Richtig ausgewählt ist halb konzipiert
Saarbrücken, August 2018 - Weshalb sollten wir alle Lerninhalte für unsere Mitarbeiter selbst entwickeln? Diese Frage stellen sich viele Weiterbildungsverantwortliche in Unternemen zu recht, denn mitunter sind freie oder über Lizenzen verfügbare Inhalte aus fremden Quellen nicht nur aktuell, sondern auch ansprechend aufbereitet und gut recherchiert. Gerade, wenn es darum geht, Mitarbeitern schnell und einfach Basiswissen zu allgemeingültigen Themen zu vermitteln, stellen solche "kuratierten" Inhalte eine sinnvolle Alternative zu den aufwändigeren und damit teureren Eigenproduktionen dar.
Doch Vorsicht! Das Auswählen, Zusammenstellen und Empfehlen von Lerninhalten bedarf etwas Übung und Fingerspitzengefühl. Uwe Hofschröer, Digital Learning Consultant bei IMC, verrät, was hinter dem Begriff "kuratieren" steckt und worauf Unternehmen achten sollten, die das Prinzip "Content Curation" nachhaltig in ihre Weiterbildungsstrategie einbinden möchten.
Was genau ist eigentlich ein kuratierter Inhalt?
Uwe Hofschröer: Das ist ganz einfach. Kuratierte Inhalte sind alle Inhalte, in unserem Kontext Trainingsinhalte, die ein Unternehmen nicht selbst produziert, sondern aus fremden Quellen auswählt und zusammenstellt. Die Formate sind vielfältig und reichen von frei im Netz verfügbaren Erklärvideos und Infografiken bis hin zu Artikeln, die das Unternehmen zunächst recherchiert und anschließend in übergeordete Themenbereiche eingliedert und kontextualisiert. Die veröffentlichten Inhalte werden im Anschluss bewertet - entweder von der Person, die sie eingestellt hat oder einem Mitarbeiter, der sie später nutzt und anschließend Feedback gibt.
Bereitgestellt werden die Inhalte entweder durch eine zentrale dafür zuständige Abteilung innerhalb des Unternehmens oder in freierer Form durch Mitarbeiter oder Fachabteilungen, die für ihre Fachgebiete Content "kuratieren". Die Plattform, auf der die Inhalte gesammelt werden, ist in der Regel ein Learning Management System (LMS) oder ein vergleichbares System.
Welche Rolle spielt das Thema "Kuratieren" aktuell in Unternehmen?
Uwe Hofschröer: In der Vergangenheit haben Unternehmen die benötigten Trainingsinhalte selbst verantwortet, das heißt selbst erstellt (oder erstellen lassen) und allenfalls Seminare oder Veranstaltungen zum Beispiel bei externen Veranstaltern "eingekauft". Weiterbildungsverantwortliche tun sich allerdings zusehends schwer damit, die Vielfalt der Themen, die sie heute anbieten müssen, komplett „in house“ unter Aufwendung der eigenen Ressourcen in der gewünschten Qualität zu produzieren, da sich die Themen und Inhalte in vielen Branchen wie der Versicherungsbranche oder auch dem Handel rasend schnell ändern und dabei gleichzeitig an Breite und Tiefe gewinnen.
Aktuelle Themenbeispiele für Kurztrainings, mit denen Mitarbeiter idealerweise möglichst schnell versorgt werden müssen, sind zum Beispiel die Potenziale von "Design Thinking" oder "Big Data". Zu solchen Themen gibt es eine Fülle erstklassiger Inhalte im Netz. Digitalisierung und Vernetzung haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Menge an Inhalten zu allen erdenklichen Themen immens gewachsen ist.
Diese Entwicklung ging mit dem Aufkommen von Anbietern für Nischenthemen einher, die spezifische Inhalte für einen bisher noch ungedeckten Bedarf erstellen. Immer mehr Unternehmen beschäftigen sich daher ernsthaft mit den Chancen, die kuratierter Content bietet, um den sich schneller wandelnden Bedarf ihrer Mitarbeiter kurzfristig und zielgenau abzudecken. Essentiell sind in diesem Zusammenhang eine gewissenhafte Vorauswahl und Qualitätskontrolle, denn schließlich geht es beim Kuratieren nicht darum, den erstbesten Inhalt "aus dem Netz zu fischen", sondern die besten und sachdienlichsten Quellen für das Unternehmen sowie dessen Themen und Mitarbeiter zu finden. Besonders wichtig ist, dass die Inhalte von den Mitarbeitern ohne weiteres verstanden und genutzt werden können.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen Weiterbildungsverantwortliche den Bedarf ihrer Mitarbeiter gut kennen. Kurz gesagt sind Qualität und das Stellen der richtigen Fragen im Vorfeld daher beim Kuratieren ein absolutes Muss. Kuratierte Inhalte brauchen also ganz eindeutig einen Qualitätscheck, auch damit keine falschen Inhalte geteilt werden oder die Tonalität stimmt. Welche Personen können diese Aufgabe in einem Unternehmen am besten übernehmen?
