Schreibtisch ade!?

Smartphones machen die Jackentasche zum mobilen Büro

Karlsruhe, Januar 2009 - Während die Wirtschaft in der Krise steckt, vermelden Mobilfunkanbieter satte Gewinne. Mit dem iPhone hat der Trend zum mobilen Alleskönner Einzug in die Jackentaschen der Verbraucher genommen. Und dieser reißt auch in finanzschwachen Zeiten nicht ab: Mit 96 Millionen verbreiteten SIM-Karten liegt die Zahl der Mobilfunkverträge deutlich über der Einwohnerzahl. Bei hundertprozentiger Marktabdeckung sind es Funktionalitäten und Services, die neue Dynamik in den Markt bringen: Rund jeder fünfte Deutsche nutzt das Handy bereits zum mobilen Surfen - und damit auch als mobilen Lern- und Arbeitsplatz.




Der Markt für Lernsoftware reagiert: etwa mit Sprachtrainern für unterwegs. Erste Hochschulen wie die Universität Bielefeld machen ihren Internetauftritt fit für das mobile Web. Brauchen wir künftig überhaupt noch einen Schreibtisch? Wie werden wir künftig mit Computern arbeiten und lernen? Die LEARNTEC, vom 3. bis 5. Februar 2009 in Karlsruhe, gibt Antworten.


Zehn-Finger-Tippen wie vor 100 Jahren?



"Das Smartphone wird den Schreibtisch nicht so schnell ersetzen", beruhigt Joachim Hasebrook. Der wissenschaftliche Leiter der LEARNTEC und Professor für Informationsmanagement an der Hochschule Lahr weiß: "Wir sind noch viel zu stark an uralte Organisationsformen gebunden." Tatsächlich gehen viele technische Helfer in ihrer Logik bis ins 19. Jahrhundert zurück: Selbst Smartphones arbeiten noch mit einer Computertastatur, die sich eins zu eins an der guten, alten Schreibmaschine orientiert.


"Tastaturen sind darauf ausgelegt, die Tippgeschwindigkeit so zu verlangsamen, dass mechanische Schreibmaschinen nicht überlastet werden", erklärt Hasebrook. "Das ist heute absolut nutzlos. Rein technisch könnten wir längst auf Spracherkennung umstellen, und einen Haufen Zeit und Geld sparen", betont der Vordenker. "Faktisch hängen wir aber noch an Arbeitsmethoden von Vorgestern!" Forscher sind sich deshalb einig, dass sich Arbeits- und Lerninfrastruktur drastisch ändern müssen, um zukunftsfähig zu sein. Dazu gehört auch eine stärkere Ausrichtung auf den Trend zur Mobilität.


Benutzeroberfläche und Software auf dem Prüfstand


Am Smartphone zeichnet sich bereits ab, dass wir viel effizienter arbeiten können, wenn sich Schlüsseltechnologien durchsetzen. Stichwort Touchscreen: Bei Kleinstgeräten bleibt für unübersichtliche Knöpfe nicht mehr viel Platz. Mit Oberflächen, die auf leichtes Berühren reagieren, navigiert es sich leichter und schneller. Das iPhone hat hier einen Trend gesetzt, der anbieterübergreifend auf dem Vormarsch ist.


Zweiter Prüfstein ist die Software: "Mobile Endgeräte kommen meist im schicken Design daher", sagt Hasebrook. "Der Blick auf die Betriebssysteme offenbart aber - wie bei PC und Laptop - wenig Innovation: So muss das neue Windows Vista schon wieder überarbeitet werden - wegen Unübersichtlichkeit."


Das Kernproblem laut Hasebrook: Wir arbeiten längst im virtuellen Raum und nutzen noch immer "Ordner" und "Dokumente". Selbst die ganze Fülle des Internets stopfen wir noch in das veraltete Ablagesystem. Die Folge: Information Overload. "Psychologen, Betriebswirte und Designer müssen sich dringend über das so genannte Cognitive Design Gedanken machen: Die Übersetzung menschlicher Denkabläufe in technische Geräte", fordert Hasebrook.


Je mehr sich der technische Dienst am Nutzer ausrichtet, und je mehr das Gerät hinter diesen Dienst zurück tritt, desto effizienter lässt sich Wissen aneignen und weitergeben. Das Smartphone ist dafür ein gutes Beispiel, weil der Mensch eben nicht nur im Sitzen und mit Blick auf einen Bildschirm denkt und lernt.


Denken simulieren und abbilden


Das Problem mit den Ordnern macht auch deutlich: Ein wesentlicher Schritt zu effizienteren technischen Geräten besteht in der besseren visuellen Aufbereitung von Informationen. "Ziel ist die sichtbare Darstellung von eigentlich Unsichtbarem", erklärt Hasebrook. So kann zum Beispiel ein Manager sein vielschichtiges Wissen besser zu Geschäftsentscheidungen heranziehen, wenn er es visualisieren kann. Auch hierbei können Computer unterstützen.


"Bahnbrechende Modelle für neuartiges Wissensmanagement liefert die Bio-Informatik mit qualitativen Simulationen zur Unterstützung von Denkabläufen", erklärt Hasebrook. "Damit lassen sich Zukunftsszenarien durchdenken, die mit herkömmlichen Methoden nie zu berechnen wären." Um die Ergebnisse zu verstehen, benötigt man wiederum modernste Wissensvisualisierung, also Grafik- und Interaktionsdesign.


"Eine bessere Ausrichtung am Nutzer steigert damit nicht nur die Bedienbarkeit von Computern, sie ermöglicht auch ganz neue Dienste", betont Hasebrook. "Je besser diese auch für mobile Endgeräte geeignet sind, desto zukunftsträchtiger sind sie." Den Schreibtisch wird es aber wohl auch in hundert Jahren noch in jedem Unternehmen geben.