Immersive Lernumgebungen

"Skills Tracking macht Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sichtbar"

Dr. Leila Mekacher Karlsruhe/Heidelberg, April 2025 - Dr. Leila Mekacher ist eine leidenschaftliche Ingenieurin, Unternehmerin, Leiterin für digitale Forschung und Innovation, MINT-Botschafterin und Gründerin des Technological Education Center am SRH Berufsbildungswerk (Deutschland). Auf dem LEARNTEC Kongress spricht sie am Mittwoch, den 7. Mai um 15 Uhr über "Immersive Lernumgebungen und Skills Tracking".

Die Vorteile immersiver Lernumgebungen sind ja bereits länger bekannt. Welche Vorteile ergeben sich, wenn man sie mit Skills Tracking kombiniert?

Dr. Leila Mekacher: Immersive Lernumgebungen haben bewiesen, dass sie die Art und Weise revolutionieren, wie Wissen vermittelt wird. Sie ermöglichen es, Inhalte nicht nur theoretisch zu erfassen, sondern Lernende durch interaktive Szenarien in realistische Anwendungen eintauchen zu lassen. Doch erst in Verbindung mit Skills Tracking entfalten sie ihr volles Potenzial, da eine präzise Kompetenzanalyse sichtbar macht, welche Fähigkeiten tatsächlich entwickelt werden, wo Potenziale liegen und wie gezielte Förderung erfolgen kann.

Indem Lernende aktiv mit ihrer virtuellen Umgebung interagieren, sind sie nicht mehr nur passive Wissenskonsumenten. Neben fachlichen Kompetenzen entwickeln sie übertragbare Fähigkeiten wie Problemlösungskompetenz, Stressresistenz oder Teamfähigkeit, die in verschiedenen Berufsfeldern gefragt sind. Skills Tracking macht dabei Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sichtbar, identifiziert individuelle Stärken in Echtzeit und ermöglicht personalisierte Lernpfade.

Ein Beispiel für diese Verbindung ist das EU-geförderte Metautism Green ASC VET-Projekt, das darauf abzielt, autistische Menschen durch immersive Technologien in die berufliche Bildung und den Arbeitsmarkt zu integrieren. Meine Firma, Innoversa Factory, arbeitet dabei gemeinsam mit Partnern aus Kroatien, Portugal, Belgien, Dänemark und Ungarn an der Entwicklung von 360°-VR- und XR-Simulatoren und setzt eine Skills-Tracking-Plattform mit VR-Simulationen für über 15 Berufe ein, um neurodivergente Menschen gezielt auf berufliche Herausforderungen vorzubereiten, indem sie ihre Skills trainieren und weiterentwickeln.
Da immersive Lernumgebungen auch pädagogische und didaktische Konzepte erfordern, entwickeln wir ergänzend dazu Trainings für interaktive und praxisnahe XR-basierte Lernmethoden, die eine nachhaltige und anwendungsorientierte Wissensvermittlung ermöglichen.

Durch immersive Lernumgebungen können nicht nur berufsrelevante Fertigkeiten praxisnah trainiert werden, sondern Skills Tracking analysiert zudem in Echtzeit, wie sicher die Teilnehmenden mit den virtuellen Herausforderungen umgehen. Dies erleichtert die Anpassung der Lernpfade an individuelle Bedürfnisse und fördert gezielt die Entwicklung arbeitsmarktrelevanter Kompetenzen wie Zeitmanagement, Genauigkeit oder soziale Interaktion in beruflichen Kontexten.
Dabei profitieren nicht nur neurodivergente Menschen, sondern auch weitere Zielgruppen, darunter Auszubildende, Fachkräfte in Weiterbildungsmaßnahmen oder Quereinsteiger, die sich auf neue berufliche Herausforderungen vorbereiten. Die Technologie schafft eine flexible und individualisierte Lernumgebung, die an verschiedene Lernbedarfe angepasst werden kann und so eine effiziente und praxisnahe Kompetenzentwicklung für unterschiedlichste Nutzergruppen ermöglicht.

