"Technik ist in hybriden Lernsituationen das Mittel zum Zweck"
Overath/Karlsruhe, Mai 2024 - Mittlerweile haben Trainer:innen eine Vielzahl an Methoden sowohl für Onsite- als auch für Live Online Trainings entwickelt und fühlen sich in "beiden Welten" wohl. Doch der neue Standard heißt: Hybride Trainings und Workshops. Dies stellt alle Beteiligten vor neue Herausforderungen bzgl. Kommunikation, Interaktion, Technik und Tools und Motivation. Der Vortrag "Aus 2 mach 1 – Hybride Lernwelten gestalten" behandelt die zentrale Frage: Wie schaffe ich eine Lernwelt, in der sich sowohl Online- als auch Präsenz-Teilnehmende integriert fühlen und gemeinsam die Ziele erreicht werden?
Was unterscheidet eine "hybride Lernwelt" von einem mittlerweile etablierten Blended Learning-Konzept?
Inga Geisler: Um die Unterschiede zu beschreiben, ist zunächst eine Begriffsklärung sinnvoll. Bei hybriden Lernformaten handelt es sich um eine Kombination aus einem Präsenz-Training/Seminar/Workshop und der gleichzeitigen Zuschaltung von weiteren Teilnehmenden über einen Virtual Classroom oder ein Webkonferenz-System. So vereinen sich Menschen, die sich zum Teil vor Ort, aber auch an unterschiedlichen Standorten befinden. Alles geschieht zur selben Zeit.
Dies ist der markanteste Unterschied zum Blended Learning Konzept: bei einem solchen werden i.d.R. Präsenz- mit digitalen Lernformaten gemischt. Das Ganze geschieht hintereinander in einer vorgegebenen Reihenfolge. Natürlich kann ein Blended Learning Konzept auch ein hybrides Lernformat enthalten.
Was ist die größte Herausforderung dabei?
Inga Geisler: Da wir als Trainer:in oder Moderator:in dazu neigen, die Menschen in unserem unmittelbaren Umfeld stärker wahrzunehmen als solche, die nur mit einem Kamerabild zugeschaltet sind (Vergleich "Proximity Bias"), besteht genau darin die größte Herausforderung. Wir haben die Aufgabe, mit geeigneten Methoden die beiden Gruppen zu vereinen und den Austausch der Teilnehmenden im Sinne des Lernerfolges zu fördern.
Wie hält man die Balance zwischen dem Technik-Einsatz und dem menschlichen Bedürfnis nach persönlichem, individuellen Kontakt?
Inga Geisler: Die Technik ist in der hybriden Lernsituation das Mittel zum Zweck, miteinander in Kontakt zu treten. Im Fokus sollte immer der Mensch stehen und das Ansinnen, den persönlichen und fachlichen Austausch zu unterstützen. Damit die Online-Teilnehmenden sich entspannt darauf konzentrieren können, ist eine einwandfreie Ton- und Bildübermittlung sicherzustellen. Zusätzlich zu den Funktionen des Virtual Classroom werden i.d.R. weitere digitale Tools eingesetzt – wie z. B. Kollaborationboards oder Umfragetools. Diese sollten sich in überschaubarem Rahmen halten und im besten Fall vorab erprobt werden können.
Aus der Sicht von Trainer:innen und Moderator:innen ist zu beachten, dass die Steuerung von digitalen Tools bei gleichzeitiger Leitung der Veranstaltung eine große Herausforderung darstellt. Hier empfehle ich die Unterstützung durch eine/n Co-Moderator:in oder einer in Präsenz teilnehmenden Person. Daher gilt: so viel wie nötig digitale Tools einsetzen, so wenig wie möglich.
Worin liegt die größte Stärke eines hybriden Lern-Settings?
Inga Geisler: Hybride Lernformate sind dann sinnvoll, wenn ein Präsenzformat geplant ist, jedoch nicht alle Teilnehmende vor Ort sein können. Sollten wesentlich mehr Teilnehmende online zugeschaltet sein, als sich Teilnehmende vor Ort befinden, rate ich zum Wechsel auf eine reine Online Lernsituation. Eine Ausnahme bilden maschinelle Anlagen. Sind diese für das Training unumgänglich, ist das hybride Setting in jedem Fall die bessere Wahl.
Werden sich die hybriden Lernwelten Ihrer Ansicht nach technisch immer weiter ausdifferenzieren?
Inga Geisler: Ein ganz klares: JA. Wir haben zu Beginn der Pandemie erlebt, wie schnell sich alle Beteiligten an die virtuelle Situation gewöhnt haben und es sich heute kaum mehr anders vorstellen können. So wird es auch mit hybriden Trainings und Workshops sein. Die Technik "wächst" mit den Erfahrungen aus den aktuellen Vorgehensweisen. Wir befinden uns aktuell teilweise noch in der Experimentierphase.
Ich beobachte, dass Technik bei den Weiterbildenden mit Hilfe von IT-Verantwortlichen angeschafft wird. Dies geschieht ohne didaktisches Hintergrundwissen. So passiert es, dass die Raumausstattung zwar funktioniert, aber teilweise nur unbefriedigende Effekte erzielt – z. B. die in Präsenz Teilnehmenden nur mit dem Rücken oder gar nicht sichtbar sind für die Online Teilnehmenden.
Ich wünsche mir hier eine stärkere Einbindung der Trainierenden. Nur so erreichen wir, dass die Technik die methodisch-didaktische Vorgehensweise im hybriden Training unterstützt und damit die Akzeptanz für diese Lernform an Vertrauen gewinnt.
Welchen Einfluss erwarten Sie in Zukunft durch das Thema "Künstliche Intelligenz"?
Inga Geisler: Generell eröffnen sich uns viele Chancen mit dem Einsatz von KI in der Weiterbildung. Das gilt selbstverständlich auch für die hybriden Lernwelten. Schon jetzt bekommen wir aussagekräftige Ergebnisse für die technische und methodisch-didaktische Gestaltung, wenn wir zielführende Prompts einsetzen. Nun ist es an uns Lernbegleitenden, unsere Expertise zu KI weiter auszubauen und unsere Methoden für die hybriden Lernwelten anzupassen.