Defensiver Umgang mit Facebook
München, November 2014 - (von Matthias J. Lange) Das Kultusministerium Baden-Württembergs hat "jegliche dienstlichen Zwecken dienende Kommunikation zwischen Schülern und Lehrkräften" in sozialen Netzwerken verboten. Doch wie sieht es in Bayern aus? Teile der bayerischen Verwaltung haben Probleme mit Social Media. Den Bürger zum Freund machen? Ist das eine Möglichkeit? Zumindest beim bayerischen Kultusministerium wird es wieder etwas eng, wenn ich die jüngsten Entwicklungen sehe. Sehr oft gebe ich Schulungen über Soziale Netzwerke an Schulen an meinen "Tagen der Medienkompetenz". Der Bedarf nach ordentlich aufbereiteter Information ist bei Schülern, Lehrern und Eltern enorm.
Ich habe bei diesen Seminaren erfahren, dass Schüler klassen- oder jahrgangsweise in Facebook organisiert sind, umso häufiger, je älter sie sind. In der Regel sind es geschlossene oder geheime Gruppen. Lehrer bleiben meist außen vor. Trotzdem kommunizieren Lehrer mit Schülern via Facebook. Wenn die Klasse am nächsten Tag Kopiergeld oder Ähnliches mitbringen soll, wird es einem zuverlässigen Schüler gesagt, der es in die entsprechende Gruppe postet. Der Weg über die klassische eMail funktioniert nur noch bedingt. Klar ist aber auch: Wenn ein Schüler nicht in Facebook ist, bekommt er die Information nicht mit.
Aber mit der ganzen Kommunikation via Web 2.0 soll jetzt Schluss ein. Am 18. April 2013 ging ein Hinweis des bayerischen Kultusministeriums an die Schulen. In einem Schreiben des Amtschefs an die Schulen heißt es: "Dabei ist besonders hervorzuheben, dass angesichts enger datenschutzrechtlicher Grenzen Soziale Netzwerke zum Beispiel Facebook, Twitter für den Austausch dienstlicher Daten nicht geeignet sind." Und auch ein Facebook-Auftritt der Schule sei ein Problem für das Ministerium. Wörtlich heißt es: "Auch ein Auftritt der Schule in bzw. ein Konnex zu diesen Netzwerken (Profile, Fan-Seiten, Like-it-Buttons) ist rechtlich problematisch und hat daher zu unterbleiben." Und es wird noch besser: "Entsprechendes gilt für die dienstliche Verwendung von Webseiten durch Lehrkräfte und sonstiges schulisches Personal (zum Beispiel Blogs)."
Aber der Amtschef verweist auf andere Möglichkeiten der Kommunikation. Es heißt: "Informationen können stattdessen zum Beispiel in einem schulinternen passwortgeschützen Bereich erfolgen." So existierte für bayerische Schulen das ISO-zertifizierte Netzwerk Moodle als Lern- und Kommunikationsplattform. Die Nachfolgeplattform heißt mebis. Die Open Source-Plattform allerdings wird von vielen Schülern und auch vielen Lehrern ungern genutzt. Es sei, so höre ich, kompliziert zu bedienen, hat keine mobile Oberfläche und gilt als schwerfällig.
Natürlich kann das Ministerium nicht in das Privatleben der Lehrer eingreifen. Der Amtsleiter weist dennoch ausdrücklich die Staatsbediensteten mit folgenden Worten darauf hin: "Lehrkräften und dem Schulverwaltungspersonal steht die private Nutzung Sozialer Netzwerke frei. Dabei muss jedoch erkennbar sein, dass es sich um private Nutzung handelt, im Netzwerk also die persönliche Meinung und nicht etwas die der Schule geäußert wird." Es folgt der Hinweis: "Dabei muss das Verhalten insbesondere der verbeamteten Lehrkräfte und des verbeamteten Schulverwaltungspersonals auch im privaten Umgang der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihre Stellung erfordern."