Gemeinsam mit Partnern aus der Region arbeite ich derzeit an einem MINT-Angebot, das praxisnahe, kreative Lernmethoden mit innovativen Technologien kombiniert, um Jugendliche für technische Berufe zu begeistern. Durch den gezielten Einsatz von VR-Simulationen können Teilnehmende komplexe physikalische oder ingenieurwissenschaftliche Konzepte spielerisch erlernen, indem sie sich in interaktiven Szenarien realistischen Herausforderungen stellen.
Dazu gehören etwa der Aufbau eines Wasserversorgungssystems in einem virtuellen Labor oder das Design eines autonomen Roboters, um MINT-Fähigkeiten praxisnah zu vermitteln. In den Skill-Assessment-Phasen dieses Programms können immersive Simulatoren gezielt eingesetzt werden, um die individuellen Stärken und Entwicklungspotenziale der Teilnehmenden zu erfassen.
Skills Tracking analysiert automatisch, welche Fertigkeiten in diesen Szenarien entwickelt werden – von logischem Denken bis hin zur Fähigkeit, strategische Entscheidungen zu treffen. Dadurch wird eine gezielte Förderung ermöglicht, die an die individuellen Potenziale und beruflichen Interessen der Lernenden angepasst ist.

Für welche Einsatzbereiche sind immersive Lernumgebungen mit Skills Tracking in der Bildung und Ausbildung sinnvoll?

Dr. Leila Mekacher: Ein zentraler Anwendungsbereich liegt in der akademischen und beruflichen Bildung. Universitäten und Berufsschulen nutzen immersive Technologien, um Studierende und Auszubildende praxisnah auf reale Berufsfelder vorzubereiten. Durch Skills Tracking lassen sich Stärken und Schwächen genau erfassen, sodass gezielte Fördermaßnahmen entwickelt werden können. In technischen Bereichen können beispielsweise Maschinen- oder Softwarekenntnisse realitätsnah trainiert und durch Echtzeit-Feedback optimiert werden.

Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet ist die Berufsorientierung. Jugendliche und Quereinsteiger können in virtuellen Szenarien verschiedene Berufsfelder ausprobieren, bevor sie eine Ausbildung oder ein Studium wählen. Skills Tracking analysiert ihre Interaktionen und Stärken, um gezielte Empfehlungen für passende Berufswege zu geben. Besonders in handwerklichen, technischen oder medizinischen Berufen kann dies eine wertvolle Entscheidungshilfe sein.

Auch in der Lehrerfortbildung und der Entwicklung neuer Lehrmethoden bietet diese Technologie entscheidende Vorteile. Lehrkräfte können immersive Szenarien nutzen, um digitale Unterrichtskonzepte praxisnah zu testen und durch Skills Tracking individuelles Feedback zu erhalten. Dies trägt dazu bei, Unterrichtsmethoden gezielt zu verbessern und an die Bedürfnisse der Lernenden anzupassen.

Zusammenfassend sind immersive Lernumgebungen mit Skills Tracking insbesondere in der akademischen Bildung, beruflichen Ausbildung und Berufsorientierung von großem Nutzen. Durch die datenbasierte Analyse individueller Lernfortschritte wird die Ausbildung effizienter, nachhaltiger und praxisnäher gestaltet.

Wo lohnt sich der hohe Kosteneinsatz?

Dr. Leila Mekacher: Die Implementierung immersiver Lernumgebungen erfordert zunächst eine erhebliche Investition. Doch insbesondere in der Bildung, Ausbildung und beruflichen Qualifizierung sind diese Kosten gerechtfertigt, da sie langfristig eine effizientere, praxisnahe und individuell anpassbare Wissensvermittlung ermöglichen.

Lehrkräfte und Ausbilder profitieren, indem sie innovative Lehrmethoden erproben, digitale Kompetenzen erweitern und gezielt auf die Bedürfnisse der Lernenden eingehen. Gerade in MINT-Fächern und technischen Berufen lassen sich immersive Unterrichtseinheiten gestalten, die interaktiver und motivierender sind als klassische Lehrmethoden.

