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"2005 - das Jahr der Innovation"

Kurz vor der wichtigsten Messe für die eLearning-Branche, der LEARNTEC in Karlsruhe, sprach Checkpoint eLearning mit dem Vorstand der imc AG Dr. Wolfgang Kraemer über die Investitionsstimmung, die Aussichten für 2005 und über die Trendthemen informelles Lernen, Bildungscontrolling, Prozess-Integration und Rapid eLearning.



In wenigen Tagen beginnt die LEARNTEC. Nach allem, was man von Branchenvertretern in den letzten Wochen hört, scheint das Heulen und Zähneklappern der letzten zwei Jahre vorbei zu sein: der Markt für Learning Management-Lösungen erlebt derzeit einen Aufschwung. Geht es den eLearning-Anbietern wirklich besser als noch vor einem Jahr?

Kraemer: Ja, den etablierten und leistungsfähigen Anbietern geht es besser als vor einem Jahr. Viele Unternehmen, die noch im letzten Jahr nicht in neue Projekte investieren wollten und mit Restrukturierungsmaßnahmen beschäftigt waren, investieren wieder in die Weiterbildung. Aber nicht mit der Gießkanne, sondern gezielt in messbare Ergebnisse. Das hat schon Mitte letzten Jahres begonnen.


Grund für diese Trendwende sind vor allem die Themen, die die Diskussion von Bildungsverantwortlichen beherrscht haben und die ein neues Verständnis und eine höhere Aufmerksamkeit auch für Learning Management-Lösungen erzeugten: Bildungscontrolling, Rapid eLearning und Autorentools waren die Trends des Jahres 2004. Diese Themen haben deutlicher als alle Argumente zuvor gezeigt, dass im Bildungsmanagement kein Weg an der Prozessunterstützung durch IT-Systeme mehr vorbeigeht.

Bildungscontrolling - sind die Leuten dieses Themas denn nicht allmählich überdrüssig?


Kraemer:
Nicht, solange es noch eine fachliche Diskussion darüber gibt, was Bildungscontrolling bedeutet und wie man methodisch bei seiner Einführung vorgehen soll. Learning Management-Systeme können einen wichtigen Beitrag zu dieser Diskussion leisten, sie können aber nicht alleine für die Umsetzung von Bildungscontrolling im Unternehmen sorgen. Im Augenblick ist der Umsetzungsgrad in den Unternehmen noch auf die statistische Erfassung von Kennzahlen beschränkt. Neben der technischen Umsetzbarkeit sind aber eindeutige Zielsetzungen für ein erfolgreiches Bildungscontrolling notwendig.

Was haben Learning Management-Systeme denn mit Bildungscontrolling zu tun? Geht es nicht genauso gut ohne?

Kraemer: Controlling bedeutet ja Überwachung der Effizienz und der Wirksamkeit von betriebswirtschaftlichen Aktivitäten. Dabei stehen einerseits die Qualitätsverbesserung der Ergebnisse, andererseits die Optimierung der Prozesse im Mittelpunkt. Auf der Ergebnisseite kann eLearning zumindest einen Beitrag leisten, Lernerfolge qualitativ zu verbessern.


Bei den Prozessen spielen Learning Management-Systeme die führende Rolle. Mit ihrer Hilfe ist ein Reengineering der Trainingsprozesse möglich und sie sind die Quelle, an der die Daten für ein umfassendes Bildungscontrolling zu einem Großteil automatisch erhoben und aggregiert werden können. Langfristig werden Learning Management-Systeme noch darüber hinausgehen und zu Werkzeugen des Human Capital-Management und der Business-Intelligence werden.

Controlling und Business Intelligence-Aufgaben - dann müssen Learning Management-Systeme aber tief in die bestehende IT-Infrastruktur eingebunden werden?


