ILIAS

"KI sollte als Assistenzsystem verstanden werden"

Christopher KraußAndreas PippowBerlin, März 2025 - Künstliche Intelligenz im eLearning ist ein Themenschwerpunkt der 24. ILIAS Konferenz am 5. und 6. Juni in Berlin. Ausrichterin ist in diesem Jahr die Kröpelin Projekt GmbH gemeinsam mit dem ILIAS open source e-Learning e.V.. Die Fraunhofer-Gesellschaft wird den Themenschwerpunkt mitgestalten und KI-Projekte vorstellen. Dr. Volker Pesch, Kröpelin Projekt GmbH, stellte dazu vorab drei Fragen an Dr. Christopher Krauß vom Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS und Dr. Andreas Pippow vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT.

Generative KI gilt als echter Game Changer im eLearning. Worin besteht – Stand heute –  der praktische Nutzen für Lernende?

Dr. Christopher Krauß / Dr. Andreas Pippow: Künstliche Intelligenz in der Bildung bereichert viele Nutzende, wie Lehrende, Medienersteller oder Ausbildungskoordinatoren. Die wahrscheinlich relevanteste Zielgruppe stellen jedoch die Lernenden dar. KI soll dabei als Assistenzsystem verstanden werden, das das Lernen in erster Linie personalisierter gestaltet.

Einsatzgebiete sind zum Beispiel individuelle Lernstands- und Lernbedarfsanalysen zur besseren Selbsteinschätzung, Lernempfehlungen, um Wissenslücken zu kompensieren, oder adaptive Lernpfade, die einen auf die jeweilige Person zugeschnittenen Weg durch die nächsten Themen anbieten. Das technologische Herzstück von aktuellen KI-basierten Assistenzsystemen sind die großen Sprachmodelle (LLMs – Large Language Models).

Hiermit haben wir die Möglichkeit, unterstützende Funktionen zu realisieren, die wir bisher von Systemen nicht kannten. Die Wissensaneignung erfolgt potenziell effizienter, weil ich als Lernender durch schnelle und personalisierte Rückmeldungen Verständnisprobleme besser adressieren kann. Generative KI kann mich auch bei der Selbstreflexion und kritischem Denken unterstützen. So kann ich ein LLM als Sparringspartner für Argumentationsprozesse nutzen oder mich abfragen lassen. Durch die dialogische, oft menschlich wirkende Interaktion habe ich als Lernender außerdem das Gefühl aktiv eingebunden zu sein, was meine Motivation enorm steigern kann.

Für die Bundeswehr, genauer gesagt das Kommando Heer und das Ausbildungskommando Heer, entwickeln und erproben wir derzeit einen LLM-basierten Lerntutor mit dem Namen rAIbert, der den Teilnehmenden im Lernmanagementsystem Rede und Antwort zu den fachlichen Inhalten des Lehrgangs steht. Er analysiert die persönlichen Lernfortschritte und erworbenen Kompetenzen. Auch bei komplexen Fragen gibt er fundierte Antworten basierend auf seinem vortrainierten Wissen und den analysierten Lerninhalten, um die Antwort in einen anwendungsnahen Kontext zu setzen.

Lassen sich solche Chatbots einfach und anwenderfreundlich in die ILIAS-Lernplattform integrieren?

Dr. Christopher Krauß / Dr. Andreas Pippow: Wir können heute bereits ganz einfach einen Chatbot in ILIAS integrieren. Ich kann als User dann aus dem System heraus eine Erfahrung erleben, die man etwa von ChatGPT bereits kennt. Die viel wichtigere Frage ist aber, ob dieser Chatbot dann das leistet, was er soll. Einen Chatbot bereitzustellen, der irgendwelche Antworten liefert oder irgendwelche Aufgaben im Lernprozess unterstützt, ist relativ einfach. Aber sind das die Aufgaben und Lernprozesse, die meine Zielgruppe am besten unterstützen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir erst einmal die Nutzergruppen verstehen, die später mit dem Chatbot lernen sollen.
Mit so einem nutzerzentrierten Ansatz kommen dann interessante Anforderungen heraus, wie etwa, dass sich Lernende nicht nur einen rein textbasierten Zugang zu Lernmaterialien wünschen, sondern am liebsten einen Zugang zu verschiedenen Medienformen wie Video, Bild und Ton. In diesem Fall hieße das, dass das System nicht nur die Interaktion mit diesen Medien ermöglichen soll, sondern möglichst auch Antworten multimodal bereitstellt. Das ist jetzt ein Beispiel für eine Anforderungen, die wir nicht mal eben realisieren können, und soll verdeutlichen, dass eine sinnvolle und eben vom Nutzenden her gedachte Bereitstellung eines Chatbots durchaus anspruchsvoll sein kann.

