Kenntnisse zu Dateiformaten sollten bekannt sein. Ebenfalls sollten sie mit den Office-Programmen und dem Internet vertraut sein. Das war‘s. Die Lernenden lassen sich sehr schnell auf das neue Medium ein und möchten möglichst oft und selbst damit arbeiten.
Wie wird sich der der Einsatz von White Boards künftig weiterentwickeln?
Jürgen Schlieszeit: Ich denke, dass in den kommenden fünf bis zehn Jahren die interaktiven Whiteboards in heutiger Form, also als große Bretter mit ausladender Höhenverstellung und klobigen Projektoren, die aufwendig installiert und montiert werden müssen, das Zeitliche segnen. Die Generation der interaktiven Displays wird bald so schultauglich und kostengünstig sein, dass sich Schulen für dieses Medium entscheiden. Vielleicht gibt es schon recht bald eine neue Generation von Lichtprojektion auf Glasplatten, die wir einfacher im Klassenzimmer installieren können. Neugeräte, wie das LEAP Motion zeigen, wohin die Reise gehen kann. Damit können allein durch Gestensteuerung Computer und Anwendungen bedient werden.
Was braucht es, um das Potenzial von Whiteboards für die heutigen Schüler zu heben?
Jürgen Schlieszeit: Die Verlage müssten mehr interaktive Materialien entwickeln, die schulbuchbegleitend bzw. curricular eingesetzt werden können und diese online zur Verfügung stellen. Wer kauft heute noch eine CD-ROM, die dann im Schulhaus nicht auffindbar ist oder umständlich installiert oder durchforstet werden muss? Da bietet es sich an, einfach Verlinkungen durch den Lehrer in seinem Tafelbild zu erstellen, die dann bei Bedarf aufgerufen werden können und auf das Verlagsmaterial zugreifen.
Deutschlandweite Fördertöpfe müssten die Anschaffung von interaktiven Medien generell an Schulen intensiv unterstützten. Ich denke dabei nicht nur an interaktive Whiteboard, sondern auch an Tablets, iPads und Audiogeräte, die das Lehren und Lernen sinnvoll unterstützen und für den Schüler eine echte Hilfe sein können. Bei der Lehrerausbildung müsste der Einsatz von digitalen Medien im Unterricht stärker berücksichtig werden.