Azubis "catchen" mit komplexen Serious Games
Karlsruhe/Augsburg, Dezember 2019 – Lernen soll Spaß machen. Davon ist Jörg Prohaszka als Arbeitsgebietsleiter Digitale Qualifizierung im Ausbildungszentrum Augsburg der DB Bahnbau Gruppe GmbH überzeugt. Das Projekt "Serious Games im Bauhandwerk – Azubis werden zu Avataren" versucht durch den Einsatz bekannter Avatare den Lerntrieb zu stimulieren. Auf dem LEARNTEC-Kongress berichtet er am 30. Januar 2020 um 11.30 Uhr von den Ergebnissen des Lernprojekts.
Die Deutsche Bahn hat für ihre Azubis in unterschiedlichen Berufssparten in den letzten Jahren verschiedenste Lernprojekte wie "WebZubi" oder "PRIME" angestoßen und eingeführt. Welche Erwartungen sind mit "Serious Games im Bauhandwerk – Azubis werden zu Avataren" verbunden und haben sie sich erfüllt?
Jörg Prohaszka: Viele Lernprojekte der Deutschen Bahn haben die Zielgruppe der gewerblich-technischen Azubis nicht richtig abgeholt. "Serious Games im Bauhandwerk – Azubis werden zu Avataren" ist speziell auf die Bedürfnisse dieser speziellen Zielgruppe ausgerichtet und spiegelt den Azubi in seinem Berufsalltag in bestimmten Lernsituationen wieder. Die Erwartung an das Projekt war an die folgenden kausalen Hypothesen geknüpft: Gewerblich-technische Azubis, wie z. B. der Gleisbauer haben große Schwierigkeiten sich konzentriert Fachwissen anzueignen und in der Praxis anzuwenden. Das Lernen mit traditionellen Lernmitteln wie Fachbüchern und Skripten fällt vielen schwer.
Der Azubi von heute lernt anders. Ein komplexes Computerspiel wird in kürzester Zeit, fast ohne Anleitung erlernt und in der Freizeit oft gespielt. Komplexe Zusammenhänge im Spiel werden schnell und intuitiv erlernt und angewandt. Personen und deren Aufgaben, Werkzeuge und deren Einsatz werden extrem schnell erfasst und verinnerlicht. Die Idee „Serious Games im Bauhandwerk – Azubis werden zu Avataren“ hat sich diese Erkenntnis zu nutzen gemacht. Die Erwartung die Azubis hier zu "catchen", hat sich voll und ganz erfüllt.
Welchen Unterschied machen Serious Games in der Ausbildung im Vergleich zu herkömmlichen Lernprogrammen?
Jörg Prohaszka: Ausgehend von der Forderung, dass Lernen Spaß machen soll, sind verschiedene unterhaltsame Lernspiele entstanden. Oft fehlte aber die Identifikation mit den beruflichen Inhalten. Das ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass Lehrberufe, wie Gleisbauer, Tiefbauer, usw. oft nur deshalb gewählt wurden, weil die Wunschberufe nicht verfügbar waren oder die Anforderungen bei der Bewerbung unzureichend waren.
Fazit: Das Interesse am Lehrberuf ist meist gering und das macht das Lernen noch schwieriger. "Serious Games im Bauhandwerk – Azubis werden zu Avataren" versucht durch den Einsatz bekannter Avatare (das können z. B. Ausbilder, Berufschullehrer, Azubis anderer Lehrjahre sein) die Aufmerksamkeit zu erhöhen, den Identifikationsgehalt zu steigern und durch unterhaltende Effekte den natürlichen Lerntrieb zu stimulieren und zu aktivieren. Aber auch die Motivation und das Interesse an der eigenen beruflichen Tätigkeit wird so erhöht. Durch die Mitwirkung bei der Aufgabenerstellung, erfahren die Azubis eine besondere Wertschätzung durch das Unternehmen. Hierdurch versprechen wir uns, unsere Mitarbeiter stärker an das Unternehmen zu binden und die Arbeitgeberattraktivität zu steigern.
Lernen Azubis als Avatar besser, schneller, nachhaltiger?
Jörg Prohaszka: Sie lernen anders. Das Bewusstsein beim Spielen suggeriert ständig: "Hier spiele/lerne ich in meinem alltäglichen Umfeld, die Figuren um mich herum kenne ich, bzw. ich identifiziere ich mich damit, weil sie so sind wie ich." So wird das Lernen nicht mehr als anonymes Auswendiglernen von Stoff interpretiert, sondern als Teil des Berufslebens. Einerseits haben sich die Prüfungsergebnisse seit dem Einsatz der Lernspiele deutlich verbessert und andererseits ist das Interesse am Beruf gestiegen, da durch die höhere Aufmerksamkeit auch komplexe Arbeitsschritte besser verstanden wurden. Somit ist das Lernen auch besonders nachhaltig.
Welche Laufzeit hat das Projekt und wovon ist seine Fortführung abhängig?
Jörg Prohaszka: Das Projekt ist so erfolgreich verlaufen, dass ab September 2019 eine ganze Abteilung eingerichtet wurde, die sich mit dem Thema beschäftigt. Wichtig ist für die Zukunft, immer wieder neue Erlebnisse, Level und Herausforderungen in die Spiele zu integrieren.
Mit welchen Vorlaufzeiten und Kosten war die Umsetzung der Idee verbunden?
Jörg Prohaszka: Insgesamt hat sich die Entwicklungszeit des ersten Prototypen über ein Jahr hingezogen, da viel nebenbei entstanden ist. Viele Trainer und Didaktiker haben stunden- und tageweise an der Erstellung mitgewirkt und immer wieder Inhalte beigesteuert. Um kostensparend zu arbeiten wurden auch viele Tätigkeiten auch von Werkstudenten übernommen. Die Entwicklungskosten betragen etwa 300.000 Euro.