Schulleiter-Befragung zur Nutzung digitaler Medien
Essen, Juni 2015 - Weder begeistert noch ablehnend stehen Schulleiterinnen und Schulleiter in Deutschland dem Einzug digitaler Medien gegenüber. Vielmehr sind sie mehrheitlich positiv eingestellt, wenngleich mit unüberhörbaren kritischen Untertönen. Während die Vorteile digitaler Medien in der besseren Visualisierung, der schnelleren Informationsrecherche und der höheren Motivation der Schüler gesehen werden, wird die häufig naive und unreflektierte Nutzung von Smartphones, Google und Social Media als ernstes Problem bewertet.
Auch die Aus- und Weiterbildung der Lehrer in Sachen Digitalisierung wird als vordringliche Aufgabe beschrieben. Bisher findet diese eher informell und nebenbei statt – quasi im "Do-it-yourself"-Modus. Dies sind einige Kernaussagen einer aktuellen qualitativen Expertenbefragung von Schulleiterinnen und Schulleitern (Alter 43 bis 63 Jahre), die das mmb-Institut für Medien- und Kompetenzforschung in den vergangenen Wochen an elf Gymnasien und Gemeinschaftsschulen in sieben Bundesländern durchgeführt hat.
Problem Mobbing und Mediendidaktik
Was den Schulleitern grundsätzlich Sorgen bereitet, sind die verschiedenen Formen des Mobbings in sozialen Medien wie z.B. WhatsApp, Instagram und Snapchat: Die reichen vom harmlosen Bloßstellen bis zur bösartigen Verleumdung – oftmals auch von Schülern außerhalb der eigenen Schule. Nachdem vor einigen Jahren auch manche Lehrer zur Zielscheibe negativer Äußerungen im Web wurden, leiden heute vor allem die Schüler selbst darunter.
Fast alle befragten Verantwortlichen betonen die Notwendigkeit, dieses Thema in den Griff zu bekommen. Das Problem dabei: Die Schüler zeigen sich meist recht unzugänglich für die gutgemeinten Ratschläge ihrer Erzieher. "Unsere Schüler denken häufig: Ihr wollt uns das doch nur madig machen", berichtet der Leiter eines großen Gymnasiums. Er hält seine Schüler – selbst die aus höheren Klassen – für "intellektuell überfordert in der Wahrnehmung der Power, die sie in der Hand halten" und folgert: "Das ist auch eine Frage der Reife".
Herausforderung Qualifizierung
Durchweg beklagen die Schulleiterinnen und Schulleiter auch den Mangel an didaktischen Konzepten für den Einsatz digitaler Medien. Welche Lernsoftware für das jeweilige Fach sinnvoll ist und wie Whiteboards oder Smartphones wirksam im Fach-Unterricht eingesetzt werden können, ist nach Meinung der Schulleitungen weithin unklar. Ob und wie die Lehrerinnen und Lehrer solche Medien nutzen, scheint oft vom beiläufigen Austausch unter Kollegen abzuhängen. Oder man schaut den jungen Referendaren über die Schulter.
Obwohl die Kollegen nach Beobachtung der Schulleiter im Privatleben selbstverständlich digitale Medien nutzen, sind sie bei deren Verwendung im Lehr- und Lernkontext häufig unsicher – insbesondere wenn es um Social Media wie Facebook, WhatsApp oder Snapchat geht. Eine systematische Qualifizierung für Lehrer wäre sicherlich hilfreich.
Allerdings sehen die Schulleiter hier die größten Herausforderungen: "Das Durchschnittsalter unseres Kollegiums liegt bei etwa 57/58 Jahren. Die Kollegen müssen explizit geschult werden – und das braucht Zeit", konstatiert die 60-jährige Leiterin eines Gymnasiums. Ähnlich formuliert es ihr 57-jähriger Kollege: "Das ist eine Frage des Alters. Bei denjenigen, die drei Jahre vor der Rente stehen, braucht man es gar nicht mehr zu versuchen". "Generell", so formuliert ein anderer Schuleiter, sei die Weiterbildung "schwierig – bei der Arbeitsbelastung".
Beim Thema Qualifizierung machen die Schulleiter allerdings auch deutlich, dass keine ausreichenden Budgets vorhanden sind und der Einkauf externer Berater oder Experten daher meistens unmöglich sei.
So lässt sich zusammenfassend feststellen, dass unzureichende Lehrerfortbildung, fehlende didaktische Konzepte, Vorbehalte und Bedenken seitens der – nicht nur älteren – Lehrerschaft sowie ungenügende Finanzierungsmöglichkeiten für Betrieb, Support und Lernsoftware die derzeit größten Herausforderungen in Sachen Digitale Schule darstellen.
Auf der anderen Seite stehen große Hoffnungen und Erwartungen mit Blick auf einen modernen und motivierenden digitalen Unterricht, die Schulleiterinnen und Schulleiter hierzulande umtreiben. Sie wissen um die Möglichkeiten und auch Notwendigkeiten der Bildungs-Digitalisierung, kennen aber auch nur zu gut die alltäglichen Risiken und Probleme ihrer Schüler beim Umgang mit diesen Technologien.
"Die Schulen", so fasst Dr. Ulrich Schmid vom mmb-Institut das Ergebnis der Befragung zusammen, "stehen noch ein Stück weit vor der Professionalisierungsschwelle in Sachen Digitalisierung. Es gibt sehr viele offene Fragen, wobei es generell weniger um technische als um inhaltliche und didaktische Themen geht."