Kraemer:
Richtig, Integrationsarchitekturen sind ebenfalls ein wichtiger Trend auch für Learning Management-Anbieter. Seien es ERP-, Content Management-, Kommunikationssysteme oder Global Directory-Services. Anbieter in unserem Markt müssen heute eine Antwort parat haben, wie eine solche Integration möglichst schnell, wartungsarm und preiswert erreicht werden kann.


Unser Learning Management-System CLIX wurde zertifiziert für SAP Netweaver, aber wichtiger als die Zertifizierung selbst ist die Technologie, auf deren Basis wir die Zertifizierung erreicht haben. Mit unserem CLIX2ERP-Integrationsframework haben wir eine Architektur, die auf XML-basierten Konnektoren basiert. Eine Anbindung an externe Systeme wie SAP wird vorkonfiguriert ausgeliefert und kann in wenigen Tagen realisiert werden, ohne dass ein Eingriff in die Programmierung von CLIX oder dem ERP-System erfolgen muss.


Damit ist die Integration von Learning Management nicht nur in die IT-Landschaft, sondern natürlich auch in die Prozesslandschaft eines Unternehmens möglich. Auch andere wichtige Prozesse können abgebildet werden, z.B. die Content Supply Chain-Prozesse mit Lerninhalte-Lieferanten, die über ein Partnermanagement als Komponente in CLIX verwaltet werden können.

Bleiben wir bei der Prozessorientierung - die hat in den Bildungsabteilungen insgesamt erheblich an Bedeutung gewonnen…


Kraemer:
…ja, das wird auch an einem anderen Trend deutlich: bei der Produktion von Contents. Seit einiger Zeit zeichnet sich der Trend ab, dass nicht alle, aber immer mehr Unternehmen die Content-Produktion inhouse durchführen. Dabei bedienen sie sich der Expertise der Content-Produzenten nicht mehr wir früher als Produzenten individueller WBTs, sondern sie nutzen eher deren Prozesserfahrung in der Content-Produktion.


Dies funktioniert einerseits, indem man Autorensysteme nutzt, die diese Prozesserfahrung abbilden und nutzbar machen, andererseits indem man Content-Produzenten auch als Berater für die Prozesse der Inhouse Content-Produktion nutzt. Der Trend geht also weg von den "Content-Agenturen" hin zu "Content-Consultants". Wir haben uns darauf eingestellt, unsere Content-Factory zum Geschäftsbereich "Content Solutions" weiterentwickelt und mit Giunti Labs einen sehr professionellen Partner mit einem eigenen Autorensystem gefunden.

Macht Ihnen Rapid Learning da nicht einen Strich durch die Rechnung, sogar in ihrem eigenen Unternehmen? Wenn man den Versprechungen glauben darf, dann ist doch nichts einfacher als die Content-Produktion?


Kraemer:
Das stimmt, Rapid eLearning-Tools wie LECTURNITY machen die Produktion von Inhalten tatsächlich äußerst einfach. Die Einarbeitungszeit liegt bei einem halben Tag und das Ergebnis sieht dann bereits sehr professionell aus. Aber Autorensysteme und Rapid eLearning stehen in keinem Konkurrenzverhältnis, weil ihre Einsatzszenarien unterschiedlich sind. Im Gegenteil: beide führen dazu, dass jetzt und künftig ein Vielfaches an Contents produziert werden wird.


Und das war bisher immer noch einer der Schwachpunkte bei eLearning: es lagen sehr leistungsfähige technische Systeme vor und auch die Content-Produktion hatte ein hohes technisches Niveau, aber insgesamt boten die Lernportale in den Unternehmen doch deutlich zu wenige Inhalte an.

Also werden Lerninhalte zukünftig "quick and dirty" produziert?


