Qualität

Maß beruflicher Handlungsfähigkeit = Qualität der Berufsbildung

Bonn, August 2008 - (von Horst Mirbach, BIBB) Was "Qualität" ist, darüber sind sich Theorie und Praxis der Berufsbildung (und der allgemeinen Bildung) in Deutschland nicht einig, ja zutiefst im Unklaren. Es gibt aber eine seit Jahrzehnten international und fächerübergreifend anerkannte allgemeine Definition des Qualitätsbegriffs (Verhältnis von erreichter zu geforderter Beschaffenheit), und es gibt eine gesetzliche Festlegung des Ziels der Berufsbildung: berufliche Handlungsfähigkeit.




Welche Folgen eine sich hieraus ergebende genaue Qualitätsdefinition für Wissenschaft und Praxis in der Berufsbildung hat, soll im Workshop A 1 des Fernausbildungskongresses am 09. September 2008 (Raum 405/406) erörtert werden.


Es ist kaum zu bestreiten, dass es in Deutschland z. Zt. "kein einheitliches Verständnis des Qualitätsbegriffs (in der Berufsbildung) gibt und … die in der Praxis angewandten Methoden und Instrumente keine validen Standards und Indikatoren zur Qualitätssicherung darstellen" (so das Bundesministerium für Bildung und Forschung u.a. in Anlehnung an Gutachten von Euler und Spöttl).

Aber was wäre, wenn es einen eindeutigen, trennscharfen Begriff der Qualität in der Berufsbildung gäbe, den wir auch in Deutschland in der Berufsbildung übernehmen könnten? Welches wären die Folgen für Wissenschaft und Praxis?

Denn man kann auch feststellen: Unklar ist nicht der Begriff der Qualität in der Berufsbildung als solcher, sondern nur die (häufige) Art der Verwendung dieses Worts. "Qualität" ist als wissenschaftlicher Begriff seit mehr als 35 Jahren fachübergreifend international einheitlich festgelegt und schwankt in seiner Formulierung je nach Fachbereich nur um Nuancen. Er betrifft Produkte aller Art ebenso wie Dienstleistungen jeder Art - ingenieurtechnische ebenso wie z.B. ärztliche (Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen).

"Qualität" beruht auf einem Vergleich, ist die "Relation zwischen realisierter Beschaffenheit und geforderter Beschaffenheit", ist der "Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Forderungen erfüllt". Eine Aussage zur "Qualität" setzt immer voraus, dass eine Festlegung von Soll-Werten erfolgt ist, mit denen verglichen wird. Im Bereich der Berufsbildung sind Soll-Werte die Ziele der Berufsbildung und - aus diesen abgeleitet - die Ziele einzelner Maßnahmen.

In der Europäischen Union wird ein trennscharfer, genauer Qualitätsbegriff in Anlehnung an ISO und USEPA bereits seit längerem auch im Bereich der Berufsbildung benutzt. Er wird u.a. ausdrücklich als Grundlage des jüngsten Vorschlags für einen europäischen Bezugsrahmen für Qualitätssicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung vom 09.04.2008 genannt.

In der deutschen Berufsbildung wurde dieser trennscharfe, genaue Qualitätsbegriff bisher nicht benutzt. Tatsächlich ist aber kein triftiger Grund ersichtlich, warum dieser international übliche wissenschaftliche Qualitätsbegriff nicht auch auf Dienstleistungen der Bereiche allgemeine und berufliche Bildung angewandt werden sollte.

Er hätte allerdings zur Folge, dass sich Theorie und Praxis der Berufsbildung mehr damit befassen müssten, was im Einzelfall "berufliche Handlungsfähigkeit" bedeutet, und sie müssten sich bei dem Bemühen um "mehr Qualität" ausschließlich danach richten, ob und wie weit die vorgeschlagenen Konzepte und Instrumente geeignet sind, diese berufliche Handlungsfähigkeit im Einzelfall zu erreichen.