Das bedeutet, dass auch in Sozialen Netzwerken über dienstliche Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren sei. "Weder die Nutzung von Nicknames noch die Anonymisierung der Informationen ändern etwas an dieser Verpflichtung, die nicht zuletzt der Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte dient." Und der Amtschef rät: "Aufgrund der besonderen Breitenwirkung Sozialer Netzwerke wird daher ein defensiver Umgang mit Angeboten Sozialer Netzwerke empfohlen."
Tja, und wenn nun ein Lehrer mit einem Schüler via Facebook befreundet ist, dann hat der Amtschef auch einen Rat parat: "Ergänzend sei angefügt, dass sich Lehrkräfte beim zufälligen privaten Kontakt mit Schülerinnen und Schülern in Sozialen Netzwerken bewusst sein müssen, dass keine Distanzverletzungen erfolgen dürfen." Was in diesem Zusammenhang zufällig heiß, ist wohl Interpretationssache. Schließlich muss meines Wissens bei Facebook bewusst eine Freundschaftsanfrage beantwortet werden.
Und wie reagieren jetzt Schulen? Mir liegen Aussagen von Schulleitern vor, die ihre Lehrerschaft anweisen, die betriebenen Facebook-Seiten der Schulen unwiederbringlich zu löschen.
Das bedeutet, dass Schulen keine Möglichkeit haben, in Sozialen Netzen Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und für sich Werbung zu machen. Schulen haben keine Chance mehr, sich darzustellen. Gerade beim Kampf um sinkende Schülerzahlen sehe ich hier eine gewisse Benachteiligung. Schulen können nicht mehr ihre Leistungen in diesen Netzwerken darstellen. Als Vater habe ich bei der Wahl der Schule meiner Kinder sehr darauf geachtet, wie die Kommunikation der Schule ist. Passive Kommunikation wie klassische Websiten sind Web 1.0 und heute nicht mehr zeitgemäß.
Es soll wieder auf das klassische Sender-Empfänger-Modell zurückgegangen werden. Scheinbar ist das Ministerium nicht an Dialog interessiert, sondern an klassischer Kommunikation.
Noch schwieriger sehe ich die pädagogische Arbeit der Schule. Wie soll den Schülern Medienkompetenz in Sozialen Netzwerken beigebracht werden, wenn diese Netzwerke im Grunde tabu sind. Das halte ich für sehr bedenklich.
Und im Bereich der BOS/FOS gehört der Umgang mit Facebook und Co einfach dazu. Wie sollen die jungen Menschen zeitgemäßes Marketing erlernen, wenn das Kultusministerium hier im Grunde einen Riegel vorschiebt? Wenn jungen Menschen der richtigen Umgang mit sozialen Netzwerken nicht mehr aktiv in Schulen vermittelt wird, wie sollen sie sich dann im Wirtschaftsleben 2.0 zurecht finden? Und wie sollen P-Seminare in Gymnasien künftig ablaufen?
Ich kenne viele Schulen, die haben Partner aus der Wirtschaft und arbeiten seit Jahren hervorragend mit diesen Partnern über soziale Netzwerke zusammen. Damit wird jetzt Schluss sein.
Ich bin mal gespannt, was passiert, wenn Schulseiten geschlossen werden. Sofort werden sich Leute die Namen der Schule sichern und aktiv auf die Pauke hauen. Dann wird die Schreierei groß sein, dass irgendwer im Namen einer Schule postet. Ich bin mal gespannt, wie Schulämter und Regierung dann reagieren. Nur weil es in ihrer Welt nicht existiert, wird es im Real Life nicht verschwinden.
Und ich höre aus der Lehrerschaft: Der zuständige Minister hat dagegen als CSU-Abgeordneter des bayerischen Landtages die Chancen von Sozialen Netzwerken erkannt. Er ist in Facebook unterwegs, weil er schließlich auch die Wahlen gewinnen will. Das ist freilich etwas anderes: Der Minister eines Ministeriums ist nicht gleich der Abgeordnete, aber vielleicht sollte er mit gutem Beispiel vorangehen?