So könn(t)en Kinder auf die digitale Zukunft vorbereitet werden
Berlin/Hamburg, November 2017 – Fahrradführerschein, Ernährungslok und Seepferdchen – in unterschiedlichsten Bereichen werden Kinder in Deutschland bereits im frühen Alter umfassend aufgeklärt. Nicht so in Bezug auf digitale Technologien: Während bereits 74 Prozent aller Grundschüler Smartphone und Co. nutzen, wird gerade einmal die Hälfte (55 Prozent) in der Schule oder zu Hause dabei angeleitet. Das geht aus Ergebnissen der Studie "Kompetenzen 4.0: Kinder im Umgang mit digitalen Medien" hervor, die sich aus einer repräsentativen forsa-Umfrage sowie einer FACT-Umfrage im Auftrag von scoyo und Wonder Workshop zusammensetzt.
Eltern haben dabei eine deutliche Vorstellung davon, was ihre Kinder lernen sollen: Laut forsa-Umfrage wünscht sich mehr als die Hälfte (57 Prozent) einen mündigen Nachwuchs, der die Technologie versteht und sie aktiv für sich einzusetzen weiß.
Einheitliche Digitalbildung macht Einsatz der Schulen unumgänglich
Wie die repräsentative forsa-Umfrage aber auch zeigt, sind weder Eltern noch Schule ausreichend dafür gerüstet, Kinder im kompetenten Umgang mit neuen Medien anzuleiten: Gerade einmal jedes vierte Elternteil fühlt sich "sehr sicher" mit den Anwendungen, die ihre Kinder nutzen. Auch die Schulen schneiden in den Augen der Eltern ungenügend ab: Jeder Zweite findet, dass die Bildungsinstitutionen Sechs- bis Zehnjährige "weniger gut" bis "gar nicht" auf den Umgang mit digitalen Technologien vorbereitet.
Um ein einheitliches Bildungsniveau in Bezug auf zukunftsweisende Digitalkompetenzen zu erreichen, sind die Schulen gefragt: Was können sie verändern? Und was müssen Kinder wirklich lernen, wenn von "Digitalkompetenz" die Rede ist?
Schulvertreter und Erziehungsexperten haben im Rahmen des Diskussionsformats "scoyo Elternabend im Netz" in Berlin nach alltagstauglichen Antworten auf diese Fragen gesucht. Herausgekommen sind fünf Lösungsansätze, wie Schulen sofort und konkret zur digitalen Bildung der nächsten Generation beitragen können. Ebenso wurden die wichtigsten Kompetenzen in einer digitalen Welt benannt.
Fünf Lösungsansätze zur Förderung der Digitalkompetenz in der Schule
- Computerführerschein flächendeckend einführen: Stefanie Kaste, Referentin für die Initiative D21, die auch die Bundesregierung in Sachen Digitalisierung berät, fordert die flächendeckende Einführung des Computerführerscheins. Der ECDL (European Computer Driving Licence) ist der internationale Standard für digitale Kompetenz. Er wird von 148 Ländern anerkannt und bereits an über 1.000 Schulen in Deutschland angeboten.
- Verbesserung der Aus- und Weiterbildung von Lehrern: Christopher Cederskog, Managing Director Europe des Lernroboter-Entwicklers Wonder Workshop, plädiert für eine umfassendere Aus- und Weiterbildung von Lehrern. Diese müssen bereits im Studium auf die Vermittlung von digitalen Kompetenzen vorbereitet werden – am besten, indem sie selbst im Umgang mit diesen Medien geschult werden. Außerdem ist wichtig, dass sie den Fortschritt in der Technik mitgehen. In Schweden gibt es beispielsweise Lehrer-Treffs, die nicht von den Schulen, sondern von den Lehrern selbst organisiert werden und den Austausch fördern sollen.
- Digital-Coach an jeder Schule: Anne-Luise Kitzerow, Mutter von drei Kindern und Bloggerin, schlägt vor, an jeder Schule einen Coach einzusetzen, der in Digitalisierungsfragen Ansprechpartner sowohl für Lehrer als auch für Eltern ist.
Die Lösungsvorschläge der Eltern und Erziehungsexperten werden ergänzt durch die Forderungen der Initiative D21: Schulkinder sollen im geschützten Raum der Schule umfassende Kompetenzen im selbstbestimmten und sicheren Umgang mit digitalen Medien entwickeln. Darüber hinaus sollen digitale Medien auch für das Lehren und Lernen in der Schule genutzt werden. Daher der Aufruf der Initiative D21 an die Politik:
- IT-Ausstattung an Schulen verbessern und professionell betreuen: Die wichtigste Grundlage für die Vermittlung digitaler Kompetenzen ist die tatsächliche Nutzung digitaler Medien. Entsprechend müssen diese in den Schulen vorhanden sein. Zeitgemäße Technik ist daher unbedingt notwendig und sollte im besten Fall auch nicht von den Lehrern selbst gewartet, sondern professionell betreut werden.
- Digitalkompetenz in Lehrpläne verankern: Die Initiativen einzelner Schulen sind vorbildlich, doch letztlich muss die Vermittlung digitaler Kompetenzen und dazu die Nutzung digitaler Medien deutschlandweit in Rahmen- und Bildungsplänen verankert werden. Nur so kann eine länderübergreifende Chancengleichheit gewährleistet werden.
Welche Kompetenzen müssen Kindern vermittelt werden?
Die Expertenrunde beim Elternabend war sich einig: Nicht alle Kinder müssen Programmierer werden, um zu aktiven und mündigen Nutzern digitaler Medien heranzuwachsen. Doch welche Kompetenzen gilt es mit Blick auf die Arbeitswelt 4.0 in der Schule und zu Hause zu vermitteln?
- Soziale und interkulturelle Kompetenz: Bedeutend ist eine grundlegende soziale und interkulturelle Kompetenz für die reale und die virtuelle Welt: Kinder müssen verstehen, dass bei der Kommunikation im Netz am anderen Ende ein Mensch sitzt. Wie in der realen Welt ist auch in der virtuellen gegenseitige Rücksichtnahme Pflicht.
- Kreatives Denken: Kinder sollen ermutigt werden, starre Denkmuster und etablierte Lösungswege zu hinterfragen. In einer sich immer schneller drehenden Welt ist es nötig, neue und innovative Wege zu gehen und flexibel auf Veränderung zu reagieren.
- Grundlegendes Technik-Verständnis: Kinder sollen lernen, welche Prozesse im Hintergrund laufen, wie Algorithmen funktionieren, was Datenschutz bedeutet und letztlich, wie sie sich sicher durch das Internet bewegen.
- Lebenslanges Lernen: "Die Digitalisierung bringt große Unsicherheiten mit sich", so Christopher Cederskog von Wonder Workshop. "Daher ist es besonders wichtig, eine Generation heranzuziehen, die keine Angst hat vor Veränderungen. Kinder sollen eine positive Grundhaltung entwickeln und mit gesundem Menschenverstand die Entwicklungen mitgestalten."