Lockt die Schulen hinter dem eMond hervor!
Kühlungsborn, November 2014 - Thomas Pilz arbeitet bei Sicher-im-Inter.net eG als Projekt-Manager und Software-Entwickler. Er folgt bei der Entwicklung von Software und Anwendungen einem einfachen Glaubenssatz: "Wenn Du es denken kannst, dann kannst Du es auch bauen!" Thomas Pilz ist davon überzeugt, dass unserer Vorstellungskraft keine Grenzen gesetzt sind und alles was wir uns vorstellen, auch gestalten und in realen Produkten und Anwendungen ausdrücken können. Selbst der Bereich Schule macht für ihn keine Ausnahme.
Wieso sehen Sie die deutschen Schulen hinter dem "eMond"?
Thomas Pilz: Die Schulen, die wir in den letzten Jahren kennen lernen durften, sind überwiegend falsch ausgestattet bzw. setzen die zur Verfügung gestellten technischen Hilfsmittel nicht konsequent und im tagtäglichen Lehrbetrieb ein.
Es sind nicht nur die Schulen und Lehrer, die umdenken müssen und etwas verändern können. Der eigentliche schwarze Peter muss der Politik und der Lernmittel-Industrie zugeschoben werden. Bildung als Priorität ist nur ein politisches Lippenbekenntnis. Ansonsten wären Schulen top ausgestattet, würde es ausreichend Lehrer geben und nicht durch unzählige Turnhallendächer tropfen.
Die bequemen quasi Monopolstellungen von z.B. Schulbuchverlagen verhindern den Wettbewerb um die besten Lösungen in der digitalen Bildung. Technisch ist es überhaupt kein Problem, z.B. Lerninhalte in zeitgemäße Lernumgebungen einzubinden, die bundesweit an Schulen, Berufsschulen und Universitäten gleichzeitig zum Einsatz kommen und eine umfassende und zukunftsfähige digitale Bildung ermöglichen. Nur wenn bessere technische Lösungen geschaffen werden, können diese auch in Schulen überhaupt zum Einsatz kommen.
Wenn keine vernünftige technische Ausstattung vorhanden ist, dann können auch hochmotivierte Lehrer keinen modernen und zukunftsfähigen Unterricht anbieten, zu dem heute digitale Medien und Medienkompetenz als "Pflichtfach" einfach dazu gehören. Deutsche Schulen sind davon weit entfernt – hinter dem eMond, wie wir es nennen.
Was können die einzelnen Schulen – unter den derzeitigen Bedingungen – aus Ihrer Sicht in Selbstverantwortung daran ändern?
Thomas Pilz: Schulen müssen endlich Medienkompetenz und die tagtägliche konsequente Nutzung digitaler Medien und Hilfsmittel als Pflichtprogramm für eine gute Ausbildung der Kinder verinnerlichen. Daraus ergeben sich ganz automatisch die Anforderungskataloge für die politischen Entscheider und die Lernmittel-Industrie.
Wenn Schulen zumindest über eine einfache Grundausstattung wie z.B. eine Moodle Installation für alle Schüler und Lehrer verfügen, diese aber nicht konsequent nutzen und ausreizen, dann haben die Lehrer auch keine Chance richtig einzuschätzen, ob die vorhanden technischen Lösungen ausreichend sind oder nicht.
Wer nicht weiß, wovon er redet bzw. welche sinnvolle technische Ausstattung den Unterricht bereichern würde, der kann sich auch nicht nützlich in die Diskussion für Erneuerung und Modernisierung einbringen.
Es reicht nicht aus, dass pro Schule vielleicht ein abgestellter IT-Lehrer Bescheid weiß, und die Entscheidungen für mögliche Veränderungen allein auf diesen abgewälzt werden. Hier sind alle Lehrer gefordert, sich einzubringen.
Nehmen Schüler Schaden, wenn sie eine Schullaufbahn ohne Einsatz digitaler Medien durchlaufen?