Kraemer:
Nein, nicht quick and dirty. Wenn schon, dann passt eher der Spruch "klein aber fein". Im letzten Jahr haben zahlreiche Anwender die hohe Qualität der mit Rapid eLearning produzierten Inhalte in der Praxis bewiesen: die Olympischen Spiele, das Unternehmen SchwarzPharma und zig Hochschulen wie z.B. die TU Darmstadt. In den nächsten zwei bis drei Jahren - so prognostizieren wir - werden rund 30 bis 50 Prozent der Lerninhalte in den Unternehmen mit diesen Lösungen erstellt werden.


Aber nicht nur das: Rapid eLearning wird zu einem Türoffner für eLearning auch in solchen Unternehmen, die eine Einführung von eLearning bisher nicht auf ihrer Tagesordnung stehen hatten, das heißt, es kann zu einer "Killerapplikation" für den Mittelstand werden. Zusammen mit ASP-Dienstleistungen, die Mittelständlern auch den Einsatz von Learning Management-Systemen ermöglichen.

Es gibt ein Stichwort, das in den letzten Monaten verstärkt aufgetaucht ist und das, so scheint mir, der These der Prozessorientierung widerspricht: der Begriff des "informellen Lernens". Wie passt das zusammen: Prozessorientierung einerseits und informelles Lernen andererseits?


Kraemer:
Es stimmt, das klingt zunächst nach einem Widerspruch. Vielleicht kann man das aus der "historischen" Entwicklung heraus erklären. Nachdem in den letzten Jahren die Prozesse in Bildungsabteilungen analysiert, verbessert und durch IT-Systeme zunehmend genau und flexibel abgebildet wurden, lohnt sich jetzt auch die Diskussion, die früher immer wieder mal zur Unzeit aufgeflammt war: die Frage nach dem Lernenden selbst und nach den angemessenen didaktischen Szenarien für eLearning.


Man muss diese Reihenfolge verteidigen und deutlich sagen: das bisher zu lösende Problem war nicht so sehr die Didaktik des Lernens, sondern dessen Organisation. Hier bestand ein Bedarf nach technischen Innovationen und Professionalisierung der Lernprozesse. Mit der Verfügbarkeit ausgereifter Systeme darf nun auch die Frage gestellt werden, was Lernplattformen für die Lernenden leisten können. Dabei stellt sich eines schnell heraus: das traditionelle medienbasierte Lernszenario des eigenständig und einsamen Lernenden ist ein notwendiger, aber nicht ausreichender Baustein.


Auch Blended-Learning ist auf Dauer nicht ausreichend. Wesentlich für nachhaltige Lernerfolge ist eine enge Verbindung der Lernenden mit den Lehrenden sowie kontinuierliche Zusammenarbeit, Kommunikation und informeller Austausch. Die führenden Learning Management-Systeme bieten zahlreiche Funktionen an und verfügen bereits seit Jahren über Chats, Foren, Messaging-Services und vor allem Communities, die als Kommunikationsraum oder zur Tutorenbegleitung dienen können.

Die Tools sind also da, sie werden nur nicht genutzt?


Kraemer:
Nicht ausreichend. Das wird sich in den kommenden Jahren ändern. Zusammen mit Trainern, Didaktikern und Experten der Plattformanbieter müssen die Bildungsmanager der Unternehmen verstärkt an der Einführung solcher Szenarien arbeiten. Aus den gewonnenen Erfahrungen in der Praxis können dann ggf. auch wir Plattformanbieter zusätzliche Erweiterungen für die Unterstützung dieser Szenarien in ihre Systeme implementieren.


Lernen ist das, was im Kopf jedes einzelnen stattfindet. Deswegen ist informelles Lernen auch nicht unbedingt ein technisches Problem, sondern ein organisatorisches: wie schafft man es, eine dem kontinuierlichen Lernen zuträgliche Umgebung zu schaffen? Die Lernplattform kommt dann ins Spiel, wenn es um das Schaffen einer solchen Umgebung und um die Messung von Ergebnissen geht.

Vieles, was unter dem Modebegriff "informelles Lernen" vorgestellt wird, entpuppt sich schnell als bloßes Informieren. Mit Lernen hat das meist wenig zu tun.