Nicht zuletzt amortisieren sich Investitionen in immersive Lerntechnologien auch für Unternehmen und Weiterbildungsinstitute schnell. In Bereichen mit hohem Schulungsbedarf, hoher Mitarbeiterfluktuation oder spezialisiertem Fachkräftemangel helfen effiziente Onboarding- und Schulungsprogramme, Kosten zu reduzieren, Einarbeitungszeiten zu verkürzen und eine nachhaltige Qualifikation der Mitarbeitenden sicherzustellen.

Welche aktuellen Probleme lassen sich mit immersiven Lernumgebungen und Skills Tracking lösen?

Dr. Leila Mekacher: Die Arbeitswelt befindet sich im schnellen Wandel – neue Technologien, sich verändernde Berufsbilder und der zunehmende Fachkräftemangel stellen Unternehmen und Lernende vor große Herausforderungen. Viele Menschen sind unsicher, welche Berufe zu ihnen passen oder wie sie sich beruflich umorientieren können. Gleichzeitig haben Arbeitgeber Schwierigkeiten, Talente zu finden und objektiv einzuschätzen, ob eine Person für eine bestimmte Position geeignet ist.

Hier setzt die Kombination aus immersiven Lernumgebungen und Skills Tracking an: VR kann als Brücke zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern dienen und eröffnet völlig neue Möglichkeiten zur Berufsorientierung, Umschulung und Kompetenzbewertung.

Sie hatten viel mit Mensch-Maschine-Interaktionen zu tun. Lassen sich daraus Parallelen zur VR-Entwicklung ableiten?

Dr. Leila Mekacher: Ja, absolut. Meine Arbeit mit Mensch-Maschine-Interaktionen, insbesondere im Bereich Eye-Tracking und blickbasierter Steuerung, hat gezeigt, wie wichtig es ist, intuitive, adaptive und nutzerzentrierte Schnittstellen zu entwickeln. Diese Prinzipien lassen sich direkt auf VR-Technologien und immersive Lernplattformen übertragen.

Eye-Tracking ermöglicht eine neue Art der Interaktion in VR. Nutzer können durch bloße Blickbewegungen navigieren, Objekte auswählen oder interaktive Inhalte fokussieren, wodurch sich die Bedienung von Controllern oder externer Hardware erübrigt. Dies steigert nicht nur die Benutzerfreundlichkeit, sondern auch die Immersion.

Gerade im Bereich Skills Tracking bietet die Kombination von VR und Eye-Tracking enorme Vorteile. Blickbewegungen liefern wertvolle Informationen darüber, wie sich Lernende in virtuellen Umgebungen orientieren, welche Elemente ihre Aufmerksamkeit fesseln und wo Unsicherheiten bestehen. Dadurch lassen sich adaptive Lernpfade entwickeln, die sich individuell an den Nutzer anpassen.

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die kognitive Belastung. Forschungsergebnisse zur Mensch-Maschine-Interaktion zeigen, dass zu viele sensorische Reize oder unnatürliche Steuerungskonzepte schnell zu Ermüdung oder Überforderung führen können. Diese Erkenntnisse helfen dabei, VR-Lernplattformen so zu gestalten, dass sie maximal effektiv, intuitiv bedienbar und nachhaltig lernfördernd sind.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in immersiven Lernumgebungen und beim Skills Tracking?

Dr. Leila Mekacher: Die Verbindung von Virtual Reality (VR) und Künstlicher Intelligenz (KI) markiert die nächste große Revolution in der Wissensvermittlung, Kompetenzentwicklung und Steuerung von Lernprozessen. Während VR immersive Trainingsumgebungen schafft, sorgt KI für eine dynamische, intelligente und adaptive Gestaltung dieser Szenarien. In Kombination mit Skills Tracking wird so eine neue Qualität der Lernanalyse und Kompetenzentwicklung erreicht.