Digitalisierung hat in Hochschulen einen schweren Stand
Zürich/Köln, September 2017 - Das auf Hochschulmanagement fokussierte Beratungsunternehmen Berinfor wollte mit seiner diesjährigen Hochschul-Studie herausfinden, inwieweit die Hochschulen das Zeitalter der digitalen Transformation eingeleitet haben und welche Potenziale sie für die Zukunft sehen. Grundlage der Studie "Die digitale Zukunft der Hochschule – wie sieht sie aus und wie lässt sie sich gestalten?" ist eine Online-Befragung, die zwischen März und Mai 2017 an Schweizer und deutschen Hochschulen durchgeführt wurde.
Schwerpunkt der Studie waren die drei zentralen Handlungsfelder "Lehre und Studium", "Forschung" sowie "Verwaltung und Hochschulmanagement".
Die Digitalisierung wird die Zukunft der Hochschulen beeinflussen und prägen. In dieser Aussage sind sich die 455 Führungskräfte und Mitarbeiter der teilnehmenden Hochschulen einig. Die Befragten stammen zu 35 Prozent aus Universitäten, zu 53 Prozent aus Fachhochschulen und zu 9 Prozent aus Pädagogischen Hochschulen. 59 Prozent der Teilnehmer kamen aus der Schweiz und 41 Prozent aus Deutschland.
"Mehr als neunzig Prozent der Befragten geben an, dass sich die Digitalisierung bereits jetzt auf die Hochschulen auswirkt und sich in den kommenden Jahren mit großer Dynamik weiter entwickeln wird", fasst Patricia Gautschi, Co-Autorin der Studie und Consultant der Berinfor, eines der Kernergebnisse der Umfrage zusammen.
Die Ergebnisse der Online-Befragung zeigen zudem auf, dass Digitalisierungsprojekte in den zentralen Handlungsfeldern nicht zu gleichen Teilen verbreitet sind und eine unterschiedliche Akzeptanz bei den Mitarbeitern der jeweiligen Handlungsfelder haben. Mitarbeiter aus dem Handlungsfeld "Verwaltung und Hochschulmanagement" erfahren durch digitale Lösungen eine Unterstützung und Effizienzsteigerung ihrer Arbeit. Innerhalb der Verwaltung gaben 45 Prozent der Befragten eine "starke" bis "sehr starke" Nutzung digitaler Tools an.
Für die Forschung sehen die Befragten hingegen eine noch nicht sehr ausgeprägte Nutzung digitaler Möglichkeiten. Sie attestieren diesem Handlungsfeld eine "mittlere" bis "geringe" Nutzung. Ein möglicher Grund für die bislang eher geringe Nutzung liegt mitunter darin, dass (digitale) Methoden des Forschungsprojektmanagements eher selten verwendet werden. Zudem sind Themen wie "Forschungsdatenmanagement" zwar hoch aktuell, aber auch mit Herausforderungen verbunden, mit denen sich die Hochschulen auseinandersetzen. Hinzu kommt, dass die digital erzeugte Transparenz und der vereinfachte Zugang von Forschungsdaten oftmals ein heikles Thema ist, das in der Scientific Community rege diskutiert wird.
"Im Bereich der Forschung liegt aber ein sehr großes Potenzial, digitale Möglichkeiten gewinnbringend zu nutzen", so Patricia Gautschi. Der Einsatz digitaler Lösungen fördert die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern an verschiedenen Standorten und bietet ganz neue Möglichkeiten, bspw. das immer wichtiger werdende Thema von "Big-Data" voranzutreiben.
Für das Handlungsfeld "Lehre und Studium" geben die Teilnehmer an, digitale Tools "stark" bis "sehr stark" im administrativen Bereich zur "Organisation des Studiums" und der "Lehrangebotsplanung" zu nutzen. Bei der Gestaltung der Lehre und der Weiterbildung wurde die Nutzung nur als "mittel" bis "sehr gering" angegeben.
In allen drei genannten Handlungsfeldern sehen die Studien-Teilnehmer aber einstimmig ein sehr großes Entwicklungspotenzial für Digitalisierungsprojekte.
"Die Studie zeigt, dass Digitalisierungsprojekte die höchste Akzeptanz erfahren, wenn sie den Mitarbeitenden und Studierenden unmittelbaren Mehrwert bieten und Prozesse optimieren", prognostiziert Marco Balocco, Managing Partner Schweiz bei Berinfor. "Digitalisierungsprojekte, die dem Anwender keinen direkten Nutzen bringen und nur wegen ihrer technischen Möglichkeiten realisiert werden, werden auch an den Hochschulen niemals erfolgreich sein."
"Die Herausforderung besteht für die Hochschulen darin, mit der Schnelllebigkeit digitaler Entwicklungen umzugehen", ergänzt Paul Licka, Managing Partner Deutschland bei Berinfor und Co-Autor der Studie. "Entscheidungen müssen schnell getroffen und auch zeitnah umgesetzt werden." Dies erfordere eine agile und flexible Organisationsstruktur. Licka: "Hier haben die Hochschulen Nachholbedarf. Die oftmals langwierigen Abstimmungen zwischen den beteiligten Abteilungen und Gremien können mit dem hohen Tempo der Digitalisierung nicht Schritt halten."
"Hochschulen müssen sachlich analysieren, wo und in welchem Umfang digitale Tools hilfreich sein können", betonte Patricia Gautschi. "Wir raten den Hochschulen, die Digitalisierung nicht als Problem, sondern als Chance und Anlass für eine Modernisierung und Entwicklung zu betrachten."