Kraemer:
Schwierig ist allein die Frage nach der Abgrenzung zwischen Lernen und Informieren. In unserer Studie zum Lernverhalten von Managern haben wir herausgefunden, dass die meisten Fach- und Führungseliten in den Unternehmen sagen, dass sie einen signifikant hohen Teil ihrer Arbeitszeit mit Lernen verbringen. Darunter verstehen Führungskräfte aber auch die reine Informationsrecherche. Es ist natürlich ein Problem, einzuschätzen, wo Informieren aufhört und wo Lernen beginnt. Tatsächlich ist diese Grenze nicht fest verankert, sondern fließend.


Hochqualifizierte Eliten sind viel eher in der Lage, aus einfachen Informationen komplexe Lerneffekte für sich zu erzielen. Weniger gut ausgebildete Menschen dagegen können mit einfachen Informationen nicht so viel anfangen und sind weniger gut in der Lage, Informationen zu vernetzen. Hier müssen auch die Lernszenarien ansetzen. Deshalb macht es durchaus Sinn, dass Learning Management-Systeme auf einige Zielgruppen speziell angepasst werden. Wir haben dies für Führungskräfte gemacht und unserer CLIX-Produktfamilie eine spezielle Version für Corporate Universities hinzugefügt.

Das heißt, Sie werden über kurz oder lang auch eine Plattform zum Beispiel für Auszubildende oder für einzelne Branchen realisieren?


Kraemer:
Ja, denn erstens muss es bei einer zielgruppenspezifischen Plattform darum gehen, die für diese Zielgruppe sehr spezifischen Lern- und Lehrprozesse abzubilden. Zweitens muss der Markt groß genug sein, um den Invest in eine eigene Plattformvariante zu rechtfertigen. Branchenspezifische Plattformen sind interessant, allerdings geht es dabei vor allem um Partnerschaften mit anderen IT-Systemherstellern, um eine Preconfigured Solution, in der z.B. eine Anbindung an branchenspezifische IT-Systeme realisiert wird, anbieten zu können.


Aus unserer Sicht noch wichtiger sind allerdings Hochschulen und die allgemein- und berufsbildenden Schulen. Im Hochschulmarkt haben wir letztes Jahr unsere hochgesteckten Ziele noch um 20% übertroffen. Heute setzen bereits über ein Drittel aller Hochschulen unsere Technologien ein.


Dadurch werden auch neue Organisations- und Geschäftsmodelle möglich, an denen wir ja bereits in unserer Zeit am Institut für Wirtschaftsinformatik bei Professor Scheer geforscht haben: nämlich die universitätsübergreifende Kooperation in Fachbereichen, der Austausch von Lerninhalten zwischen Universitäten, aber auch zwischen Hochschulen und Unternehmen.

Wie sieht es mit dem Schulmarkt aus?


Kraemer:
Beim Schulmarkt sind wir erst am Anfang, aber mit durchaus viel versprechenden Aussichten. Hier hilft uns unsere Kooperation mit Microsoft, die uns den Zugang zu den Großhändlern und Distributoren geöffnet hat. Für uns eine völlig neue Art, unsere Produkte zu vertreiben. Es gibt dafür bereits einige Forschungs- und Pilotprojekte und die ersten sehr interessanten Akquise-Erfolge.


Mittelfristig können wir uns aber auch vorstellen, dass es städtische, regionale oder bundeslandweite Schul-Lernplattformen geben kann. Spätestens Mitte 2006 wird es die ersten Schulen geben, die ihren Schülern Lerntechnologien als einen ganz normalen Baustein ihrer schulischen Laufbahn anbieten können. Alles zusammen genommen werden die nächsten zwei Jahre die Jahre der Innovation im eLearning.


Die imc AG auf der LEARNTEC: Gartenhalle, Stand-Nr. 332