IT-Fachkräftemangel schlägt auf die Schulen durch
Stolberg, November 2022 - Die Schüler*innen auf ihre Zukunft vorbereiten: Das sollte an deutschen Schulen eigentlich der Regelfall sein. Aber gerade im Bereich der Digitalisierung hapert es gewaltig. Während der Corona-Pandemie mussten sich Deutschlands Schulen über Nacht umstellen, von analogem Präsenzunterricht auf digitalen Fernunterricht. Die Digitalisierung des deutschen Bildungssystems hat dadurch einen ordentlichen Schub bekommen. Leider hat die Sache einen Haken: der Fachkräftemangel an IT-Spezialisten, der die Administration der angeschafften Geräte massiv erschwert.
Über sechs Milliarden Euro stellt die Bundesregierung mit dem Digitalpakt insgesamt zur Verfügung, um den Bildungsbetrieb in Deutschland zu digitalisieren. Das übergeordnete Ziel: Lernende sollen die notwendigen Kompetenzen erwerben können, um in einer digitalisierten Arbeits- und Lebenswelt zu bestehen. Das Bundesbildungsministerium betont, dass durch den Digitalpakt Schule digitale Werkzeuge und Infrastruktur für zeitgemäßes Lernen und Lehren in den Schulen ankomme. Auch würden technisch bedingte Lücken geschlossen und nachhaltige Grundstrukturen in den Ländern und Schulen unterstützt sowie Lehrkräfte durch den Aufbau von zeitgemäßen IT-Administrationsstrukturen entlastet.
Die dazu unlängst veröffentlichten Zahlen zeichnen allerdings ein anderes Bild: Zwar wurden die Finanzmittel der Zusatzvereinbarung zum Digitalpakt, mit denen Schulen mobile Endgeräte für Schüler*innen anschaffen konnten, schnell abgerufen. Die dafür bereitgestellten 500 Millionen Euro waren bis zum Jahresende 2021 bereits abgeflossen. Auch die Gelder der Zusatzvereinbarung, mit der Schulträger Leihgeräte für Lehrkräfte finanzieren konnten, sind mittlerweile weitgehend ausgeschöpft (mit 483 Millionen von 500 Millionen Euro). Die zusätzlichen Tablets und Laptops aus den Sonderprogrammen für Schüler und Lehrer seien fast vollständig in den Schulen angekommen, meldete Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Anfang September.
Fördergelder für den Aufbau der IT-Administration könnten verfallen
Doch was nutzen digitale Endgeräte, wenn Schulen keine Fachleute für die Einrichtung und Wartung der Systeme zur Verfügung stehen? Beim Aufbau der IT-Administration sind bis zum 30. Juni dieses Jahres von den dafür zur Verfügung gestellten 500 Millionen Euro erst 116 Millionen Euro beantragt und bewilligt worden. Davon wurden gerade einmal 18 Millionen Euro für Projekte ausgezahlt. Bei 30.000 Schulen in Deutschland sind das umgerechnet etwa 600 Euro pro Einrichtung.
Die Folge: Nach wie vor hängt es allzu häufig vom Engagement einzelner Lehrkräfte ab, was mit den Geräten in der Praxis passiert. "Die Praxis sieht nach wie vor häufig so aus, dass sich der Mathekollege mit zwei Stunden Ermäßigung um die IT-Technik vor Ort kümmern muss. Das kann nicht sein – und darf vor allem nicht so bleiben", so erklärte die Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands Prof. Susanne Lin-Klitzing, als Gast am didacta-Stand von AixConcept, dem IT-Dienstleister für Schulen.
Es steht nun zu befürchten, dass die bereit gestellten Gelder, gerade für den Aufbau der IT-Administration, verfallen könnten. Der DigitalPakt Schule endet nämlich 2024 und ob es ein Anschlussprojekt geben wird, ist noch offen. "Die nötige Betreuung hört nicht auf, wenn die Endgeräte in die Schule gekommen sind. Ohne die wird es nicht gehen", erläutert AixConcept-Gründer Volker Jürgens.
