Studie

Zielgruppenorientiertes eLearning für "Silver Surfer"

Karlsruhe, Februar 2009 - Bereits im vergangenen Jahr veröffentlichte das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe die Studie "Zielgruppenorientiertes eLearning für Kinder und ältere Menschen", die in Zusammenarbeit mit dem Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag entstand. Sie nimmt die Nutzung und Zielsetzung von Bildungsangebote für Senioren unter die Lupe. CHECK.point eLearning fragte Peter Georgieff, einen der Herausgeber, ob Bildungsanbieter inzwischen dazugelernt haben.




In der Studie "Zielgruppenorientiertes eLearning für Kinder und ältere Menschen" aus dem letzten Jahr betrachten sie soziodemografische Besonderheiten des Alter(n)s, die Bildungspräferenzen und das Medienverhalten älterer Menschen. Was sind die Besonderheiten dieser Zielgruppe?

Peter Georgieff: Eine Besonderheit ist schlicht schon die Größe der Zielgruppe älterer Menschen, die heute rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Die absolute Anzahl älterer Menschen (heute 16,5 Millionen) und der prozentuelle Anteil der über 60-jährigen Menschen an der Gesamtbevölkerung wird sukzessive weiter wachsen und auch die Zahl der Hochaltrigen (Menschen mit 75 und älter) steigt.

Die Gruppe ist keineswegs homogen. Alter, Geschlecht, Bildungsniveau, Einkommen und Weiterbildungserfahrung während der Berufstätigkeit sind entscheidende Differenzierungsmerkmale für die Nachfrage nach Weiterbildungsangeboten. Schon die Grenzen zwischen 'jungen' und 'alten' Alten sind fließend. Als 50plus bezeichnet man zumeist die älteren Erwerbstätigen, im "Dritten Lebensalter" befinden sich die 60- bis 75-Jährigen und im "Vierten Lebensalter" die Hochaltrigen über 75 Jahre.

Es ist zu beobachten, dass sich nicht nur eine Verjüngung von Image und Erscheinungsbild älterer Menschen vollzogen hat. Auch die durchschnittliche Lebenserwartung erhöht sich und damit verlängert sich die Alterszeit ohne Berufstätigkeit (Entberuflichung).

Zudem ist das Phänomen der "Singularisierung" zu beobachten, der Anteil allein lebender Menschen nimmt zu, größtenteils bedingt durch den Tod des Lebenspartners. Über 60 Prozent aller Personen über 65 Jahre sind Frauen, bei den über 75-Jährigen sogar 70 Prozent. Es findet damit eine Feminisierung der alternden Gesellschaft statt.

Was sind die Ziele der nachberuflichen Weiterbildung?


Peter Georgieff: Das informelle Lernen ist auch bei älteren Menschen die wichtigste Lernform, zirka 38 Prozent der Personen über 64 Jahren betreiben diese Form des Selbstlernens. Dabei ist der Erwerb oder der Erhalt von Selbständigkeit und Selbstbestimmung auch im höheren Lebensalter eine wesentliche Zielsetzung. Bildung bietet außerdem die Chance den eigenen Altenstil zu entwickeln und sich auf mögliche Krisen und Grenzsituationen vorzubereiten.

Zudem sind ältere Menschen Kompetenzträger im Sinne gesamtgesellschaftlicher Leistungsfähigkeit. Sie nehmen den Großteil der ehrenamtlichen und zivilen Tätigkeiten wahr, die eine Vielzahl allgemeiner und spezifischer Kenntnisse erfordern. Das produziert einen hohen Bildungsbedarf.

Welche Verbreitung entsprechender eLearning-Anwendungen in Institutionen der Altenbildung steht dem Bedarf gegenüber?

Peter Georgieff: Ältere Menschen sind meist weniger mobil, sodass medialen Bildungsangeboten zur Überbrückung von Mobilitätsdefiziten eine wichtige Bedeutung zukommt. Diese können von älteren Menschen allerdings nur genutzt werden, wenn der Internetzugang gesichert ist und die nötige Medienkompetenz vorhanden ist. Über die Hälfte der Personen von 60 bis 69 sind noch nicht vernetzt, bei den über 69 Jährigen sind es sogar mehr als vier Fünftel. Der Bedarf an die Heranführung dieses Personenkreises ist also erheblich.