Uwe Hofschröer: Das kommt auf die Menge und die kuratierten Inhalte selbst an. Unternehmen sollten nicht unterschätzen, dass "Kurator" ein eigenes Tätigkeitsprofil sein sollte ist, wenn Professionalität und gute Ergebnisse das Ziel sind. Ein Kurator hat nicht nur die Aufgabe, die richtigen Quellen für den benötigten Content zu finden, sondern ist außerdem dafür verantwortlich, die Inhalte fortwährend zu bewerten und sinnvoll ins Trainingsangebot des Unternehmens einzugliedern und über eine technische Plattform bereitzustellen. Eine Einzelperson kann diese Aufgabe für eine breite Palette nachgefragter Themen nicht zwangsläufig im Alleingang oder sogar neben seinen eigentlichen Aufgaben meistern.
Je größer und fachbezogener die Menge der kuratierten Inhalte ist, desto entscheidender ist es, ein dezentrales System zur Unterstützung aufzubauen. Konkret bedeutet das, auf den "Crowd" Faktor der Mitarbeiter zu setzen oder gezielt Fachexperten als Mitkuratoren zu gewinnen. In einem solchen System käme der zentralen L&D Abteilung dann eher die Rolle des Initiators, Supervisors und Enablers zu. Auch kann die L&D Abteilung schauen, ob sie evtl. auf Dienstleister für Content Curation zurück greift.
Einen Mitarbeiter im Unternehmen interessiert es vor allem, ob der Inhalt ihm in einer schwierigen Situation hilft, ein Problem zu lösen. Die Quelle ist dabei meist nur sekundär, gerade dann, wenn schnell eine Lösung her muss. Spricht in einer solchen Situation etwas dagegen, gute öffentliche Inhalte der Konkurrenz zu verwenden und ist das vielleicht sogar zu empfehlen?
Uwe Hofschröer: Generell spricht nichts dagegen, da sich kuratierte Inhalte oftmals um Themen drehen, die nicht die Kerngeschäfte oder -prozesse des Unternehmens berühren, sondern eher allgemeiner Natur sind. Immer wiederkehrende Themenfelder sind beispielsweise Management-Themen, Kommunikation oder allgemeines technisches Grundlagenwissen. Nur bei solchen Themen ist außerdem die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie offen und frei verfügbar sind. Kritischer wird es, wenn spezielles Wissen extern und kuratiert beschafft werden soll.
Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine spezifische Technologie des Unternehmens oder für das Unternehmen kritische Themen beschrieben werden sollen, bei denen die eigene Sicht des Unternehmens sehr wichtig ist (Wie bewerten wir Markt-Trends? Was ist unser Ansatz für die Gestaltung der Usability unserer Produkte?). Das Unternehmen muss in solchen Situationen von Fall zu Fall entscheiden, ob ein Inhalt zwar allgemein in Ordnung ist, sich jedoch zu stark von der eigenen Strategie und "Message" unterscheidet.
Gibt es aus Ihrer Sicht beim guten und effizienten Kuratieren von Inhalten ein paar "Grundzutaten", die der Kurator nicht vergessen sollte und verraten Sie, welche das sind?
Uwe Hofschröer: Ja, die gibt es. Am wichtigsten ist es, dass Unternehmen den Blick durch die Nutzerbrille wagen und sich fragen: Welche Inhalte brauchen die Nutzer wirklich? Bieten wir derzeit zuviel oder zu wenig Content an? Wo müssen wir aufstocken und wo ausmisten? "Viel hilft viel" ist da in der Regel keine gute Vorgehensweise. Auch wenn Inhalte bereits verfügbar sind: es ist sinnvoll, die kuratierten Inhalte so anzuordnen, wie es für das Unternehmen sinnvoll ist und einen roten Faden durch die Inhalte zu ziehen, um sie in einem logischen und für die Mitarbeiter nachvollziehbaren Zusammenhang zu verorten.
Natürlich braucht das Unternehmen außerdem sinnvolle Prozesse und Tools, um den fortlaufenden Prozess des Kuratierens zu organisieren. Eine klassische Falle, in die Unternehmen oft tappen, ist zu glauben, dass es mit einem einmaligen Einpflegen und Recherchieren getan sei. Das Gegenteil ist der Fall: Kuratieren ist vielmehr ein sich stetig wiederholender Prozess aus Suchen, Dokumentieren und Überprüfen, bei dem die Herausforderung vor allem darin besteht, den Überblick zu behalten.
Welchen Mehrwert können digitale Trainingslösungen beim Kuratieren von Inhalten bieten?
Uwe Hofschröer: Am offensichtlichsten ist hierbei sicher, dass sich über Plattformen wie ein LMS die kuratierten Inhalte den Mitarbeitern bereitstellen beziehungsweise zuweisen lassen. Doch sie bieten noch weitere Vorteile. So lassen sich beispielsweise mithilfe digitaler Lösungen zur Inhaltsaufbereitung Schnittstellen zu externen Quellen schaffen oder Daten zum Content für die Suche nach Inhalten bündeln. Außerdem helfen sie beim Kuratieren selbst, beispielsweise beim Sammeln, Kommentieren oder Bewerten von Contents. Es existieren inzwischen sogar Lösungen, die so fortgeschritten sind, dass sie als Unterstützung bei der automatisierten Prüfung von Inhalten, der Klassifizierung von Content oder der automatischen Anzeige von Verbindungen zu bereits erfasstem Content genutzt werden können.