Zur Akzeptanz digitaler Weiterbildungsformate
München, Mai 2020 - In der aktuellen Coronakrise nutzen viele Menschen digitale Lernangebote, um sich beruflich weiterzubilden. Generell werden eLearning, digitale Seminare oder Webinare immer beliebter. Dass zu Hause und auf sich gestellt zu lernen nicht jedem gleich leichtfällt, ist allerdings auch eine Tatsache. Einen Einblick in die Nachfrage und das Kundenverhalten im Bereich Weiterbildung der TÜV SÜD Akademie gibt Ruth-Maria Butz, die sowohl Expertin für Didaktik und Digitalisierung als auch für die Entwicklung von digitalen Lernszenarien und Konzept sowie für die Sicherung von Qualität in virtuellen Klassenräumen ist.
In wie weit hat sich das Seminarangebot der TÜV SÜD Akademie den derzeitigen Anforderungen angepasst? Finden Weiterbildungen online statt?
Ruth-Maria Butz: Die TÜV SÜD Akademie richtet sich mit ihrem Programm an Firmenkunden, wir bedienen den B2B-Bereich. Generell haben wir die Strategie, unser Programm mittelfristig noch stärker digitalen Angeboten zu erweitern. Nun hat uns die Zeit überrollt, das heißt, durch die Einschränkung, dass Präsenzkurse aktuell nicht mehr möglich sind, haben wir das Tempo hochgefahren und sind in der Online-Umsetzung wesentlich schneller geworden. Das bedeutet, dass wir heute unsere verschiedenen Kurse aus den Bereichen Technik, Managementsysteme und Qualitätsmanagement online anbieten.
Generell lassen wir alle Themen, bei denen es möglich ist, online in virtuellen Klassenzimmern stattfinden. Unsere Kurse sind in weiten Teilen technischer Natur. Kurse die einen technischen oder praktischen Anteil haben wie z.B. eine wiederkehrende Unterweisung zum Anlegen der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz, werden natürlich nie online durchführbar sein. Teilweise gibt es auch gesetzliche Vorschriften, die für spezielle Themen Präsenzseminare fordern.
Was erwartet die Teilnehmer in einem Webinar?
Ruth-Maria Butz: Kurse, die in unseren virtuellen Klassenzimmern stattfinden, werden live abgehalten. Inhalte und Dauer der Trainings unterscheiden sich nicht von den Präsenzveranstaltungen. Mithilfe eines Web-Konferenz-Tools sind Interaktionen – je nach Seminar – über Audio, Video, Präsentationen, Chat oder geteilte Bildschirme möglich.
Modulare Kurse, die aufeinander aufbauen, bieten wir im Qualitätsmanagement-Bereich ebenfalls in "blended" Version an. Hier wechseln sich verschiedene Lerneinheiten ab. Meist bestehen diese aus Webinaren, Selbstlerneinheiten und Präsenzteilen. Einen Qualitätsmanagement-Fachkraft (QMF) Kurs gibt es aber auch als Präsenzseminar in fünf aufeinanderfolgenden Tagen. Grundsätzlich versuchen wir auf die Bedürfnisse der Teilnehmer einzugehen. Es gibt Menschen, die gern selbstständig online mit freier Zeiteinteilung lernen. Andere wiederum schätzen eine Präsenzveranstaltung und den intensiveren Austausch untereinander.
Was lässt sich – Ihrer Erfahrung nach – per eLearning oder Webinar auf keinen Fall sinnvoll vermitteln?
Ruth-Maria Butz: Eine Stärke unser Präsenzseminare sind praktische Übungen. Wir bedienen Themen wie Explosionsschutz, Hygienemaßnahmen oder Brandschutz, um nur einige zu nennen. Hier gibt es einen Anteil an praktischen Unterweisungen (wie das Begehen von Anlagen oder das Üben an Geräten), die online nicht durchführbar sind, da wir keine haptischen Erfahrungen vermitteln können. Teilweise arbeiten wir hier mit VR-Szenarien, die wir auch bald online zur Verfügung stellen möchten.
Zum anderen haben wir den menschlichen Aspekt. In Präsenzseminaren ist der persönliche Austausch mit den Fachexperten wesentlich einfacher. Auch schätzen die Teilnehmer das Gespräch untereinander, denn jeder profitiert von den Erfahrungen anderer. Dennoch kann auch im Virtuellen Klassenzimmer der Austausch der Teilnehmer durch den Trainer bewusst gesteuert werden.
Welche der Kurse sind in der Corona-Krise besonders stark nachgefragt?
Ruth-Maria Butz: Den deutlichsten Anstieg in der Nachfrage verzeichnen wir beim "Zertifizierten Online Trainer" Kurs, wir haben tatsächlich eine Warteliste an Interessenten. Dieser richtet sich an Trainer, die in der Erwachsenenbildung tätig sind, und momentan keine Präsenzveranstaltungen abhalten dürfen, hier ist der Bedarf an Fortbildung riesig.
Unsere Lehr- und Weiterbildungskurse in der IT-Sicherheit rund um das Thema Datenschutz sind in Zeiten von Homeoffice natürlich auch sehr stark nachgefragt. Datenschutz und IT-Sicherheit können am heimischen PC oftmals nicht im selben Umfang gewährt werden, wie das in Unternehmen der Fall und gesetzlich vorgeschrieben ist.
Generell bekommen wir zu unseren Online-Kursen sehr viel positive Rückmeldungen. Bislang haben wir über ganz Deutschland verteilt in über 500 virtuellen Klassenräumen unterrichtet. Die Standorte haben regional ihre Schulungen statt in Präsenzveranstaltungen, nach Möglichkeit in virtuellen Klassenzimmern durchgeführt. Aktuell bieten wir 800 Trainings im virtuellen Klassenzimmer an. Wir verzeichnen eine allgemein sehr gute Resonanz an Anmeldungen für alle Bereiche.
Rechnen Sie damit, dass der Anstieg der Akzeptanz digitaler Weiterbildungsformate über die Pandemie-Zeiten anhalten wird?
Ruth-Maria Butz: Viele Menschen haben in kurzer Zeit ihre Online-Fähigkeiten erweitert und damit auch Berührungsängste abgebaut. Ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Akzeptanz der digitalen Weiterbildungsformate über die Pandemie-Zeit anhält. Aktuell können wir noch nicht einschätzen, ob sich möglicherweise das Geschäftsreiseverhalten ändern wird, die Menschen generell vorsichtiger werden und wie sich die drohende Wirtschaftskrise auf den Weiterbildungsmarkt auswirken wird. Der Trend geht bei Unternehmen heute schon dazu, Reisekosten zu sparen und die Mitarbeiter vermehrt online zu schulen.