Startups wollen Rückstand bei digitaler Bildung aufholen
Bielefeld/Berlin, Oktober 2024 - Deutsche Startup-Gründer:innen sehen in digitaler Bildung eines der wichtigsten Zukunftsfelder. Gleichzeitig sagen 91 % der Gründer:innen, dass die Digitalisierung unseres Bildungssystems im internationalen Vergleich hinterherhinkt. Die Founders Foundation und der Startup-Verband haben den EdTech Startup Monitor erstellt, um die Startup-Landschaft in der Bildungsbranche erstmals zu erfassen. Die Studie analysiert deutschlandweit Potenziale und Herausforderungen junger Unternehmen im Bildungssektor.
Insgesamt lassen sich in Deutschland aktuell 493 EdTech-Startups identifizieren. Mit 29 % der Unternehmen liegt Berlin als Unternehmensstandort klar vorn - gefolgt von München, Hamburg, Köln und Düsseldorf. Trotz des föderalen Bildungssystems in Deutschland konzentriert sich mehr als die Hälfte der deutschen EdTech-Startups in diesen fünf Großstädten und damit nur vier Bundesländer.
Startups bringen digitale Bildung in (Hoch-)Schulen und Unternehmen
Startups sind treibende Kraft bei der Digitalisierung unseres Bildungssektors. 80 % haben einen Fokus auf digitale Geschäftsmodelle wie Apps und Online-Lernplattformen – sie setzen hier also einen nochmal deutlicheren Schwerpunkt als Startups allgemein (64 %*). Besonders Online-Plattformen spielen eine zentrale Rolle (34 %).
EdTech-Startups decken die gesamte Bildungslandschaft ab: Mit 41 % konzentriert sich der größte Teil auf den Marktsektor Beruf und Weiterbildung – sowohl für Unternehmenskunden als auch für Privatpersonen. 38 % entwickeln Lösungen für Schulen, Kitas und Hochschulen und weitere 21 % widmen sich dem Bereich lebenslanges Lernen.
Mehr Diversität und hoher Purpose unter EdTech-Gründer:innen
Während der Gründerinnenanteil unter Startups insgesamt gegenüber dem Vorjahr (21 %*) leicht auf 18 % zurückgeht, liegt er im EdTech-Sektor mit 36 % doppelt so hoch wie der landesweite Schnitt. Hierbei stechen auch die Studienabschlüsse hervor: Besonders viele Gründer:innen kommen aus Akademiker-Haushalten und haben einen Hintergrund in den Bereichen Informatik und Mathematik sowie den Geistes- und Sozialwissenschaften.
EdTech-Gründer:innen unterscheiden sich auch in ihrer Motivation und ihrem Weg zur Gründung: Die Mehrheit (58 %) entscheidet sich erst im Berufsleben für die Gründung – deutlich mehr als in der allgemeinen Startup-Szene (41 %*). Dabei steht bei 57 % die eigene Vision, als eine ausgeprägte inhaltliche Begeisterung für und Identifikation mit dem Thema, im Vordergrund, verglichen mit 47 % unter allen Gründer:innen. Diese starke intrinsische Motivation führt zu einer hohen Identifikation mit dem Thema und sorgt dafür, dass 92 % der EdTech-Gründer:innen wieder gründen würden.
Digitale Bildung scheitert an den Mühlen der Bürokratie
Der Vertrieb ist für 65 % der EdTech-Startups die zentrale Herausforderung. Hauptproblem ist dabei aus Sicht vieler Gründer:innen, dass institutionelle Kunden wie Schulen und Hochschulen sehr zurückhaltend bei der Einführung von innovativen Lösungen sind (89 %). Die Situation wird durch einen fragmentierten Markt und unterschiedliche gesetzliche Vorgaben seitens der Bundesländer sowie eine besonders komplexe Kundenlandschaft erschwert: Unternehmen kaufen Lösungen für Mitarbeitende, Schulen für Lehrkräfte und Lernende sowie Eltern für ihren Nachwuchs.
Diese herausfordernde Marktstruktur spiegelt sich auch in den Umsätzen wider: EdTech-Startups erzielen 40 % im B2C-Bereich, also direkt mit Endnutzern und bisher nur 22 % im B2G-Bereich, also mit öffentlichen Kunden. Bei Startups allgemein sind es nur 19 % im B2C- und 6 % im B2G-Sektor.
"EdTech ist eines der diversesten Startup-Felder in Deutschland: Mit doppelt so vielen Frauen wie in der klassischen Startup-Szene und einem einzigartigen Mix aus Tech- und Geisteswissenschaftlerinnen," so Dominik Gross, Geschäftsführer der Founders Foundation. "EdTech-Gründer:innen sind ‘Überzeugungstäter’: Sie setzen sich aus tiefster Überzeugung für eine neue Form von Bildung ein und bleiben hartnäckig - auch wenn die Hürden der Bürokratie manchmal stärker scheinen als der Veränderungswille im Bildungssektor. Dass mehr als 90 % wieder gründen würden, zeigt: Der Antrieb unsere Bildung zu revolutionieren, ist wahnsinnig groß. Und den brauchen wir, um auch in Zukunft gut und zeitgemäß ausgebildete Menschen in Deutschland zu haben, die unsere Gesellschaft und Wirtschaft antreiben."
Mangelnde Finanzierung hemmt deutsche EdTech-Startups
Externe Finanzierung ist für viele Startups eine wichtige Grundlage für Wachstum. Besonders bei EdTech-Startups zeigen sich jedoch Finanzierungshürden. Im Vergleich zum Gesamtschnitt werden EdTechs weniger oft von Business Angels (24 % im Vergleich zu 32 % allgemein) und Venture Capital Akteuren unterstützt (4 % im Vergleich zu 19 % allgemein).
Das zeigt: EdTech ist ein Spezialsektor mit Eintrittsbarrieren. Bevor sie investieren, müssen sich Investoren erst spezifisches Fachwissen zu der komplizierten Kundenstruktur, langen Vertriebs-Zyklen und zusätzlichen bürokratischen Hürden insbesondere bei institutionellen Kunden aneignen. Auf der anderen Seite wirft die mit 16 % vergleichsweise geringe Nachfrage nach Venture Capital (ggü. 35 % allgemein) auf Seiten der EdTech-Gründer:innen selbst die Frage nach Vorbehalten und fehlenden Zugängen oder aber einem geringeren Bedarf durch überdurchschnittliche hohe soziale und finanzielle Sicherheitsnetze mit Blick auf Wagniskapital auf.
"Gerade Startups, die Bildungstechnologie anbieten, stehen vor besonderen Finanzierungshürden. Dabei sind Investitionen in Bildung volkswirtschaftlich besonders wichtig", so Benedict Kurz, Vorstandsmitglied des Startup Verbands sowie Gründer und CEO des Startups Knowunity. "Wir müssen in Deutschland mehr privates Kapital, insbesondere von institutionellen Investoren, mobilisieren und die Exit-Kanäle stärken. Nur so können wir innovativen Unternehmen die nötigen Ressourcen für Wachstum und Skalierung bieten."