Ersetzt der Roboter bald den Lieblingslehrer?
Saarbrücken, April 2019 - In der ersten Folge der neuen IMC Podcast Reihe eLearning Inc. hat Moderatorin Vanessa Klein mit Kirsten Wessendorf, Expertin für digitale Lernstrategien bei IMC, über das Thema "Schule im Zeitalter der künstlichen Intelligenz (KI)" gesprochen. Im Interview teilte Wessendorf Eindrücke von der Bitkom Bildungskonferenz in Berlin, bei der am 12. März Gäste aus Politik, Bildung und Wirtschaft über Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz im Klassenraum diskutierten. Ein Auszug aus dem Podcast. Es gilt das gesprochene Wort.
Vanessa Klein: Das Thema Digitalpakt ist derzeit in aller Munde. Für das laufende Jahr plant die Bundesregierung Investitionen in Höhe von rund fünf Milliarden Euro in die digitalen Infrastrukturen von Schulen und Bildungseinrichtungen. War der Beschluss der Bundesregierung auch Thema auf der Bitkom Bildungskonferenz?
Kirsten Wessendorf: Selbstverständlich und ich bin mir ziemlich sicher, dass alle Teilnehmer gejubelt haben als der Pakt beschlossen wurde. Sobald die nötigen Infrastrukturen vorliegen, werden viele Projekte realisierbar sein, die die Schulen heute ganz einfach nicht umsetzen können.
Vanessa Klein: Wo stehen die Schulen heute in Sachen Digitalisierung?
Kirsten Wessendorf: In den Schulen stecken unzählige tolle Ideen, vor deren "Smartness" man nur den Hut ziehen kann. Die Realisierung wird jedoch durch fehlende Infrastrukturen behindert beziehungsweise ausgebremst. Deshalb stehen wir in Deutschland tatsächlich noch ganz am Anfang.
Vanessa Klein: Auf der Bildungskonferenz wurden die besten Smart School Ideen mit einer Auszeichnung gewürdigt. Welches der Gewinnerprojekte hat Dich am meisten überzeugt?
Kirsten Wessendorf: Eines der Projekte hat mich tatsächlich ziemlich beeindruckt: In einem Gymnasium, das Probleme bei der Finanzierung des schulinternen IT-Supports hatte, haben Lehrer und Schüler gemeinsam ein Ticket-System auf die Beine gestellt, über das Helpdesk-Anfragen eingereicht werden konnten.
Beantwortet wurden die Anfragen ebenfalls von Lehrern und Schülern, die abwechselnd "Bereitschaftsdienst" hatten. Das System bietet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, erste praktische Erfahrungen als IT-Admins zu sammeln. Den Beteiligten ist es gelungen, durch effizientes Teamwork und Arbeitsteilung ein auf den ersten Blick ziemlich schwieriges Problem zu lösen.
Vanessa Klein: Und es zeigt Eigenverantwortung seitens der Schülerinnen und Schüler.
Kirsten Wessendorf: Absolut. Solche Schulen haben den Namen "Smart School" voll und ganz verdient, denn die Schüler haben aus der Not eine Tugend gemacht und waren dabei äußerst kreativ.
Vanessa Klein: Sobald es um das Thema Smart School geht, fällt früher oder später der Begriff KI. Hand aufs Herz, Kirsten: Werden Roboter irgendwann den Lieblingslehrer ersetzen können?
Kirsten Wessendorf: Nein, ganz bestimmt nicht. Weil beim Lehren auch immer eine Beziehungskomponente zwischen Lehrer und Schüler vorhanden ist, die menschliche Empathie voraussetzt, ist das auch gar nicht gewünscht. Genau wie bei der betrieblichen Weiterbildung sollte Technologie im Klassenraum genau dann eingesetzt werden, wenn sie einen echten Mehrwert bietet und nicht einzig um ihrer selbst willen.
Vanessa Klein: Was empfiehlst Du Schulen, die Blended Learning Lernumgebungen schaffen möchten, um ihre Schülerinnen und Schüler optimal auf die Arbeitswelt vorzubereiten?
Kirsten Wessendorf: Unsere Idealvorstellung ist, dass künftig mehr im Flipped Classroom gelernt wird. Das bedeutet nichts anderes als dass Lehrerinnen und Lehrer durch vorbereitende digitale Materialen bei der Vermittlung von Inhalten entlastet werden. Wenn es gelingt, mit digitalen Lernmedien eine gute Einführung in den Lernstoff zu ermöglichen, bleibt im Klassenraum mehr Zeit zum Diskutieren und für individuelle Fragen und Bedürfnisse.
Auch bei der Nachbereitung haben digitale Medien und Lernplattformen ihren Platz. Über eine Lernplattform können so beispielsweise Übungsaufgaben gelöst oder Hausaufgaben hochgeladen werden. Es ist sogar eine schulübergreifende Kollaboration möglich. Hier haben wir es mit einer Kompetenz zu tun, die auch im späteren Arbeitsleben eine Rolle spielt.
Vanessa Klein: Welche Rolle spielt KI bei diesen Plattformen?
Kirsten Wessendorf: Über die Systeme werden Daten zu den Stärken und Schwächen sowie zu Lernpräferenzen und Lerngeschwindigkeiten des einzelnen Schülers generiert. Unsere Hoffnung ist, dass es mithilfe dieser Daten möglich sein wird, individueller auf die Bedürfnisse der einzelnen Schülerinnen und Schüler einzugehen.
Das Interview mit Kirsten Wessendorf kann in voller Länge auf der IMC Podcast Seite sowie über iTunes, Android oder Spotify angehört werden.