Lehrfilme im Netz

Video-Tutorials: Hobbys und Heimwerken leicht gemacht

Köln, Juni 2012 - (von Prem Lata Gupta) Meine Tante mag Magdalena Neuner. Nicht weil die berühmte Biathletin 34 Rennen im Lauf ihrer Karriere gewonnen hat. Nein, der wahre Grund ist, dass Magdalena Neuner so schön das Stricken erklärt - und dabei auch im Netz Rekorde aufstellt. Fast 424.000 Aufrufe verzeichnet YouTube für ihren Online-Strickkurs, bei dem Anfänger lernen, einen Schal zu fertigen. Videotutorials sind der heimliche Hit.




Beinahe alles lässt sich lernen im Netz: Servietten falten, Apfelbäume korrekt beschneiden, Krawatten binden. Die Anbieterseite präsentiert sich bunt. Hier mischen Überzeugungstäter wie Neuner mit, passionierte Laien, die ihr Wissen weitergeben wollen oder auch Baumarktketten, die Freizeit-Handwerker adressieren.


Experten wie Andrea Back, Direktorin des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Uni St. Gallen, sprechen bereits vom "Siegeszug des Videocontent im Web-Learning". Dabei hat sie nicht nur das Lernen in der beruflichen Weiterbildung oder an Hochschulen im Blick. Back verweist gern auf den weltweiten Erfolg der Khan Academy. Begründet wurde sie von Salman Khan, dreifacher MIT-Absolvent, der 2004 einer Cousine Mathematik-Nachhilfe erteilte. Dafür nutzte er den Doodle-Notizblock von Yahoo. Ermutigt durch immer mehr Anfragen begann er Tutorials bei YouTube einzustellen. Inzwischen sind dort 3.200 Lehrfilme zu Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte und Wirtschaft hinterlegt.


Auch deutsche Versionen gibt es bereits. "Videos sind schnell, einfach und günstig herzustellen", so Andrea Back. Vor allem aber wirken sie anschaulicher als gedruckte Erklärungen und selbst komplizierte Sachverhalte werden nachvollziehbar.
YouTube oder auch Vimeo sind Portale, bei denen Ratsuchende fast immer fündig werden.


Wer als Stichwort "Decke streichen" eingibt, landet auf allein auf YouTube 104 Treffer. Bereits vorsortiert und nach Kategorien (beispielsweise Garten, Fahrrad, Beauty und Basteln) geordnet, steht eine Reihe von Filmen auf video-anleitung-online.de. Aber auch Seiten wie gutefrage.net oder tippsundtricks.24 halten Tutorials bereit. Die Frage ist, ob jedes Thema geeignet ist: Bei anleitung-zum-toepfern.de denkt jeder sofort an verschmierte Hände und man fragt sich, ob der Hobby-Treibende seinen Laptop neben der Töpferscheibe postiert.

Die Qualität der Videos, insbesondere wenn sie von Laien produziert werden, schwankt naturgemäß. Wer nicht den Handwerker bestellen, sondern selbst Hand anlegen will, bevorzugt möglicherweise professionelles Material. Zum Beispiel von Baumärkten, die hiermit einen Extra-Service anbieten. Doch auch dabei lohnt sich der Vergleich.


Während Praktiker etwa Produktpräsentationen unter seine Schulungsvideos mischt, scheint Hornbach seine Sache ernst zu nehmen: Die Themen sind vielfältig und reichen von Dusche einbauen, Aquarien einrichten über Insektenschutz und Gartenteich anlegen bis hin zu Energie sparen. Ergänzt werden die Videos durch Printmaterialien zum Download mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Checklisten. Klar, dass der Baumarkt die Videos nicht nur auf der eigenen Homepage hinterlegt hat, sondern unter dem Stichwort "Hornbach Meisterschmiede" auch bei YouTube hinterlegt hat.


Klar auch, dass dies nicht aus purem Altruismus geschieht, sondern der Kundenbindung dient. Weitere Gründe nennt Stefan Gauger, Marketingleiter von AS Creation. Dieser Tapetenhersteller setzt ebenfalls auf Schulungsfilme. "Wir wollen, dass der Endverbraucher ein vernünftiges Endergebnis hinbekommt", erklärt Gauger. Darum ist das Unternehmen nicht nur engagiert bei YouTube und Twitter, die Filme gibt es online, auf DVD und auf stationären Terminals am so genannten Point of Sale. Der Marketing-Experte: "Wir möchten zufriedene Kunden, darum auch diese Hilfestellung. Wenn es die nicht gäbe, läuft es unter Umständen blöd."


Apropos blöd: Meine Tante findet sich inzwischen ganz schön schlau. Dank Magdalena Neuners Hilfe haben wir nun alle einen neuen Schal. Als nächstes hat sie gelernt Mützen zu stricken. Und auch ich bin jetzt ein Fan von Video-Tutorials. Meinem 13-jährigen Sohn Robert habe ich einen Lehrfilm über die Oberflächenspannung von Wasser im Netz gesucht. Gaaanz langsam wurde dort alles erklärt, mit Wiederholungen und Grafiken, sozusagen idiotensicher. Nach zwei Dritteln hat er die Stopp-Taste gedrückt: "Ich hab's verstanden."