Multi-Kulti-Wissen als Zusatz-Zertifikat
Würzburg, März 2011 - (von Prem Lata Gupta) GSiK hört sich an wie ein Zungenbrecher und steht für "Globale Systeme und interkulturelle Kompetenz". Innerhalb Deutschland ist das Projekt einzigartig: Zehn Institutionen aus sechs Fakultäten der Universität Würzburg haben sich zusammengeschlossen, um ein umfassendes Angebot zum Erwerb interkultureller Kompetenzen zu schaffen. Dazu gehören Theoriekurse, Rollenspiele, Vorträge, aber auch eLearning-Module. Wer vier Semester am Ball bleibt, erlangt ein Zusatzzertifikat, das ihm spezielle Schlüsselqualifikationen bescheinigt. Jan-Christoph Marschelke als Geschäftsführer des Projektes spricht über Schwerpunkte und betont, dass es wichtig ist, mit Vertretern der Zielkultur eng zusammenzuarbeiten.
Der Startschuss für die ersten Kurse fiel im Jahr 2008. Initiator und Projektsprecher ist der Strafrechtler Professor Eric Hilgendorf, federführend im Projekt die juristische Fakultät. Dies kommt nicht von ungefähr: Gerade im juristischen Bereich spielen interkulturelle Aspekte eine immer größere Rolle. Jan-Christoph Marschelke: "Zunächst ist es auf einer selbstreflexiven Ebene für Juristen wichtig zu erkennen, dass unterschiedliche Kulturen ihr eigenes Rechtsverständnis haben."
Wer später einen Mandanten betreut, der einer anderen Kultur- oder Wertewelt entstammt, kann seinen Klienten, sein Handeln und seine Interessen besser begreifen. "Kopftuch-Urteil" oder "Ehrenmord": Dahinter verbergen sich Konflikte, die Hintergrundwissen erfordern. Aber auch familienrechtliche Fragen, wenn die Beteiligten unterschiedlichen Nationen entstammen oder die Anbahnung internationaler Geschäftsabschlüsse verlangen Expertenwissen.
Prof. Eric Bilgendorf als Initiator des Projekts gehört zu den Fürsprechern von eLearning. Grund: Die Verknüpfung von text- oder wortbasierten Informationen mit umfangreichem Audio- oder Videomaterial, dazu die Verknüpfung mit Datenbanken und Zugang zu Internet biete völlig neue Chancen. "Kein Buch und keine Vorlesung kann mit dieser Informationsfülle konkurrieren."
Gerade weil viel wiederholt und vertieft werden müsse, "eignet sich die juristische Ausbildung besonders gut für die virtuelle Lehre." Zum "programmierten Lernen" kämen Online-Kurse, die praktische Übungen in der Fallbearbeitung enthalten, so Hilgendorf.
eLearning im GsiK-Projekt ermöglicht beides: Die Module Interkulturelle Kompetenz I und II vermitteln mittels virtueller Karteikästen Theorie und Faktenwissen, beleuchten außerdem so genannte Critical Incidents: typische Situationen, in denen es immer wieder zu Missverständnissen kommt. Anhand von Multiple-Choice-Aufgaben können die Studierenden überprüfen, ob sich das Lernpensum auch wirklich eingeprägt hat.
Noch praxisorientierter ist die Anwendung "Gerichtsurteile mit interkulturellem Hintergrund" (mit den Themenfelder Strafrecht, Öffentliches Recht und Privatrecht, insbesondere Arbeitsrecht), vor allem aber auch die verschiedenen Case Trains, die die Projektbeteiligten anbieten.
Das Modul "Fallbeispiele aus der Sinologie" thematisiert die Begegnung zwischen Deutschen und Chinesen: Hier ist die korrekte Analyse gefragt für Bereiche wie Arbeitsalltag oder Freizeit. Einzelbausteine sind beispielsweise "Hierarchien", "Falscher Ton", "Lehrer-Schüler-Verhältnis". Betreut wird dieser Part von einem Team aus deutschen und chinesischen Mitarbeitern. "Wir arbeiten mit Experten aus der Zielkultur zusammen", so Marschelke. Das sei ganz elementar. "Denn wenn jemand von außen versucht, eine fremde Kultur zu erklären, kann er großartig danebenliegen. Einfach weil er auf seine eigenen Schemata zurückgreift." Dieses Risiko gelte es zu reduzieren.
Neben der juristischen Fakultät engagieren Professoren aus der Sinologie, Slavistik und weiteren Fächern wie etwa Wirtschaftswissenschaften in dem Projekt. Die Projektebteiligten der Allgemeinen Erziehungswissenschaften thematisieren in ihren CaseTrains beispielsweise die "Geschichte der interkulturellen Bildung" oder spielen Kulturmodelle wie etwa das von Hofstede durch. Noch sind an der Universität Würzburg nicht alle eLearning-Anwendungen zum Thema Interkulturelle Kompetenz zentral zusammengeführt.
Jan-Christoph Marschelke: "Uns beschäftigt auch die Frage, wie man solche Lehreinheiten gestaltet. Einerseits dürfen Inhalte nicht zu sehr vereinfacht werden. Andererseits ist eine Vereinfachung notwendig, um Wissen entsprechend unseren technischen Möglichkeiten aufzubereiten. Dies ist ein Widerspruch in sich." Die Studierenden scheint es nicht zu stören. Die eLearning-Angebote zur interkulturellen Kompetenz werden gut genutzt.