Die Integration von LLM-basierten Chatbots in Lernplattformen wie ILIAS ist sowohl einfach als auch anwenderfreundlich möglich, insbesondere durch die Nutzung offener Standards wie xAPI und LTI. Diese offenen Standards ermöglichen es, Lerninteraktionen effizient zu erfassen und die KI-Dienste nahtlos in die Plattform zu integrieren. xAPI, auch bekannt als Experience API, erfasst detailliert Lerninteraktionen, wodurch eine personalisierte Lernerfahrung ermöglicht wird. LTI, also Learning Tools Interoperability, erleichtert die nahtlose Einbindung externer KI-Dienste in das Lernmanagementsystem, ohne dass aufwändige Anpassungen notwendig sind.
Zudem nutzen wir LTI auch für die Zugänglichmachung der Lerninhalte für den LLM-basierten Chatbot mittels des sogenannten Retrieval Augmented Generation (RAG). Unsere Common Learning Middleware fungiert hierbei als zentraler Knotenpunkt, der die verschiedenen Dienste und Datenquellen orchestriert. Sie sorgt dafür, dass alle Komponenten reibungslos zusammenarbeiten und eine nahtlose Integration gewährleistet wird.

Ein praktisches Beispiel ist ein LLM-basierten Lerntutor, der in das ILIAS der Fraunhofer Academy eingebettet wird und den Lernenden bei Fragen zu den Kursinhalten unterstützt. Dank xAPI kann der Chatbot detaillierte Interaktionsdaten verarbeiten, während die Kursinhalte über LTI ausgewertet werden und der Chatbot nahtlos in der Plattform dargestellt wird.

Welche zentralen Herausforderungen bringt der Einsatz von KI im eLearning mit sich?

Dr. Christopher Krauß / Dr. Andreas Pippow: Eine der größten Herausforderungen beim Einsatz von KI im eLearning ist der Umgang mit sensiblen Daten. Während Cloud-Dienste enorme Vorteile in Bezug auf Rechenleistung, Wissensumfang und Leistungsfähigkeit bieten, kommt es häufig vor, dass besonders sensible Daten nur lokal im Unternehmen verarbeitet werden dürfen. Dies erfordert leistungsfähige und effiziente Modelle, da Cloud-Dienste in solchen Kontexten nicht eingesetzt werden können.

Ein weiterer Aspekt betrifft die Fähigkeit der Nutzenden, die generierten Antworten kritisch zu hinterfragen. KI-Chatbots haben häufig Schwierigkeiten, ihre eigenen Fehler oder Halluzinationen zu erkennen. Um Nutzenden zu helfen, die Qualität der Antworten besser einschätzen zu können, sind Quellenangaben äußerst hilfreich. Sie ermöglichen es den Lernenden, die Informationen nachzuvollziehen und deren Genauigkeit zu überprüfen.

Ebenso wichtig ist die Frage der Urheberschaft der Quellen. Hier spielen Standards wie C2PA eine wichtige Rolle. Diese Standards helfen, die Historie von Dokumenten und Medien zu verfolgen und sicherzustellen, dass neugenerierte Antworten als "generiert" gekennzeichnet und mit relevanten Metadaten, zum Beispiel zu Modell, Prompt und den Quellen, versehen werden. Dies trägt dazu bei, Falschinformationen und Fehlinterpretationen zu minimieren und die Transparenz zu erhöhen.

Darüber hinaus sollte KI sich einer geeigneten, von Experten ausgearbeiteten Didaktik unterordnen oder neue didaktische Konzepte ermöglichen. Sie ist jedoch kein Selbstzweck und allein nicht dafür verantwortlich, das Lernen effizienter und effektiver zu gestalten.