Bislang bezieht sich der größte Teil der Produkte und Dienstleistungen für ältere Menschen auf Internet-Portale und -Plattformen, die Informationen zu einschlägigen Themen (Alter, Recht, Wohnen etc.) enthalten. Softwareprodukte dagegen machen nur einen geringen Anteil am gesamten Produktangebot aus.

Produkte für eLearning sind am Markt kaum vorhanden oder werden nur verhalten vermarktet. Positive Erfahrungen mit eLearning-Angeboten für ältere Menschen in Deutschland und Europa haben gezeigt, dass Angebote dann erfolgreich sind, wenn eine institutionelle Verankerung sichergestellt ist und an bestehende Kompetenz-Netzwerke angeknüpft werden kann.

Inhaltlich stellen die wenigen eLearning-Angebote überwiegend auf informationstechnische Themen ab, es fehlt an Angeboten mit aktuellem Lebenskontext (z.B. Alter, Gesundheit, Reisen, Kultur).

Das Ziel der angebotenen Dienstleistungen besteht in aller Regel darin, die Teilhabe der älteren Menschen an neuen Kommunikationsmedien zu fördern, die allgemeine Medienkompetenz zu schulen bzw. zu stärken. Zielgruppenorientierte eLearning-Produkte für ältere Menschen müssen daher auf die Vermittlung von Medienkompetenz ausgerichtet oder sehr stark differenziert sein, um die verschiedenen Motivationen und Interessengebiete bedienen zu können.

Die Interessensgebiete von älteren Menschen liegen neben Kursen rund um den Computer und dessen Anwendung, in erster Linie bei kulturellen Themen (z. B. Kunst und Musik). Ältere Menschen interessieren sich ebenfalls für Gesundheit und Ernährung, Politik und Gesellschaft, Sprachen sowie Länder und Heimatkunde. Auf besonderes Interesse stoßen Angebote über Aspekte des Alterns. Insgesamt besteht ein Interesse erworbenes Wissen zu vertiefen oder zu erweitern oder sich neues Wissen anzueignen.

Hat sich im vergangenen Jahr daran etwas geändert? Bewegt sich der Markt?

Peter Georgieff: Vor allem in der Wahrnehmung der Problematik hat sich bei Personalverantwortlichen wie bei Institutionen etwas geändert. Das Problembewusstsein wurde geschärft. Auch wenn es noch immer an Bildungsangeboten für die ältere Generation mangelt, so haben die vielen Content-Anbieter die Altersgruppe zumindest als wirtschaftlich attraktive Zielgruppe identifiziert.

Es gibt immer mehr Modellprojekte. Und auch wenn Institutionen noch immer nicht genügend eLearning-Kurse mit zielgruppenrelevanten Themen anbieten, bereiten sie ältere Menschen in Präsenzkursen auf den Umgang mit Computer und Internet vor. Mit zunehmender Medienkompetenz werden Bedarf und Nachfrage steigen.

Welche Chancen für "Silver Surfer" liegen in den neuen Lernformen wie Social Software (Web 2.0 Foren) oder den so genannten Knowledge Pills (kurze Lerneinheiten á la YouTube)?

Peter Georgieff: Knowledge Pills sind für die Zukunft ein gutes Format für das eLearning für ältere Menschen. Sie eignen sich hervorragend um Themen rund um das Altern wie beispielsweise "Fragen zur Erhaltung und Förderung der Selbständigkeit im Alter", "Gesundheitsthemen" oder "Fragen zu Angeboten des vernetzten Wohnens" unterhaltsam und informativ aufzubereiten.

Auch für Web 2.0-Anwendungen sehe ich eine große Chance. Gerade alte Menschen suchen den Kontakt zu Gleichaltrigen. Der Erfolg des Senioren-Portals Feierabend.de hat gezeigt, dass der Community-Gedanke auch bei älteren Menschen populär ist.

Mit seinen rund 124.000 Mitgliedern ist das Feierabend.de Marktführer in seinem Segment. Die Mitglieder müssen älter als 50 Jahre sein, der Durchschnitt liegt allerdings bei 61 Jahren. Kürzlich wurde es vom Bundeswirtschaftsministerium sogar als "Beste Community" in Deutschland ausgezeichnet.