Informelles Lernen in Zeitalter der Digitalisierung
Saarbrücken, November 2016 - Smarte Geräte wie moderne Telefone, Uhren, aber auch Autos, Heizungssysteme, Maschinen oder Industrieanlagen werden in Zukunft zusammen mit IT-Systemen permanent vielfältige Daten wie etwa Nutzungs-, Steuerungs- und Verbrauchsdaten produzieren und untereinander austauschen. Diese "Digitale Transformation" wird dazu führen, dass sich die Wertschöpfungsketten in allen Industrien fortlaufend an modifizierte Daten anpassen. Für Unternehmen wird die Fähigkeit zur effektiven Datenanalyse und flexiblen Anpassung an veränderte Situationen zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Dementsprechend werden sich auch die Anforderungen an die Mitarbeiter permanent ändern.
Unternehmen erwarten daher von ihren Mitarbeitern mehr Flexibilität und Bereitschaft, sich selbständig und bedarfsorientiert weiterzubilden. Klassische "top-down"-Weiterbildungsmaßnahmen sind nicht mehr ausreichend, um auf Änderungen durchgängig und schnell zu reagieren. Unternehmen müssen stattdessen entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, damit sich ihre Mitarbeiter permanent selbständig weiterentwickeln können und wollen. Deshalb gewinnen informelle Lernprozesse, wie das Sammeln von On-the-Job- Erfahrungen und der soziale Austausch mit Kollegen, auch in Unternehmen zunehmend an Aufmerksamkeit.
Umgekehrt führt mehr selbstbestimmtes und bedarfsorientiertes Lernen auch zu einer deutlich größeren Vielfalt an Ausbildungswegen und Arbeitsbiographien. Um Lernprozesse auch in Zukunft effektiv gestalten zu können, ist deshalb ein hoher Grad an Personalisierung dieser Prozesse erforderlich.
Da bei vielen informellen Aktivitäten, wie dem Erfahrungsaustausch mit Kollegen, dem Lesen von Nachrichten oder dem Suchen von Informationen im Internet, Lernen eher als Nebeneffekt ohne konkreten Beginn und Abschluss stattfindet, sind diese Aktivitäten schwer zu identifizieren und zu bewerten. Damit Unternehmen und Weiterbildungsverantwortliche durch Unterstützung selbstbestimmter Lernaktivitäten nachhaltig die Innovationsfreudigkeit und Veränderungsfähigkeit des Unternehmens fördern können, müssen sie jedoch genau das erreichen. Das erfordert organisatorische Veränderungen und häufig auch eine kulturelle Neuausrichtung, die beispielsweise das Teilen von Wissen mit Kollegen fördert.
Neue Verantwortung für den Weiterbildungsverantwortlichen
Obwohl auch bei formalen Weiterbildungsmaßnahmen die geschäftlichen Auswirkungen nur schwer messbar sind, ist ein Nachweis der Lernaktivität vergleichsweise einfach: Zum Beispiel belegt ein Mitarbeiter einen Kurs und schließt diesen durch einen Test ab. Wird der Test erfolgreich bestanden, erhält der Teilnehmer einen Qualifikationsnachweis. Um hingegen selbstbestimmtes informelles Lernen im Unternehmen zu fördern und entsprechende Aktivitäten bewerten zu können, müssen sich Weiterbildungsverantwortliche zu Architekten des lernenden Unternehmens entwickeln.
Für den informellen Wissensaustausch mit Kollegen müssen sie organisationsübergreifend geeignete technische Systeme bereitstellen. Dazu gehören zum Beispiel CM-Systeme bzw. Kollaborationsplattformen, die es den Mitarbeitern erlauben, eigene Inhalte zu erstellen und zu teilen, aber auch den Aufbau von persönlichen sozialen Netzen im Unternehmen ermöglichen.
Da selbstbestimmtes Lernen im Unternehmen vor allem bedarfsgetrieben ist, müssen diese Systeme dennoch möglichst eng in den Kontext der Geschäftsprozesse integriert werden; Mitarbeiter sollten in der Lage sein, On-the-Job mit diesen Systemen zu arbeiten. Das bedeutet, dass die Lernarchitektur des Unternehmens die IT-Systeme der Fachbereiche integrieren muss, die die Geschäftsprozesse abbilden.
Die Aktivitäten der Mitarbeiter auf diesen Systemen werden so in Zukunft in Zusammenhang mit den Geschäftsdaten auswertbar sein. Selbstbestimmtes und informelles Lernen findet aber nicht nur im Unternehmen auf unternehmenseigenen Plattformen statt. Deshalb sollten Mitarbeiter, die für die Weiterbildung verantwortlich sind, motivieren und technische Möglichkeiten schaffen, auch außerhalb des Unternehmens Erreichtes einzubringen.
Einerseits können gesammelte Daten über die Aktivitäten dann für die Bewertung und Steuerung der wissensbasierten Prozesse im Unternehmen und in dessen Fachbereichen eingesetzt werden (wenn erforderlich anonymisiert und unter Einhaltung der geltenden Datenschutzrichtlinien). Andererseits können diese Daten Mitarbeitern auch beim selbstbestimmten Lernen helfen, zum Beispiel durch eine Unterstützung der Selbstreflexion oder personalisierte Handlungsempfehlungen.
"Formal learning was yesterday. New pathways for support of informal learning", (Vortrag von Dr. Helko Lehmann, imc, auf Englisch) Konferenzraum 8/9, 25.1.2017, 17:30-18:00 Uhr