Daten beherrschen oder von Daten beherrscht werden
Zoetermeer (NL), November 2013 - Seit Januar 2013 hat Erik Woning in der Innovationsabteilung der Non-Profit Organisation Kennisnet gearbeitet. Kennisnet ist eine niederländische öffentliche Bildungsorganisation, deren Aufgabe es ist, sicherzustellen, dass Bildungseinrichtungen die von ICT angebotenen Möglichkeiten kennen und nutzen. In seinem Vortrag auf der ONLINE EDUCA BERLIN wird er die Frage stellen: "Welche Fragen, Chancen und Bedenken haben Lehrende, wenn sie über die Schaffung eines stärker personalisierten und anpassungsfähigen Lernumfeldes für ihre Schüler nachdenken?"
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Auf welche Weise könnte die Rolle des Lehrenden von den aktuellen Entwicklungen im Bereich Daten und Analytics betroffen sein?
Erik Woning: Kennisnet ist die öffentliche Bildungsorganisation, die niederländische Grund-, Sekundar- und Berufsschuleinrichtungen bei der effektiven Nutzung von ICTs unterstützt und inspiriert. In der Innovationsabteilung von Kennisnet versuchen wir Lösungen zu relevanten Fragen, durch Forschung und Förderung von Experimenten, gemeinsam mit Bildungsfachleuten zu finden.
In den Niederlanden gibt es mehrere Initiativen, die versuchen eine personalisierte Lernplattform oder anpassungsfähige Lerninhalte umzusetzen. Diese Initiativen sind in verschiedenen Entwicklungsstadien und haben unterschiedliche Schwerpunkte und Zielgruppen. Die meisten haben jedoch gemeinsam, dass sie durch Daten angetrieben werden, die durch die Interaktionen der Lernenden mit den Inhalten entsehen. In diesem Zusammenhang sehen wir Learning Analytics als das Bestreben, Trends und Muster aus Educational (Big) Data herauszufinden, mit dem Ziel ein effizienteres Lernumfeld zu schaffen.
Diese Trends und Muster können zu verwertbaren Prognosen oder Empfehlungen für Lehrende und Lernende führen. Ein datengetriebenes Bildungssystem zu schaffen, mag vielleicht zu personalisierterem Lernen führen, aber es hat auch reichliche Konsequenzen für die Art und Weise der Organisation einer Schule und die Rolle des Lehrenden.
Welche Bedeutung haben die gesammelten Daten wirklich?
Erik Woning: In einem unserer derzeitigen Forschungsprojekte versuchen wir, Lehrende dazu zu bringen, über Fragen wie die folgenden nachzudenken: "Wie sieht Ihr optimales Klassenzimmer aus? Welche Art von Lernen findet in einem solchen Klassenraum statt? und Was sollte Ihre Rolle als Lehrende sein?". Unter Nutzung einer semi-strukturierten Online-Diskussionsplattform, haben Dutzende von Lehrkräften an einer lebhaften Diskussion zu diesem Thema teilgenommen. Zum Zwecke dieser Studie haben wir drei Initiativen für Grund- und Sekundarschulerziehung ausgewählt.
Diese drei Initiativen sind gute Beispiele für Plattformen, die Prinzipien von Learning Analytics nutzen, um eine personalisiertere Lernerfahrung zu erzeugen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Studien zu Learning Analytics, geht es in dieser Untersuchung nicht um die technische Seite und Werkzeuge dieser Entwicklung, sondern sie konzentriert sich auf die Seite der Anwender. TNS Nipo, ein wichtiger Akteur im Bereich Forschung in den Niederlanden, hat Kennisnet bei der Durchführung dieses Projekts unterstützt.
Wie wird es verwendet?
Erik Woning: Wir bei Kennisnet glauben, dass Daten und Analytics eine enorme Rolle dabei spielen werden, auf welche Art und Weise Schule und Unterricht zukünftig organisiert sein werden. Wir sehen, dass einige Schulbuchverlage und -vertreiber von ihrem Kerngeschäft, Bücher zu drucken und zu vertreiben, abkommen und mehr zu Dienstleistern und Entwicklern von Lernplattformen werden. Eine unserer Hauptsorgen ist, dass Schulen am Ende mit einer Plattform oder einem System dastehen, das ihren Bedürfnissen nicht gerecht wird, sich aber wegen einer Daten- oder Verkäuferbindung damit arrangieren müssen.
Deshalb hat die derzeitig von Kennisnet durchgeführte Studie zwei Ziele. Nämlich erstens Meinungen und Erkenntnisse der Lehrenden, die mit innovativen Lernplattformen arbeiten, zu sammeln und zweitens ein Bewusstsein von den Möglichkeiten und Herausforderungen bei Lehrenden und Schulleitungen zu schaffen.
Eine von Kennisnets Stärken ist sein großes Netzwerk, das aus beidem bestehet, aus Schulen und politischen Entscheidungsträgern und innerhalb dessen wir unser Know-how teilen und Schulen unterstützen können. Im Laufe des Schuljahres werden wir Treffen für Schulleiter und Direktoren, IT Koordinatoren und Lehrende organisieren. Bei diesen Treffen werden wir Trends in Technologie und Bildung diskutieren und versuchen, die Lehrenden dazu anzuregen, die vorhandenen Technologien effizient zu nutzen.
Welchen Risiken sind Lehrende durch den Einsatz von Learning Analytics ausgesetzt?
Erik Woning: Datenschutzfragen sind natürlich die Hauptanliegen der Schulen, die mit den Werkzeugen und Technologien von Learning Analytics arbeiten wollen. Wir versuchen die Schulen darüber zu informieren, wie sie es richtig angehen und unbeabsichtigten Auswirkungen von Analytics, wie Fragen der Privatsphäre und Gefahren für die eigene Reputation vermeiden können.
Die fünf spezifischen Richtlinien, deren sich Schulen bewusst sein müssen, sind im Europarecht zum Schutz personenbezogener Daten verankert. Während meiner Session auf der ONLINE EDUCA BERLIN 2013 werden wir diese Faustregeln genauer erörtern.