Kommunen fehlt das Personal
Das Problem: Selbst wenn das Geld aus dem Digitalpakt plötzlich abgerufen würde - die Schulträger, die Kommunen also, können die Administration gar nicht leisten. Ihnen fehlt dafür das notwendige Personal. Jürgens betont, dass es in mittelständischen Unternehmen genügend Knowhow gäbe, um die Schulen im Bedarfsfall vor Ort schnell in technischen Fragen zu unterstützen. Dies sei in den Kommunen eben nicht der Fall. Nur durch eine Zusammenarbeit mit der mittelständischen Wirtschaft könne gewährleistet werden, dass die Lehrkräfte keine fachfremden Aufgaben übernehmen müssten.
Auch im Rhein-Erft-Kreis stellt man sich die Frage, wie mit dem akuten Fachkräftemangel umzugehen ist und wie der IT-Support für die Schulen adäquat aufgebaut werden kann. Landrat Frank Rock geht davon aus, dass die IT-Dienstleistungen in Zukunft von externen Unternehmen mit übernommen werden müssten, da dort die Fachkräfte zu finden seien: "Als Kommunalverwaltung bekommen wir auch einfach nicht mehr genug Fachleute, weil wir nicht entsprechend zahlen können. Wir sind ja an den Tarifvertrag des öffentlichen Diensts gebunden und junge Informatiker, die auf ihrem Gebiet top sind, können in der freien Wirtschaft einiges mehr verdienen als bei uns. Aus dem Grund trifft uns der Fachkräftemangel wirklich hart. Wir versuchen natürlich, Leute für die Kommunalverwaltung zu motivieren, wir bieten gute Rahmenbedingungen, aber der Fachkräftemangel ist ein Riesenproblem."
Recruiterin: "Kampf um kluge Köpfe"
Dies bestätigt auch Ibtissam Schumacher. Sie ist seit 16 Jahren als Recruiterin tätig und kennt sich in der IT-Branche gut aus. Im vergangenen Jahr seien über 30.000 Stellen im IT-Bereich unbesetzt gewesen. "Den Fachkräftemangel bekommen wir in der täglichen Arbeit zu spüren. Man könnte auch sagen, es herrscht ein Kampf um kluge Köpfe in der IT-Welt", sagt sie – und betont: "Wir haben realisiert, dass der übliche Prozess wie zum Beispiel eine Stellenanzeige zu schalten, oder in den Markt zu kommunizieren, dass wir jemanden suchen, deutlich schlechter funktioniert. Deshalb arbeiten wir inzwischen tatsächlich nur noch über die individuelle Ansprache."
Auf die Frage, was sie damit genau meint, antwortet sie: "Das heißt, wir müssen auf dem Arbeitsmarkt wechselwillige Kandidaten finden, um unsere offenen Positionen zu besetzen, also aufgrund der aktuellen Marktlage klassisches Headhunting betreiben."
Danach gefragt, was sie von der Forderung der Politik halte, die Administration der Schul-IT bei den Kommunen anzusiedeln, und wer ihrer Meinung nach im Wettbewerb um Fachkräfte die Nase vorn habe, antwortet Schumacher lachend: "Ganz klar die Unternehmen. Also ich finde, die beiden Seiten sollten besser Hand in Hand arbeiten, statt Bereiche abzustecken. Wir sehen ja, dass es im Bereich der Schul-IT leider nicht den erwünschten Fortschritt gab. Und gerade während der Pandemie haben wir gemerkt, wie wichtig es ist, dass Wirtschaftsunternehmen wie zum Beispiel AixConcept agil mit nach vorne gehen und sagen: 'Wir unterstützen'. Diesen Part sehe ich nicht bei den Kommunen. Ich denke, gemeinsam sind wir letztendlich stärker und können dann auch solche Krisen besser durchstehen."