Thomas Pilz: Wenn Sie mir diese Frage vor knapp 40 Jahren gestellt hätten, dann hätte sie ungefähr so gelautet: „Nehmen Schüler Schaden, wenn Sie eine Schullaufbahn ohne Einsatz von Taschenrechnern durchlaufen? Wir haben doch Tabellenwerk und Rechenschieber.“
Schaden an der Person hätte damals niemand genommen und nimmt auch heute keiner. Aber wenn wir Schüler in der Schule auf die Anforderungen des späteren Erwachsenenlebens, privat und im Beruf, vorbereiten wollen, dann kommen wir nicht daran vorbei, schon in der Schule die Arbeitsmittel einzusetzen und zu lehren, mit denen später gearbeitet wird.
Insofern lautet die Antwort: Ja, sie nehmen Schaden, da sie wesentliche Dinge, die heutzutage erforderlich sind, erst später lernen müssen. Man vergibt die Chance auf das praktische Erlebnis, wie hilfreich digitales lernen und arbeiten sein kann. Schüler nutzen digitale Medien und es liegt an uns, dass sie diese nicht nur zum spielen, sondern auch sinnvoll nutzen. Insofern entsteht auch der Gesellschaft durchaus ein Schaden.
Medienkompetenz und der Umgang mit digitalen Medien ist heute ein Pflichtprogramm, wenn man 40 Jahre in qualifizierter und bezahlter Arbeit oder der Selbständigkeit erfolgreich bestehen können will. Wenn Schulen den Kindern heute Medienkompetenz und das mit digitalen Medien unterstütze Lernen nicht ermöglichen (können), dann müssen diese Kinder mit großen Defiziten ins Berufsleben starten.
Den Spruch kennen wir doch alle: "Was Hänschen nicht lernt…das lernt Hans nimmer mehr…"
Wie wünschen Sie sich den Schulalltag im Jahr 2020?
Thomas Pilz: Wichtige Entscheidungen werden in Deutschland - leider - gerne auf die lange Bank geschoben. Hoffentlich werden wir im Jahr 2020 nicht mehr darüber diskutieren müssen, ob Schulen, Lehrer und Schüler für den Schulalltag die technisch beste Ausstattung verdienen.
Politik und Lernmittel-Industrie kommt hier eine Schlüsselstellung zu. Weniger reden und mehr machen und vor allem die alten Strukturen und quasi Monopole rund um den Schulmarkt aufbrechen oder besser gleich ganz abschaffen. Dann gäbe es einen automatischen Druck in der Industrie, ständig bessere Lernmittel entwickeln zu müssen, die sich dann im fairen Wettbewerb behaupten müssen.
Gute Schulausbildung ist eine Aufgabe, die alle in unserer Gesellschaft betrifft, die Arbeit macht, Geld kostet und vielleicht auch unbequem ist. Aber das sind wir der optimalen Bildung unserer Kinder zum Wohle der ganzen Gesellschaft schuldig, oder nicht? Ob wir das schaffen können? Eigentlich ja, aber ich befürchte es wird erst noch jahrelang über unzählige und teure neue Gutachten, Arbeitskreise und Kommissionen diskutiert werden müssen – so tickt leider die Bildungspolitik in Deutschland.
Für die Jahre bis 2020 würde ich mir als Zwischenlösung wünschen, dass an den Schulen die technischen Mittel, die bereits zur Verfügung stehen, viel konsequenter genutzt werden.
Fast jede Schule verfügt über eine Moodle Installation, die, obwohl es Open Source Software ist, den Steuerzahler mit Unsummen belastet. Nur dann, wenn Schulen die bereits vorhandenen technischen Lösungen konsequent einsetzen und nutzen, kann man den politischen Entscheidern und dem Steuerzahler demonstrieren, dass sich die bereits geleisteten und weiteren Investitionen auch lohnen. Nur wer die vorhandenen technischen Lösungen konsequent einsetzt, weiß, woran es fehlt und in welchen technischen Bereichen künftige Verbesserungen (von Seiten der Industrie) und Investitionen (von Seiten der Politik) dringend nötig sind und gefordert werden müssen.
Ideal wäre, wenn im Jahr 2020 alle Schulen über die technische Ausstattung für den Unterricht verfügen, die modernen Anforderungen gerecht werden. Lehrer, Schüler und Eltern sollten mehr Gehör finden, wenn es darum geht, zu entscheiden, welche technischen Hilfsmittel in der jeweiligen Schule zum Einsatz kommen.